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Emil von Bernuth, Landrat in der Kreisstadt Lennep

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von Dr. Wilhelm R. Schmidt

Der Kreis Lennep war von 1816 bis 1929 ein Landkreis im preußischen Regierungsbezirk Düsseldorf, zunächst innerhalb der Provinz Jülich-Kleve-Berg und ab 1822 der Rheinprovinz. Zum Kreis Lennep gehörten die Bürgermeistereien Burg, Dabringhausen, Hückeswagen, Lennep, Lüttringhausen, Radevormwald,  Wermelskirchen und Remscheid. Folgende Landräte wirkten hier zwischen 1816 und 1929, dem so wichtigen Jahr der Kommunalen Neugliederung gemäß dem „Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets“: 1816–1817 Franz Joseph Freiherr von Ritz, 1817–1824 Friedrich Heydweiller, 1825–1866 Emil August von Bernuth, 1866 Gustav Petersen (vertretungsweise), 1866–1882 Lambert Rospatt, 1882–1899 Richard Koenigs, 1900-1923 Friedrich Hentzen, sodann Dr. Müller (vertretungsweise)1923 und 1924–1929 Ludwig Beckhaus. In der Bevölkerung sind die meisten dieser preußischen Landräte nicht mehr präsent, insbesondere, je weiter man die Geschichte in die erste Hälfte des 19 Jahrhunderts zurückverfolgt. An frühere Landräte des Kreises Lennep erinnern in der ehemaligen Kreisstadt die Rospattstraße und die Hentzen-Allee. Nun soll auch Emil von Bernuth eine Straße gewidmet werden.

Im Jahre 1925 erschien im Deutschen Architektur- und Industrie-Verlag Berlin-Halensee (DARI-Verlag) ein Band mit dem Titel „Der Landkreis Lennep und seine Gemeinden – Herausgegeben vom Landrat des Kreises Lennep“. Dieser Band enthielt gleich zu Anfang einen längeren Aufsatz von „Direktor O. Vaupel, Lennep“ über den „Landkreis Lennep und seine Verwaltung in historischer Entwicklung“. Otto Vaupel war bis 1929 bei der Kreisverwaltung des Landkreises Lennep tätig und wurde später Bürgermeister in Witzhelden. Der Aufsatz von Vaupel behandelt auch die ersten Lenneper Landräte. Dort heißt zu Emil von Bernuth (1797 – 1882): "Durch Kabinettsordre vom 22. Dezember 1824 wurde der Regierungsreferendar Emil von Bernuth aus Arnsberg als Nachfolger des Landrats Heydweiller zum Landrat des Kreises Lennep ernannt. Derselbe war Landrat des Kreises Lennep von Januar 1825 bis August 1866. Er starb am 19. August 1882 in Piotskiwice" (Druckfehler, gemeint ist Piotrkowice in der Provinz Posen). Im Jahre 1980 schrieb der Historiker und Experte für Westfälische Geschichte, Ludger Graf von Westphalen, über die Bernuthschen Beamten des 19. Jahrhunderts: "Die Bernuths gehörten zu einer ausgebreiteten preußischen Beamtenfamilie evangelischer Konfession, die aus Kleve stammend seit 1786 nobilitiert dem preußischen Staat im 19. Jahrhundert zahlreiche Mitglieder der mittleren und oberen Führungsschicht gestellt hat. 1816 waren gleichzeitig zehn Brüder und Vettern als Steuer- und Regierungsräte, als Domänen-und Landgerichtsdirektoren, als Regierungs- und Oberlandesgerichtspräsidenten, als Geheime Finanz- und Wirkliche Geheime Oberregierungsräte tätig“.

Über die Familie von Bernuth, auch über den Arnsberger Zweig, aus dem der Lenneper Landrat stammte, kann man sich heute gut im Internet informieren. Im Jahre 1986 erschien ein Bernuth-Buch, mit dem die Familie ein Werk fortzusetzen wollte, "das frühere Bernuth-Generationen begonnen haben und nachfolgende vielleicht weiterführen werden: nämlich unserer Familie und all denen, die sich ihr verbunden fühlen, dieses Familienbuch vorzulegen". Auch hat die Familie eine Webseite, und bereits im Jahre 1922 erschien eine „Geschichte der Familie von Bernuth“ in Gülzow i. Pommern. In dieser Geschichte ist auch der Lenneper Landrat Emil von Bernuth ausführlich erwähnt: „Emil August (von Bernuth) geb. 14. Juli 1797 in Cleve, gest. 19. April 1882 in Piotrowice bei Czemplin (Posen), Kgl. Preuß. Geheimer Regierungsrat, Landrat des Kreises Lennep. Gymnasium in Hamm, Universitäten Göttingen und Berlin. 1820 Referendar in Arnsberg, 1825 Landrat in Lennep, 1866 in den Ruhestand getreten.“

Landrat Emil von Bernuth trat seinen Dienst in Lennep gleich nach Abschluss seiner juristischen Ausbildung mit 26 Jahren an, was hin und wieder als recht frühzeitig bewertet wurde. Es war jedoch bei preußischen Verwaltungsbeamten nichts wirklich Außergewöhnliches, bemerkenswerter ist vielmehr die Tatsache, dass er dieses Amt in Lennep über vierzig Jahre ausübte,  bis er 1866 in den Ruhestand verabschiedet wurde. Er wurde also niemals versetzt oder trat auf eigenen Wunsch anderenorts ein anderes Amt an. Der auf von Bernuth folgende Lenneper Landrat Lambert Rospatt war hingegen vor seiner Lenneper Zeit bereits als Unterpräfekt in Lothringen tätig und ging 1882 auf eigenen Wunsch als Regierungsrat ins seinerzeit ebenfalls preußische Wiesbaden. Die mondäne Kurstadt Wiesbaden, aber auch natürlich Koblenz als Verwaltungssitz der Preußischen Rheinprovinz mit dem Oberpräsidenten und den weiteren staatlichen Verwaltungsbehörden übten auf Beamtenfamilien einen besonderen Reiz als Wohnsitz aus, so auch auf den ehemaligen Landrat und seine Frau. Angesichts dessen, dass Preußische Verwaltungsbeamte in der Regel doch häufiger ihren Amts- und Wohnsitz ändern mussten, fragt man sich unwillkürlich, ob nicht auch private Verwandtschaftsverhältnisse in Lennep hier eine Rolle spielten. Und dies könnte durchaus der Fall sein. Denn ein Sohn des Landrats, nämlich Bernhard Georg Viktor von Bernuth, geboren am 31. Januar 1832, heiratete in Lennep Elise Fuhrmann, geb. am 10 Oktober 1838. In der nächsten Generation kam es zu zwei Verbindungen mit der Lenneper Tuchdynastie Hardt. So z.B. durch Emil Johann Bernhard von Bernuth im Jahre 1893, in der Folge wirkte er für die Firma Hardt & Co. sieben Jahre in Buenos Aires. Die New Yorker Niederlassung nannte sich ein Zeit lang sogar „Hardt, von Bernuth und Co“.

Alte Zeichnung des Lernneper Landratsamtes.Das ehemalige Lenneper Landratsamt Thüringsberg 6. Wie so viele amtliche Gebäude und private Villen des 19. Jahrhunderts hatte auch dieses stattliche Gebäude in Lennep keine weitere private Zukunft. Heute ist hier die Lebenshilfe untergebracht. Das Lenneper Landratsamt ist eines der ersten Beispiele des seinerzeit entstandenen so genannten Speckgürtels außerhalb der mittelalterlichen Altstadt. Ausgehend von der Poststraße siedelten sich am Thüringsberg nach und nach die reichen Lenneper Fabrikanten an. Das Landratsamt, ursprünglich für die Lenneper Kaufmannsfamilie Fuhrmann erbaut, besteht als Gebäude in veränderter Gestalt noch heute: Thüringsberg Nr. 6 (früher Alleestraße 365 und eine Zeit lang auch Hindenburgwall), jetzt von der Lebenshilfe Remscheid genutzt. Dort ist eine Schautafel angebracht, aus der hervorgeht, dass die Villa von 1824 bis 1889 als Preußisches Landratsamt diente und vom Lenneper Baumeister Albert Schmidt 1893 für die Familie Pocorny (Hardt & Pocorny) umgebaut wurde.

Das ausdrucksvolle Halbrelief der zum ersten Lenneper Landratsamt gehörigen Remise, entstanden vor mehr als 150 Jahren. Der Pferdekopf weist auf den damaligen Pferdefuhrpark  des Landrats und seiner vermögenden Lenneper Familie hin. Bildvorlagen: Lennep-Archiv Schmidt.Die Kutscher wohnten früher in der kleinen Wohnung über der Remise

Das zurückliegende Gebäude links daneben mit dem als Halbrelief modellierten Pferdekopf zur Straße hin war im 19. Jahrhundert die der eigentlichen Villa zugehörige Remise, wo zunächst Pferde, später auch die ersten Automobile eingestellt waren. Der modellierte Pferdekopf erinnert noch heute an die Zeit der Kutschen. Die Kutscher wohnten früher in einer kleinen Wohnung über der Wagenhalle.

Die Gestaltungsmöglichkeiten preußischer Landräte waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts i.ü. durchaus beschränkt. Der Kreisverband kam damals fast nur als Verwaltungsbezirk für die Kommunal- und Polizeiaufsicht des Landrats in Betracht, die je eigenen kommunalen Angelegenheiten regelten die Bürgermeister selber. Alle Kreistagsbeschlüsse hatte der Landrat vor ihrer Ausführung der preußischen Regierung zur Genehmigung einzureichen, er hatte also vor allem eine Aufsichts- und Vermittlerfunktion, wichtig genug, denn ohne ihn ging nichts „nach oben“. Im Zusammenhang der politischen Auseinandersetzungen während der 1848er Revolution, die auch für den Kreis Lennep von großer Wichtigkeit war, wird der Landrat Emil von Bernuth i.d.R. kaum, und wenn ja nur administrativ agierend erwähnt. Wichtig war jedoch die Vermittlungstätigkeit zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Die damaligen Landräte förderten in erheblichem Maße die Wirtschaftsentwicklung im Kreis Lennep, u. a. über die Kontakte der Lenneper Kaufmannsgesellschaft, die ab 1799 bestand, und die 1827, das war im dritten Jahr der Bernuthschen Tätigkeit in Lennep, ein Angebot annahm, die erste Etage des 1791 erbauten Steinhauses zu mieten, das später teilweise als Rathaus, Gericht und Sparkasse diente und 1945 durch Bomben zerstört wurde.

Anlässlich der Verabschiedung des Landrats wurde ihm und seiner Frau von Seiten des Kreises Lennep im Jahre 1866 ein silbernes Gedeck verehrt, das noch heute im Besitz der Familie ist. Die Widmung wurde in die Einzelstücke des Services eingraviert.  Nach mehr als 40jähriger Tätigkeit in der Kreisstadt Lennep zog es Emil August von Bernuth und seine Ehefrau Luisa Dorothea Emilia (Luise) von Porbeck (1799 – 1881). in den Kreis der Familie in die rheinpreußischen Metropole Koblenz, später nach Berlin und zuletzt in die Provinz Posen. Zur Verabschiedung des Landrats und seiner Frau überreichten Vertreter des Kreises Lennep im Jahre 1866 ein silbernes Gedeck, das noch heute im Besitz der Familie ist.

Eine Lenneper Zeitung veröffentlichte 1882 nach dem Tode Emil von Bernuths einen Nachruf, in dem es u.a. heißt: „Am 19. April 1882 starb zu Piotrowice in der Provinz Posen auf dem Gute seines Schwiegersohnes von Delhaes Herr Geheimer Regierungsrat Emil von Bernuth im 85. Lebensjahre in Folge von Altersschwäche. (...) Während seiner Verwaltung hat die vielseitige Industrie des Kreises einen früher ungeahnten Aufschwung und eine allseitige Ausdehnung gewonnen. In den bedeutenderen Branchen vollzog sich während dieser Zeit der allmähliche Übergang vom Kleinbetriebe zur Großindustrie. Die Bedeutung dieses Umschwungs drückt sich am deutlichsten in der Zunahme der Bevölkerung aus, welche während jener Zeit von 45.000 auf 83.000 Seelen, also beinahe auf das Doppelte stieg. Nicht minder hat sich die Landwirtschaft in diesen Jahren aus wenig erfreulichen Zuständen zu bedeutender Vervollkommnung  gehoben. v. Bernuth, dem durch sein Amt die Gelegenheit geboten war, in all diese Verhältnisse fördernd und unterstützend einzugreifen, hat sich dieser Aufgabe mit seltener Hingabe und unermüdlicher Ausdauer gewidmet und den gerechtesten Anspruch auf den Dank des Kreises erworben, der sich sowohl während seiner Verwaltung bei den verschiedensten Anlässen, als besonders auch bei seinem Abgange zu erkennen gab.“


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