von Jochen Bilstein
Wenn Maria Briel von ihrer Hilfe für eine bedrohte Jüdin in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs sprach, machte es den Eindruck, als habe es sich dabei um einen kaum erwähnenswerten, völlig normalen Vorgang gehandelt. Dabei gehörten sie und ihr Mann Fritz zu den wenigen Menschen in Deutschland, die bereit gewesen waren, den von Deportation und Ermordung bedrohten Juden zu helfen, obgleich dies für sie selbst und ihre Angehörigen - zu dem Zeitpunkt hatten sie einen kleinen Sohn - lebensgefährlich war. Die Ideen und die Gemeinschaft der Gruppe Bund hatten die Briels gegen den Nationalsozialismus immun gemacht. Von dem Essener Artur Jacobs war die Gruppe in den 20er Jahren gegründet worden mit dem Ziel einer ganzheitlichen Menschenbildung auf der Grundlage sozialistischer Ideen. Wiewohl nach 1933 als Organisation verboten, blieb der Kontakt innerhalb der Gruppe erhalten. In Remscheid waren auch der Sportlehrer Heinz Jost und Grete Dreibholz, die Schwägerin von Friedrich Wolf, Mitglieder des Bundes. Auch sie sollten bereit sein zu humanitärer Hilfe für Juden in Remscheid, als diese zunehmend ausgegrenzt, diskriminiert, schließlich deportiert und ermordet wurden.
Das Ehepaar Briel war Ende der 30er Jahre bereits wegen regimefeindlicher Einstellung kurzzeitig inhaftiert gewesen und musste sich nach seiner Entlassung regelmäßig bei der Gestapo melden. Das hinderte sie nicht daran, Juden in Not ihre Hilfe anzubieten. Privaten Kontakt mit jüdischen Personen in Remscheid hatte es bis dahin nicht gegeben, man kaufte in jüdischen Geschäften, dies war der einzige Berührungspunkt gewesen. So bot Maria Briel Remscheider Juden nach dem Pogrom vom November 1938 ihre Unterstützung an. Für die jüdische Familie Sternberg, die in der Stephanstraße wohnte, war diese Geste so unvorstellbar angesichts des Verhaltens der übrigen Bevölkerung, dass sie das Angebot Frau Briels ablehnten.
Es war der frühere Leiter des Bund, dessen Frau selbst Jüdin war, der mit Beginn der Deportationen Ende 1941 eine Hilfsorganisation für Jüdinnen und Juden ins Leben rief, die auf dem Netzwerk ehemaliger Bund-Mitglieder beruhte. Es war das Ziel dieser Gruppe, die über das Gebiet Rheinlands und Westfalens verstreut waren, Juden, die der Deportation zuvorgekommen und in den Untergrund gegangen war, Lebensmittelkarten und Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Dies taten auch Maria und Fritz Briel, die damals in einer kleinen Wohnung Am Grafenwald wohnten.
Ortswechsel: Im August 1943 begann für die damals 20-jährige Marianne Strauß das Leben in der Illegalität. Zu spät hatte die Familie Strauß aus Essen den Entschluss gefasst, nach Schweden zu fliehen. Wohl einer wohlwollenden Persönlichkeit hatten sie es zu verdanken gehabt, immer wieder von den Transporten in die Ghettos und Vernichtungslager im Osten verschont zu werden, bis es auch sie traf:An einem Montagmorgen im August 1943, um 10 Uhr, kamen die zwei gefürchtetsten leitenden Gestapo-Beamten in Essen in unser Haus, Ladenspelderstr. 47, und befahlen uns, innerhalb von 2 Stunden für den Abtransport nach dem Osten fertig zu sein. Zu diesem Zeitpunkt waren wir fast die letzte volljüdische Familie in Essen. Schon im Jahr 1941 waren wir einem Transport zugeteilt worden, wurden aber im letzten Augenblick vom Sammelpunkt am Haumannplatz im Anblick all der anderen Hunderte, die einem unbekannten und gefürchteten Schicksal entgegengingen, in unser, von der Gestapo versiegeltes Haus, zurückgeschickt. Dieses Mal kam der Befehl ohne Warnung und wie ein Donnerschlag. Die beiden Gestapobeamten ließen uns nicht aus den Augen. (....) Mein Augenblick der Flucht aus dem bewachten Haus kam, als beide Beamte in unserem Keller verschwanden, wahrscheinlich um Beute zu machen,... Ohne von meinen Eltern, meinem Bruder und meinen Verwandten Abschied nehmen zu können, folgte ich dem Impuls dieses Moments des Unbewachtseins und lief aus dem Haus, sowie ich war - in meinem Skianzug - mit einigen Hundertmarkscheinen in der Hosentasche, die mein Vater mir noch wenige Minuten vorher zugesteckt hatte. (Erinnerungen von Marianne Ellenbogen geb. Strauß: Flucht und illegales Leben während der Nazi-Verfolgungsjahre 1943 - 1945)
"Maria und Fritz Briel halfen einer Jüdin" vollständig lesen