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Channel: Waterbölles - Geschichte
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Eine Gesellschaft braucht Ziele und Maßstäbe

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„Der Monat November erweist sich in der Rückschau auf unsere Geschichte als ein Monat tiefgreifender Ereignisse. Insbesondere dürfen die schrecklichen Geschehnisse der Pogromnacht (9. November 1938) nicht in Vergessenheit geraten!“, betonte der  Verein Gedenk- und Bildungsstätte Pferdestall Remscheid e.V. und lud für Samstagabend zu einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 81. Jahrestages der Reichspogromnacht in „seine“ Gedenk- und Bildungsstätte ein, den ehemaligen Pferdestall der Remscheider Polizei. Auch der Wuppertaler Polizeipräsident Markus Röhrl und Atouri Gourari als Vertreter der Jüdischen Kultusgemeinde nahmen an der Gedenkfeier teil. Nachkommen der Familie Mandelbaum schilderten in dem bis auf den letzten Platz besetzten Saal das Schicksal ihrer Familie, und in Vertretung von Oberbürgermeister Burkhard Mast-sprach Bürgermeister Kai Kaltwasser.

„Der 9. November ist ein entscheidender Tag in der neueren deutschen Geschichte: ein schicksalhafter Tag 1918 (vor 101 Jahren): Ausrufung der Republik und Ende der Monarchie, ein glücklicher Tag 1989 (vor 30 Jahren): Öffnung der innerdeutschen Grenze, und ein grauenhafter Tag 1938 (vor 81 Jahren): die Pogromnacht“, betonte Kai Kaltwasser. „Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 gehört zu den schlimmsten Momenten der deutschen Geschichte. Am 9. November 1938 gingen Hass und Gewalt gegen Juden vom Staat aus. Im Jahre 1938 waren Hass und Gewalt vor aller Augen. Die Diskriminierung führte schließlich zu Vernichtung. Unter der nationalsozialistischen Herrschaft wurden Millionen von Menschen jüdischer Herkunft entrechtet, entwürdigt, aus ihrer Heimat vertrieben und ermordet.“

Der 9. November 1938 sei ein Vorbote der späteren Verfolgung und Ausgrenzung gewesen, die zu den Massenmorden in den Ghettos und in den Lagern geführt habe, fuhr Kaltwasser fort. Auch in Remscheid wurden am 9. November 1938 Geschäfte und Wohnungen von Juden zerstört und Juden misshandelt!“

Wie der Remscheider Jochen Bilstein herausgearbeitet habe, sei in jener Nacht kaum eine jüdische Familie in von der Gewalt verschont geblieben. Einige jüdische Familien seien damals aus dem Polizeigefängnis mit einem Sonderzug in das Konzentrationslager Dachau deportiert worden. „Es grenzt daher fast an ein Wunder, dass nach dieser Vertreibung und diesem Massenmord wieder Juden in Deutschland heimisch wurden!“

Und dennoch sei es aktuelle Wirklichkeit, so Kai Kaltwasser, dass es in Deutschland offenen und latenten Antisemitismus gebe und die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ansteige. Aber: „Fremdenfeindlichkeit und Rassismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft! Jeder Mann und jede Frau müssen sicher sein vor Diskriminierung und Gewalt! Der frühere Bundespräsident Johannes Rau hat einmal gesagt: ‚Wer Minderheiten angreift, der legt einen Sprengsatz an das Fundament unserer demokratischen Gesellschaft! ‘ Vor diesem Hintergrund ist es eine besondere Verpflichtung, die Erinnerung an den grausamen Versuch, jüdisches Leben in Deutschland und in Europa auszulöschen, wach zu halten. Wir müssen wissen, was damals geschah, und die Lehren daraus immer vor Augen halten. Denn: Jüdisches Leben in Deutschland ist eine Selbstverständlichkeit, ist eine Normalität, die nicht extra betont werden muss!“

Keine Gemeinschaft, keine Gesellschaft, auch kein Staat könne ohne Gedächtnis leben, so Kaltwasser weiter.  Denn ohne Erinnerung zu leben würde bedeuten, ohne Identität und damit ohne Orientierung zu leben. „Wenn wir nicht blind in die Zukunft gehen, sondern Ziele und Maßstäbe haben wollen, müssen wir wissen, woher wir kommen“, zitierte der Bürgermeister den früheren Bundespräsident Roman Herzog. Und: „Das Undenkbare ist einmal Wirklichkeit geworden, und damit bleibt es historische Möglichkeit – überall auf der Welt.“

„Mit großem Respekt“ dankte Kai Kaltwasser abschließend „allen, die die Gedenk- und Bildungsstätte Pferdestall in Remscheid auf den Weg gebracht haben und mit Leben füllen. Ihr Tun ist ein entscheidender und wichtiger Baustein gegen das Vergessen und für das Erinnern in unserer Stadt! Ihre Tätigkeit kann man gar nicht hoch genug wertschätzen. Bitte machen Sie weiter so!“


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