von Dr. Wilhelm R. Schmidt
Kennen Sie sie noch, die guten alten Plastiktüten? Es gibt ja Leute, die auch so etwas sammeln, und seinerzeit entsprechend bedruckt, verweisen sie sogar auf das „alte Lennep“. Sind sie dadurch so etwas wie Kulturbewahrer? Jedenfalls fand ich dieser Tage in meinen Lennep-Materialien eine alte Plastiktüte, und da sie unten eine komfortable Falte zur Verbreiterung aufweist, können wir sie auch eine Tragetasche nennen. Wer weiß, was darin früher transportiert worden ist vor ca. 40 Jahren. Obwohl mehrfach geknickt, ist die Tasche noch gut erhalten. Unschwer erkennt man, dass das Lenneper Motiv dem auf dem daneben stehenden Foto sehr ähnlich ist. Es war Anfang der 1960er Jahre sehr verbreitet. Einer meiner Sammlungs-Vorgänger war stolz darauf, von dem Foto auch das originale Glasnegativ zu besitzen. Auf dem Foto ist zu erkennen, dass im Vergleich zum 19. Jahrhundert auf dem abgebildeten Straßenstück schon nicht mehr alle ursprünglichen Hauseinheiten vorhanden sind.
Eine Seite unserer Plastiktüte zeigt unverkennbar einen Teil von Lenneps Straße „Am Schellenberg“. Die Steigung an dieser Straße bezeichnet allerdings diesen Schellenberg nicht selber, sondern der Straßenname soll aussagen, dass die Straße in Richtung des Schellenbergs führt, eine der großen Erhebungen außerhalb des ursprünglichen Stadtkerns. Schon früh soll es hier auch eine einschlägige Gemarkungsbezeichnung gegeben haben. Allerdings ist die heutige Straßenbezeichnung noch keine hundert Jahre alt. Früher lautete sie Barmer Straße, bis in Remscheid aufgrund der Eingemeindung Lenneps und Lüttringhausens viele traditionelle Straßen neu bezeichnet werden mussten.
Alte Fotos im Familienalbum zeigen die Straße Am Schellenberg noch ganz so, wie sie um die vorletzte Jahrhundertwende ausgesehen hat. Und obwohl nach dem 2. Weltkrieg auch hier, wie bei der parallel verlaufenden Neugasse, so manches uralte Haus im wahrsten Sinne des Wortes wegsaniert wurde, ist doch der Gesamtanblick selbst heute noch dem historischen sehr ähnlich, denn vor allem fand hier in den 1960er Jahren schon aus Platzgründen keine wirkliche Straßenverbreiterung statt, wie etwa an der Poststraße und am Mollplatz.
Nur teilweise noch vorhanden sind an den alten, noch bestehenden Häusern die schräg positionierten Abstandhalter, mit denen schon im 19. Jahrhundert die Fuhrwerke an einer Häuserbeschädigung gehindert werden sollten. Ursprünglich waren sie aus behauenen Steinen hergestellt, später genügte dann oft ein moderner T-Träger oder ein altes massives Gusseisenrohr.
Die Plastiktüte verweist auch auf das heute nicht mehr existente Fahrradfachgeschäft von Bernhard Hartgen an der Berliner Str. 1, heute „Zum Kirchenwirt“. Es war vorher lange in einem alten Fachwerkhaus an der Lenneper Kronenstraße 2 angesiedelt. Das alte Fachwerkhaus an der Ecke zur Kirchgasse wurde 1979 wegen Baufälligkeit abgerissen. Fotos sogar aus dem Jahre 1972 belegen, dass es schon damals zur Kirchgasse hin durch eine Balkenkonstruktion abgestützt worden war, um nicht in sich zusammenzufallen. Im Zusammenhang mit dem Abbruch kam in Lennep auch wieder die Erinnerung auf, dass die Kirchgasse im Volksmund auch "Blutgasse" genannt wurde, und zwar wegen der früheren Metzgerbetriebe, die vor langer Zeit dort auch schlachteten. Das Blut der Schlachttiere soll bis auf die Kirchgasse geflossen sein. Nachfahren dieser Betriebe wiesen aber schon damals darauf hin, dass dies seit Menschengedenken nicht mehr dar Fall war, und natürlich war die Zeit der Hausschlachtungen in der Stadt ja schon mit der Errichtung der Lenneper Schlachthofanlage von 1889 vorbei. Aber oft halten sie sich eben – die alten Bezeichnungen, man denke hier nur an die „Kuhtreppe“ vom Munsterplatz hinauf zum Bismarckplatz, „Kinns bzw. Kinds Gässchen“ als Bezeichnung für die untere Leverkuser Straße und an "Hagers Gässchen" zwischen Post- und Gartenstraße. In offiziellen Darstellungen und Plänen jedoch findet man diese Bezeichnungen selten oder gar nicht.
Zurück zu unserer Tüte. Unten ist in einer Erweiterungsfalte angegeben: "Praktiziere Umweltschutz", und "Tragetasche nach Gebrauch in die Mülltonne - nie in die Landschaft". Weiterhin steht da: "Diese Tragetasche aus Polyethylen ist auf der Müllhalde grundwasserneutral und in der Müllverbrennung völlig unschädlich - also umweltfreundlich". Na ja, gut so, zumindest gemäß der damaligen Erkenntnisse.