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Die Brüder Grimm, ein bemerkenswertes Geschwisterpaar

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Prf- Dr- Ewals Grothe. Foto UniService TransferJacob Grimm (1857).von Uwe Blass

„Es war einmal… .“ Mit diesen Worten verbinden alle Menschen weltweit Märchen. Gesammelt wurden sie vor mehr als 200 Jahren von den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm in den weltberühmten „Kinder- und Hausmärchen“, die damit auch selber in die Geschichte eingingen. Doch die Brüder Grimm waren viel mehr als ausschließlich Märchensammler. Politisch und wissenschaftlich hatten sie nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Politik und Sprache. Prof. Dr. Ewald Grothe **), Historiker an der Bergischen Universität, beschäftigt sich mit den beiden Begründern der Germanistik, die zeitlebens mit Mut und Zivilcourage ihre politische Meinung vertraten. „Sie waren Germanisten, hatten ursprünglich aber auch Jura in Marburg studiert“, erklärt Grothe. Das alles habe aber eine Weile gedauert, denn nach dem Studium seien sie zunächst Bibliothekare der Landeshauptstadt Kassel gewesen. 1830 wurden die Brüder als Professoren an die Universität Göttingen berufen. Berühmtheit erlangten sie jedoch durch ihre Publikationen der Kinder- und Hausmärchen (1812/15) sowie des „Deutschen Wörterbuchs“ (1838 ff.).

Schon im Kindesalter hatte die Politik einen starken Einfluss auf Jacob und Wilhelm Grimm. „Sie waren Jahrgang 1785 und 1786 und wurden damit kurz vor dem Ausbruch der Französischen Revolution geboren. Der Revolution folgte Napoleon und durch die Wirren der Revolutionsereignisse und die nachfolgenden Kriege Napoleons, auch die Besetzung Deutschlands, sind sie ganz früh von der Politik geprägt worden“, sagt der Historiker und nennt ein anschauliches Beispiel. „1797, also als Jugendliche, haben sie gemeinsam eine Zeichnung angefertigt, die die Hinrichtung des französischen Königs Ludwigs XVI. zeigt. Das ist schon sehr bemerkenswert, hängt aber damit zusammen, dass in der Familie, allesamt Juristen und Pfarrer, sicherlich viel über Politik gesprochen wurde, so dass schon diese Kinderzeichnung im Grunde genommen die Zeitstimmung ausdrückt, mit der sie konfrontiert waren. Wenn heute ein Kind mit 10 oder 11 Jahren mit der Zeichnung einer Hinrichtung nach Hause käme, würden die Eltern sicherlich äußerst beunruhigt reagieren.“

Märchensammlung soll Geschichts- und Nationalbewusstsein wecken

Die Politik habe auch einen entscheidenden Einfluss auf die Märchensammlung gehabt, erklärt Grothe, denn „die Märchensammlung erscheint 1812 im ersten, 1815 im zweiten Band und ist aus einer Zusammenstellung von den Brüdern Grimm erzählter Märchen entstanden. Sie haben sie also nicht selber geschrieben, sondern sie stammen teils aus französischen und italienischen Vorbildern und Quellen, die dann beispielsweise über die Hugenotten nach Deutschland gekommen sind.“ Die Sammlung sei also in einer Zeit entstanden, als auch im Umfeld der Brüder sehr viel an deutschen und europäischen Traditionen gesammelt wurde, um den jeweiligen „Volksgeist“ zu ergründen. „Dazu gehören auch deutsche Volkslieder. Diese Sammeltätigkeit sollte dazu dienen, im Zeitalter der Romantik ein Geschichtsbewusstsein und ein Nationalbewusstsein zu erwecken, in dem Deutschland von den Franzosen besetzt war.“

Den Plan, ein erstes Deutsches Wörterbuch zu erstellen, hatten Jacob und Wilhelm Grimm und ihr Stuttgarter Verleger bereits um 1830. Die Umsetzung erfolgte jedoch aus einer gewissen finanziellen Not heraus, berichtet Grothe, denn 1837 geschah Folgendes. „Die Grimms waren inzwischen als Professoren in Göttingen tätig und der neue hannoversche König, Ernst August I., ein britischer Prinz – Hannover war in Personalunion mit Großbritannien verbunden –, setzte die recht liberale Verfassung Hannovers aus dem Jahre 1833 außer Kraft. Die Grimms protestieren mit fünf anderen Professoren dagegen, die berühmten Göttinger Sieben, die alle daraufhin entlassen wurden. Zwei von ihnen, nämlich der Historiker Friedrich Christoph Dahlmann und auch Jacob Grimm als Rädelsführer, wurden dann zusätzlich noch des Landes verwiesen. Das hatte zur Folge, dass die Grimms und die weiteren fünf Professoren erst einmal arbeitslos wurden. Deshalb wurde der Plan umgesetzt, ein ‚Deutsches Wörterbuch‘ ins Leben zu rufen, welches dann schlicht als Einnahmequelle dienen sollte.“ Die Entstehung des „Deutschen Wörterbuchs“ und die Entlassung der Göttinger Sieben sei damit ein Zeugnis von unmittelbaren Zusammenhängen zwischen politischen Ereignissen und der Entstehung eines wissenschaftlichen Produktes.

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