Am Dienstag besuchte Dirk Kuhl seine ,,alte Penne'', das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium an der Elberfelder Straße in Kooperation zwischen dem EMA-Gymnasium und dem Verein ,,Gedenk- und Bildungsstätte Pferdestall Remscheid e.V. 1961 absolvierte Kuhl an der EMA sein Abitur. Gerne erinnert sich Kuhl an seine alte Schulzeit zurück: Mein Lateinlehrer Jacobi war eigentlich bereits in Pension gegangen. Jedoch gab es zu wenig Lehrer nach den beiden Weltkriegen, und deshalb musste er an die EMA zurückkehren. Er hatte eine total komische Stimme. Dann kommt der 79-Jährige zum eigentlichen Thema: Ich bin, wie es in der Literatur steht, ein sogenanntes Täterkind.
Sein Vater, Dr. Günther Kuhl, beendete seine Schullaufbahn 1928 und absolvierte anschließend ein Jurastudium an den Universitäten Freiburg im Breisgau und Bonn. Günther Kuhl war bereits nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten Anfang Mai 1933 der NSDAP und noch im selben Jahr der SA beigetreten. Von der SA wechselte er 1938 zur SS. Im Juli 1938 übernahm er die Leitung der Staatspolizeileitstelle Hamburg. Im Oktober 1942 wurde er zur Staatspolizeistelle Braunschweig versetzt, die er offiziell von Anfang Januar 1943 zunächst als Regierungsrat und ab 1944 als Oberregierungsrat bis zum Kriegsende leitete. Innerhalb der SS stieg er im November 1944 bis zum SS-Obersturmbannführer auf. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges befand sich Günther Kuhl in britischer Internierung. Durch ein britisches Militärgericht wurde er 1948 aufgrund begangener Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 9. Dezember 1948 im Zuchthaus Hameln vollstreckt.
Die Wahrheit über seinen Vater erfuhr Dirk Kuhl erst von seinem Onkel. Auslöser des Ganzen war eine Schulreise nach Berlin mit dem Bus. Dirk Kuhls Mutter ließ ihn aus Angst nicht durch die DDR fahren, er musste fliegen. Dies hinterfragte der damals 18-Jährige. Doch seine Mutter verschwieg ihm bis zu ihrem Tod, dass sein Vater ein ,,richtiger" Nazi war.
Über Umwege fügten sich einzelne Puzzleteile zu einem Gesamtbild der Schuld seines Vaters. Erst der israelischer Psychologe, Dan Bar-On habe ihm geholfen, mit seiner Geschichte umzugehen berichtete Dirk Kuhl. Viele Erinnerungen habe er nicht mehr an den Vater. Das Verdrängen liege in der Natur der Sache. Ich habe mir Gefühle ihm gegenüber abgewöhnt! Der Tod seines Vaters habe ihn befreit.
Die Schüler der Klassen 9b und 9d waren sichtlich gerührt. Einige wollten auch wissen, was Kuhl von den heutigen rechten Parteien hält. Wenn eine bestimmte Menschengruppe nach Recht und Gesetz benachteiligt werde, drohe Gefahr, betonte Kuhl und gab den Schülern mit auf den Weg: Ob es so weit kommt, liegt an euch. Wenn sich unsere Gesellschaft öffentlich nach außen gegen rechts bekennt, so wie dies an der EMA schon seit längerem geschehe, dann sehe ich keine so große Bedrohung wie damals.''
Anschließend an die Veranstaltung fand ein gemeinsamer Besuch der Gedenk- und Bildungsstätte Pferdestall statt sowie der Eintrag in das goldene Buch der Stadt Remscheid. (Francesco Lo Pinto)