Mit dieser Broschüre hat die Stadt Remscheid den vielen Remscheider Frauen, die wegen ihrer politischen Überzeugung, menschlichen Verantwortung oder aus ganz persönlichen Gründen während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und inhaftiert wurden, ein Denkmal gesetzt. Die teilweise umfangreich geschilderten Lebensschicksale waren ganz unterschiedlich und haben mich sehr berührt. Ich lernte die politisch engagierten Frauen als starke, selbständig denkende und handelnde Persönlichkeiten kennen, die teilweise ihre männlichen Partner an Aktivität und Kreativität übertrafen. Viele hatten auch vor der Nazizeit wichtige politische Funktionen bekleidet. Nur wenige Frauen standen im Schatten ihrer männlichen Partner oder sonstigen Familienangehörigen. Ihren Beitrag zur Menschlichkeit in einer unmenschlichen Welt ans Licht treten zu lassen und sie nicht zu vergessen, ist die Absicht dieser Broschüre. |
Elfriede Bohlen wurde am 30.12.1903 in Remscheid geboren. Sie besuchte vier Jahre die evangelische Volksschule im Eschbachtal und anschließend vier Jahre die katholische Volksschule in Menninghausen. Da die Mutter früh gestorben ist, musste sie schon mit 18 Jahren den Haushalt des Vaters mit 6 Geschwistern führen. Von 1930-1933 war sie als Helferin im Röntgen-Licht- und -Heilinstitut in Remscheid-Lennep tätig.
Im Januar 1931 lernte sie ihren ersten Mann Otto Gilde kennen, der in Wuppertal-Elberfeld ein Lebensmittel-, Obst- und Gemüsegeschäft hatte und Mitglied der Kommunistischen Partei war. Bis dahin hatte ich mich nie mit Politik beschäftigt, schreibt sie in einem handgeschriebenen Lebenslauf 1945.Wohl sind der Weltkrieg und die Nachkriegsjahre nicht ohne Einfluss auf mich geblieben. Schon während des Krieges entfernten sich meine Eltern, die beide katholisch, aber schon nie eifrige Kirchgänger waren, immer mehr von der Kirche. Nach dem Kriege war mein Vater seiner politischen Einstellung nach Kommunist. Mitglied der KPD ist er nie gewesen. Er besuchte die öffentlichen Versammlungen der KPD und war abonniert auf die Bergische Volksstimme. Er hat uns Kinder auch später, als wir wahlberechtigt waren, immer dazu angehalten, die Liste der KPD zu wählen ...
Mit meinem Mann führte ich stundenlange Diskussionen über politische Probleme. Ich las damals ein paar Elementarbücher und mein Mann sorgte auch für entsprechende Unterhaltungslektüre. Wir heirateten am 21. November 1933. Damals fühlte ich mich innerlich schon mit der KPD verbunden. Im Laufe des Sommers 1933 war mein Mann schon dreimal verhaftet worden. Das erste Mal wollte man ihn in einen Prozess einbeziehen, er wurde aber, Dank sei der geschickten Haltung der Genossen, mit verschiedenen anderen Genossen nach einer Woche in Freiheit gestellt. Das zweite Mal war er nur für einen Tag in Haft, das dritte Mal 14 Tage vor unserer Verheiratung wegen angeblicher Greuelpropaganda 1 1/2 Tag. Dazu kam noch Haussuchung, die von einer ganzen Horde SA durchgeführt wurde, wo man ihn ins Gesicht schlug und ihn dauernd mit Revolvern bedrohte. Danach hatten wir eine Zeitlang Ruhe. Mein Mann machte nach wie vor seine Parteiarbeit. Ich selbst war vom frühen Morgen bis zum späten Abend in Geschäft und Haushalt tätig. Der Widerstand Remscheider Frauen 84 Zum Lesen blieb mir wenig Zeit, ebenso wenig zur Parteiarbeit. Ich muss noch bemerken, dass unsere Wohnung Zentralstelle war für das Einkassieren von Beiträgen für die KPD und die Rote Hilfe sowie für die Verteilung von Material. Anfang Februar 1934 erfolgten in unserem Viertel die ersten Verhaftungen zu dem großen Wuppertaler Prozess. Sie erfolgten im Ab stand von fünf Tagen.
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