Um das Jahr 1850 wurde das Problem des billigeren Rohstoffs brennend. Der ungeahnte Aufschwung der Verkehrsmittel, die lebhaftere Gestaltung des Handels im In- und Ausland, die beginnende Verdrängung der Hand- durch die Maschinenarbeit und bessere Verarbeitungsmöglichkeiten des Materials drückten den Wert der Remscheider Erzeugnisse herab. Es war daher eine Lebensfrage für die ganze Remscheider Wirtschaft, den Preis der Rohstoffe zu senken. Der Transport des Materials blieb zeitraubend und kostspielig, da eine unmittelbare Eisenbahnverbindung für Remscheid erst gegen Ende der 60er Jahre geschaffen wurde. Die Produktionskosten konnten deshalb nur dadurch ermäßigt werden, dass man am Orte selbst den Stahl, der zum Hauptrohstoff gerade der Werkzeugindustrie wurde und das Eisen verdrängte, billiger herstellte. So entstanden, anknüpfend an die alte Tradition der Hütten- und Hammerwerke, auch in Remscheid, der Domäne der Weiterverarbeitung des Eisens, Gussstahlwerke.
Ausweislich alter Rechnungen bezog schon im Jahre 1847 J. A. Henckels in Solingen Gussstahl von einer Firma Lindenberg in Remscheid. Soweit sich feststellen ließ, betrieb die Firma Gebrüder Lindenberg & Co. wahrscheinlich in jenem Jahre versuchsweise am Hammesberg einen Schmelzofen für Tiegelgussstahl. Es war jedoch hierüber nicht mehr zu erfahren, als dass Henckels diesen Stahl ausprobierte. - Bei der bedeutungsvollen Tatsache der Aufnahme der fabrikmäßigen Herstellung von Gussstahl begegnet uns der Name Mannesmann, der im Laufe des 19. Jahrhunderts noch oft unter den Förderern der Remscheider Industrie auftaucht. Verschiedene Versuche anderer Remscheider Firmen, selbst einen für die Feilenfabrikation geeigneten Stahl zu erzeugen, waren fehlgeschlagen. Als 1853 die eisten Versuche der Firma A. Mannesmann, Gussstahl in Tiegeln herzustellen, glückten, nahm sie von 1856 ab den Bedarf des zur Herstellung von Qualitätswerkzeugen erforderlichen gleichmäßigen und fehlerfreien Materials in die Liste eigener Erzeugnisse auf.
Zwar wird noch in einem Bericht der Handelskammer Lennep aus dem Jahre 1864 ein ungünstiges Urteil über den heimischen Gussstahl, wohl aus der Einstellung einer Voreingenommenheit für ausländische Erzeugnisse heraus, geäußert. Eine derartige Kritik musste jedoch bald angesichts der Tatsache verstummen, dass sich, getragen von Unternehmergeist und Ingenieurkönnen und unterstützt durch einen altgeschulten Stamm tüchtiger Arbeiter, rasch der Umfang der Gussstahlherstellung in Remscheid vergrößerte und sich die Güte der Erzeugnisse hob.
Mit dem Aufkommen der neuen Stahlsorten und der Steigerung der Warenproduktion sah man sich indes gezwungen, zu neuen Arbeitsweisen zu greifen. Das Verfahren des Aushämmerns der Stahl- und Eisenstangen (des Rohmaterials der alten Kleinschmiederei und ihrer Verarbeitung zu Band- und Schlichteisen in den durch Wasserkraft betriebenen Reck- und Breithämmern war recht umständlich. An seine Stelle trat das Walzverfahren. Damit war das Schicksal auch jener Gruppe von Wasserhämmern besiegelt. Nur hier und da findet man noch heute in den Tälern des Remscheider, Cronenberger und Lüttringhauser Gebietes einen Reck oder Breithammer in Tätigkeit, in dem Feilen und andere Werkzeuge, Kuchenpfannen, Maurerkellen u. a. ausgeschlagen werden. Welche Verbilligung der Produktion durch den Walzprozess erreicht wurde, sehen wir aus einem Berichte Friedrich Harkorts, nach dem eine Walze an einem Tage mengenmäßig so viele Bleche und Bandeisen liefern konnte wie ein Bandhammer in einer Woche.
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