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Kulturausschuss empfiehlt neue Tafel am Löwen-Denkmal

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„Bergischer Löwe leidet unter Pflanzen und Moosen“, titelte der Waterbölles am 12. November 2018. Da ist mehr nötig als nur eine herkömmliche Reinigung. Also beauftragte die Stadt einen Diplom-Restaurator für Natursteinarbeiten mit einem Sanierungskonzept. Derzeit werde daran noch gearbeitet, so die Verwaltung am 8. Oktober in der Bezirksvertretung Alt-Remscheid. Geplant sei eine Fugensanierung des Bergischen Löwen für das kommende Jahr. Zwei Tage später kommentierte das der langjährige „Stolperstein“-Polierer Johann Max Franzen so: „Reißt endlich den 'Kotzbrocken' in Löwengestalt ab. Wir brauchen diese Monumentalstatue nicht mehr. Dieser so genannte 'Bergische Löwe' wurde am 1. Mai 1939 auf dem "Adolf-Hitler-Platz" vor 27.000 brauen Parteigenossen vom Nazi-Bürgermeister Kraft eingeweiht.“ In den folgenden Tagen entwickelte sich in den sozialen Netzwerken im Internet eine heftige Diskussion. An dieser beteiligte sich auch der Waterbölles mit einer Neuauflage der erstmals am 25. April 2012 im Waterbölles veröffentlichten Ausschnitte aus dem Buch „Remscheid so wie es war 2“, von Dr. Gerd Courts zur Einweihung des Bergischen Löwen am Tag der Arbeit 1939. Damals füllten 27.000 Menschen den Rathausplatz. Es gab Marschmusik und eine Fahnenweihe, und am Abend illuminierte ein Feuerwerk (»Rathaus in Flammen«) die Szene. Auf dem Sockel des Löwen-Denkmals standen die Worte »Dem Schöpfer des Großdeutschen Reiches in Dankbarkeit 1.5.1939«.

Diese Inschrift wurde nach Kriegsende entfernt. Eine neue Inschrift habe es allerdings erst 1966 gegeben, bei der Einweihung des Rathausplatzes in „Theodor-Heuss-Platz“, erinnerte in der gestrigen Sitzung des Kulturausschusses Fritz Beinersdorf, Fraktionsvorsitzender der Linken. Zu lesen ist dort, es handele sich bei der Statue um den Bergischen Löwen, das Wappentier des Bergischen Landes (das steht so übrigens auch auf Wikipedia). Für Beinersdorf war die gestrige Sitzung ein politischer Erfolg. Denn dass ein Antrag der Linken in einem Ausschuss einstimmig angenommen wird, ist eher die Ausnahme als die Regel. Am 15. Oktober hatte die Fraktion der Linken den Antrag gestellt, der gestern einstimmig angenommen wurde: Die Verwaltung möge „im Zuge der Sanierung des ‚Löwendenkmals‘ auf dem Theodor-Heuss-Platz am Sockel des Denkmals eine Tafel anbringen, die die Historie des Denkmals wahrheitsgetreu und unverfälscht darstellt. Insbesondere die ursprüngliche Widmung: ‚Dem Schöpfer des Großdeutschen Reiches 1. Mai 1939‘ und die Umwidmung von 1966 in ‚Bergischer Löwe, Wappentier des Bergischen Landes seit 1225‘sollten im Text der Tafel enthalten sein.“ In der Begründung heißt es: „Immer wieder wird in der Bevölkerung über das Denkmal gestritten. Teilweise sind diese Diskussionen unsachlich. Mit der Tafel kann die ganze Geschichte des Denkmals dargestellt werden. Ein Denkmal ist immer ein Relikt seiner Zeit und sollte besonders in diesem Fall in seinem historischen Kontext dargestellt werden.“ Beinersdorf gestern dazu: „Der braune Ursprung des Denkmals ist bisher verschwiegen worden. Es ist Teil unserer Vergangenheit und Geschichte, an die viele von uns schmerzhafte Erinnerungen haben!“

Der von den Linken angeregten neuen Tafel am Löwen-Denkmal widersprach gestern kein einziges Ausschussmitglied. Allerdings meinte Beatrice Schlieper von den Grünen, für sei die Tafel lediglich so etwas wie ein Pflaster auf einer Wunde.  Dabei dürfe es die Politik nicht bewenden lassen, sondern müsse sich mit dem zur Restaurierung anstehenden Denkmal intensiver befassen. „Ein guter Ansatz“, so Volker Leitzbach (SPD). Philipp Wallutat (FDP) sah für das Denkmal noch eine Chance; es sei zwar „für die Nazi-Diktatur errichtet“ worden, inzwischen aber sei der Löwe auf dem Sockel für Remscheid und seine Bürgerschaft so etwas wie eine Identifikationsfigur geworden. Stadtdirektor Sven Wiertz griff das auf und verwies auf eine Stellungnahme des Deutschen Städtetag („Hinweise zum Umgang mit baulichen Zeugnissen der NS-Zeit“) und auf das heutige Verständnis von Staat, Gesellschaft und Menschenrechten. Das spräche dafür, am Sockel des Denkmals auf wichtige Artikel des Grundgesetzes zu verweisen.

Eine Anregung für den neunköpfigen Arbeitskreis, der in der gestrigen Sitzung spontan gebildet wurde. Mit dabei auch Ausschussvorsitzende Karl Heinz Humpert (CDU). Warum der Nazi-Ursprung des Löwen-Denkmals erst jetzt erstmals intensiver in der Öffentlichkeit diskutiert werde, beantwortete er so: „Die Stimmung im Land hat sich verändert. Wir sind sensibler geworden gegenüber rechten Parolen, und wir erkennen, dass es zwingend ist, mahnend an unsere Vergangenheit zu erinnern!“ Deshalb sei das Antrag der Linken „gut und vernünftig". Er werde dem Denkmal „als Produkt seiner Zeit – keine Schönheit“ gerecht.

Ob am steinernen Sockel künftig noch ein Basketballkorb geduldet bleiben wird, ist abzuwarten...


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