von Armin Breidenbach
Genau vor 80 Jahren, am 11. Oktober 1944, wurden 24 deutsche und drei französische Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen von der SS erschossen, weil sie auch dort Widerstand gegen das NS-Regime gewagt hatten. Unter diesen Opfern befanden sich der ehemalige KPD-Reichstagsabgeordnete Ernst Schneller und der ehemalige politische Strafgefangene des Zuchthauses Remscheid-Lüttringhausen, Wilhelm Sandhövel. Der Elektriker und Kommunist Sandhövel, der am 16. Juni 1900 in Duisburg geboren wurde und dort auch wohnhaft war, war wegen illegaler Arbeit gegen das NS-Regime bereits 1933 und Anfang 1934 jeweils für kurze Zeit inhaftiert worden. Am 8. November 1934 wurde er erneut wegen illegaler politischer Betätigung festgenommen. Bei den anschließenden Vernehmungen wurde er gefoltert, um die Namen von Mitstreitern preiszugeben.
Am 21. März 1935 wurde er als Untersuchungshäftling in das Gerichtsgefängnis Essen eingeliefert. Neun Tage später wurde er in einem Massenprozess mit insgesamt 108 Angeklagten (Prozess gegen Adam Nievel und andere; Aktenzeichen: O. J. 301/34) verurteilt. Insgesamt wurden in diesem Prozess von den NS-Richtern 226 Jahre und acht Monate Strafhaft verhängt. Wilhelm Sandhövel selbst wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von sieben Jahren (unter Anrechnung von vier Monaten und zwei Tagen Untersuchungshaft) verurteilt; das geplante Strafende für ihn wurde auf den 28. November 1941 festgelegt.
Am 8. Mai 1935 wurde er in einer dreistündigen Fahrt vom Gerichtsgefängnis Essen aus in das Zuchthaus Lüttringhausen eingeliefert, wo er die gesamte Strafe verbüßen musste. Dort gehörte er zu den Personen, die sich innerhalb und außerhalb der Zuchthausmauern relativ frei bewegen konnten; denn als Elektriker führte er nicht nur Reparaturen im Zuchthaus selbst durch, sondern er musste auch oft in den Wohnungen der Justizbeamten arbeiten und bekam so Kontakt zur Außenwelt.
Sandhövel soll es geschafft haben, im Zuchthaus Lüttringhausen Radios und Funkgeräte illegal herzustellen und somit seinen vertrauenswürdigen Mithäftlingen wichtige Informationen über den Verlauf des Krieges und die politische Entwicklung in Deutschland zu geben.
Wie viele andere Häftlinge des Zuchthauses Lüttringhausen, sollte auch er nach Strafverbüßung nicht nach Hause entlassen, sondern in "Schutzhaft" genommen werden. Deshalb wurde er auf Anordnung der Staatspolizei (Stapo) Duisburg bereits zwei Tage vor dem geplanten Ende der Strafe in das Polizeigefängnis Duisburg überführt. Von dort wurde er einige Zeit später als "Schutzhäftling" in das KZ Sachsenhausen eingeliefert, wo er die Häftlingsnummer 41374 zugeteilt bekam. Aber auch dort leistete er weiterhin Widerstand gegen das NS-Regime, indem er illegal Radios und Funkgeräte für die dortigen kommunistischen Widerständler baute. Diese Aktivitäten blieben der Lagerführung von Sachsenhausen nicht verborgen.
Das ergibt sich aus einem Beitrag anlässlich der Einweihung eines Denkmals am 12. Oktober 2014 für die 27 ermordete Widerstandskämpfer: "Am 27. März 1944 entdeckte die SS im KZ Sachsenhausen eine Rundfunk-Abhörstelle sowie im Lager hergestellte Flugblätter. Hierauf begann eine Sonderabteilung des Reichssicherheitshauptamtes mit ihren Untersuchungen, um die internationale Widerstandsorganisation im Lager zu zerschlagen. Trotz mehrmonatiger Ermittlungen und des Einsatzes zahlreicher Spitzel gelang der Kommission aber nur der Nachweis, dass deutsche Kommunisten eine Solidaritätsaktion unter den Häftlingen durchgeführt hatten. Nach Abschluss der Untersuchungen ermordete die SS am Abend des 11. Oktober 1944 in der „Station Z“ 24 deutsche und drei französische Häftlinge. 102 weitere Häftlinge wurden am 20. Oktober in das KZ Mauthausen abgeschoben."
Zu den Opfern gehörte auch Wilhelm Sandhövel. Die Leitung des Konzentrationslagers Sachsenhausen teilte seiner jüngeren Schwester später mit, ihr Bruder sei wegen "Meuterei und Widerstand" im Lager erschossen worden.
Insgesamt waren im KZ Sachsenhausen in den Jahren 1936 bis 1945 "etwa 200.000 Häftlinge aus annähernd 40 Nationen eingesperrt: politisch und rassisch Verfolgte, darunter viele Angehörige des Widerstands, Juden (vor allem 1938-42 und 1944/45), Sinti und Roma, Kriegsgefangene, Homosexuelle, sogenannte 'Arbeitsscheue' und sogenannte 'Berufs-, Gewohnheits- und Sittlichkeitsverbrecher'. Zehntausende überlebten das Lager nicht. Sie erlagen den schlimmen Haftbedingungen, Hunger, Kälte, Krankheiten, Arbeitshetze, wurden exekutiert, bei medizinischen Versuchen ermordet oder auf den 'Todesmärschen' bei der Evakuierung des Lagers erschossen." Neben dem bereits erwähnten 2014 eingeweihten Denkmal gibt es auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen eine noch aus DDR-Zeiten stammende steinerne Gedenkplatte mit den Namen der 27 Ermordeten. Darüber hinaus erinnert in Duisburg, Königsberger Allee 60, seit mehreren Jahren ein "Stolperstein gegen das Vergessen" an Wilhelm Sandhövel.
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