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Vor 76 Jahren begann die systematische Verfolgung der Juden

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Johann Max Franzen auf 'Putztour'. Foto:Lothar Kaiser

Die Novemberpogrome in der Nacht  vom 9. auf den 10. November 1938, auch nach Ende des zweiten Weltkrieges noch verharmlosend als Reichskristallnacht  bezeichnet – waren der von den Nationalsozilisten in Szene gesetzte Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zu ihrer systematischen Verfolgung. Mehr als 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden in dieser Nacht und in den folgenden Tagen zerstört. Zwischen dem 7. bis 13. November 1938 wurden etwa 400 Menschen ermordet oder in den Selbstmord getrieben. Und auch in Remscheid kam es zu Ausschreitungen der Nazis gegen jüdische Mitbürger. Mehr als 140 „Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig.  erinnern an vielen Stellen der Stadt an die 65 jüdischen Familien, die zwischen 1933 und 1945 von den Nazis verfolgt und ermordet wurden. Die „Steine gegen das Vergessen“ ( leine Messingquader) auf dem Bürgersteig vor den früheren Wohnhäusern oder Geschäften dieser Menschen tragen Namen wie Koll, Koppel, Kornmann, Lazer, Lefman, Lenneberg, Linden, Löwenthal und Mandelbaum bis Rosenbaum, Sternberg, Strauss, Vogel und Zauderer. Und seit 2008 sorgt der pensionierte Fernmeldetechniker Johann Max Franzen mit Scheuermitteln und Putzlappen dafür, dass sie lesbar bleiben. Zum Gedenken an die Pogromnacht 9/10 November 1938 will er am morgigen Sonntag auf der Alleestraße neben den Stolpersteinen vor der Engelspassage, vor dem ehemaligen Haushaltwarengeschäft Bär, jetzt Postamt Alleestraße 6.und vor dem ehemaligen Herrenkonfektionsgeschäft Lenneberg, Bismarckstraße 12-16, jüdische Grablichter auf und weiße Rosen niederlegen.

Die Stolpersteine für die jüdische Familie Mandelbaum vor dem Haus Palmstraße 10.Das Seidenhaus Frank war ein Damen-Konfektionsgeschäft in der Alleestraße Nr. 18-20. Der Inhaber war der Kaufmann Siegmund Frank. Er wohnte dort mit seiner Ehefrau Emmi und den Kindern Samuel und Henriette. Henriette emigrierte am 13. November 1936 nach Ramat-Gan in Palästina. Samuel Kurt emigrierte am 14. März 1934 ebenfalls nach Palästina. Beide überlebten dort. Ihre Eltern wurden am 22. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und dort ermordet.

Im Haus Alleestraße 6 (vor dem Postamt) befand sich das Haushaltwarengeschäft Bär. Inhaber war der Kaufmann Albert Löwenstein. Als er erkannte, dass seine Geschäftstätigkeit keine Zukunft mehr haben würde, verkaufte er das Geschäft und zog mit seiner Frau Sophie und den beiden Kindern Willy und Benno am 23. Juni 1936 nach Den Haag, wo er am 5. November 1938 in den Niederlanden. Sophie Löwenstein wurde von dort am 28. August 1942 nach Auschwitz deportiert und ist dort am 31. August 1942 ermordet worden. Willy Löwenstein hat in den Niederlanden überlebt. Benno Löwenstein wurde 1942 nach Auschwitz deportiert. Es ist unbekannt, wann er umkam.

In der alten Bismarckstraße Nr. 12-16 verwüsteten die Nazis in der Progromnacht das Herrenbekleidungsgeschäft von Marcus Lenneberg. Das Geschäft wurde total zerstört und verunstaltet. Die im Geschäft befindlichen Waren wurden durch Glassplitter, Blut und Schmutz unbrauchbar. Der Witwer wohnte über dem Geschäft mit seinen Kindern Richard, Georg und Werner. Richard Lenneberg emigrierte nach Südamerika. Georg Lenneberg kam 12. Januar 1939 zunächst nach Köln und von dort in das KZ Dachau. Nach der Entlassung bekam er eine Schiffspassage nach Kuba. Die jüdischen Passagiere wurden jedoch nicht an Land gelassen. Das Schiff kehrte mit ihnen nach Europa zurück, wo er mit seinem Bruder in Belgien an Land ging. Er emigrierte einige Monate später in die USA wie auch sein Bruder Werner. Richard Lenneberg emigrierte nach Südamerika. Marcus Lenneberg, der entrechtet und gedemütigt, nahm sich am 10. November 1938 das Leben. Sein Neffe Ernst Rolf Lenneberg, der bis zum 24. November 1938 in Remscheid lebte und im Januar 1938 nach Köln gezogen war, wurde am 21. Oktober 1941 nach Lodz deportiert und ermordet.

Die Gedenkstunde, zu der Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz eingeladen hat, beginnt morgen um 18 Uhr im Vaßbendersaal am Markt Nach der Verlegung der letzten Stolpersteine für Mitbürger/innen, die in Remscheid von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet worden waren, wird morgen diese knapp zehn Jahre währende Aktion gewürdigt. Der Chor der Stadtkirchengemeinde singt dabei synagogale Chormusik von Lewandowski und Zivi. Außerdem bietet Ruth Forsbach einen „Büchertisch“ zu jüdischer Geschichte von Frieder Backhaus an. Die Bücher der umfangreichen Sammlung ihres verstorbenen Mannes und Mitinitiators der Aktion können gegen eine Spende erworben werden.

Am Samstag, 15. November, wird Hans-Jürgen Roth eine Führung entlang von Stolpersteinen in der Martin-Luther-Straße und der Alleestraße anbieten, beginnend an der ehem. Polizeikaserne Uhlandstraße. Die Führung soll auf dem Gelände der Polizeikaserne mit einem musikalischer Beitrag von Schülerinnen und Schüler beginnen.


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