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Channel: Waterbölles - Geschichte
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Eine Straßenbahn 1907 am Kaiserplatz in Lennep

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von Dr. Wilhelm R. Schmidt

Unsere heutige Ansichtskarte wurde am 2. März 1908 in Lennep zur Post gegeben und gestempelt. Sie ist an eine Maria Langshausen in Zülpich gerichtet, und auf der Rückseite haben einige Lenneper ihre Unterschrift gesetzt. Man sieht den heutigen Mollplatz, damals hieß er Kaiserplatz, und eine Straßenbahn, die augenscheinlich das Interesse von Jung und Alt erregt. Warum dies, das wird man sich vielleicht heute fragen. Die Antwort: die Straßenbahnlinie von Remscheid über Lennep nach Lüttringhausen war damals nicht einmal ein Jahr alt, und wahrscheinlich entstand die Ansichtskarte gleich nach Eröffnung der Bahnstrecke im Jahr 1907.

Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die Schienen sehr nah am Bürgersteig, am Trottoir, wie man damals sagte, verlaufen, und in der Tat war die Enge in diesem Bereich und dem nahen Beginn der oberen Poststraße extrem und führte später schon in den 1930er Jahren zu Konzepten der Neugestaltung. Mollplatz und Poststraße wurden dann aber erst in den 1960er Jahren neu gestaltet und verbreitert. Der Kaiserplatz gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zu den Vorzeigearealen des wilhelminischen Lennep, nicht nur wegen seiner repräsentativen Bebauung mit stattlichen Häusern, die damals auch schon rund 90 Jahre alt waren, sondern vor allem wegen des Kaiser- und Kriegerdenkmals, das unter Beteiligung namhafter Künstler und Architekten vor allem an den Sieg über Frankreich im Krieg 1870/71 erinnern sollte.

Die Begeisterung für die neue Straßenbahnlinie war damals groß. Und natürlich musste seinerzeit auch eine Lenneper Firma eine entsprechende Ansichtskarte produzieren. Es war die Buchhandlung Schmitz an der Wetterauer Straße, die dort seit 1850 residierte und später  auch einen Lenneper Verlag umfasste. Die Straßenbahn durch Lennep habe ich als Kind noch erlebt, mehr noch, ich trage eine sichtbare Erinnerung an sie auf der Stirn, bei einer waghalsigen Rollerfahrt die Poststraße hinunter, das war damals zwischendurch verkehrsmäßig noch möglich, rutschte ich unterhalb des Berliner Hofs auf den Blättern einer riesigen Blutbuche aus, die die Schienen bedeckten, und schlug mir die Stirn auf. Die uralte Blutbuche fiel später auch der Straßenmodernisierung zum Opfer; die Narbe aber habe ich immer noch.


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