von Dr. Wilhelm R. Schmidt
Ich selbst wüsste nur zu gern, woher diese Bezeichnung im 19. Jahrhundert kam. Mit dem Londoner Crystal Palace zur Weltausstellung 1851 und dessen Nachahmungen in z.B. Leipzig und Dresden hatte er wohl nichts zu tun, zumal es sich hier nicht um ein Lenneper Schmuckstück, sondern um einen über viele Jahrzehnte zitierten Schandfleck handelte. Gemeint war das Areal an der Nord-Westseite der Ecke Kölner und Bahnhofstraße in Lennep, wo sich im Jahre 1937 die Lenneper Ofen- und Herdhandlung Liesendahl ansiedelte, die sich vorher viele Jahre gegenüber dem Berliner Hof am Mollplatz bzw. an der Poststraße 1 befand. Das uralte Gebäude des sogenannten Kristallpalastes war allerdings damals schon lange nicht mehr vorhanden, das Grundstück wurde durch einen wackeligen Bretterzaun begrenzt, an dem über viele Jahren Plakate angeklebt wurden, die durch den Regen aufgeweicht, ab einer gewissen Dicke der Papierschicht auf das Trottoir fielen, auf dem sich unverfüllt noch die Löcher eines früheren Eisenzauns befanden. Dieser verhinderte schon im frühen 19. Jahrhundert Stürze in eine Art Graben, der sich um die bebaute Fläche zog, an der Kölner Straße und um die Ecke die Bahnhofstraße hinauf. (Tief neben der Straße liegende Häuser gab es seinerzeit in Lennep viele, ich selbst habe noch am Mollplatz hinter dem ehemaligen Kaiserdenkmal eines erlebt, man musste dort vom Thüringsberg her ein paar Stufen zur altbergischen Haustür hinuntersteigen.
Im Jahre 1936 thematisierte das Lenneper Kreisblatt die Bahnhofstraße unter neuzeitlichem, das hieß damals unter nationalsozialistischem Aspekt, weil man ein geplantes Bauvorhaben an der Ecke zur Kölner Straße als modern und zeitgemäß ankündigen wollte. Dementsprechend wurde die vorhandene Architektur der vergangenen Kaiserzeit negativ apostrophiert. Es hieß u.a.: Die Bahnhofstraße als Eingangsstraße zur Stadt aber ist für Lennep nicht rühmlich. Wohl entstanden im Laufe der Jahre dort einige größere Bauten, im Allgemeinen ist aber auch heute noch das Aussehen dieser Straße für eine Stadt wie Lennep nicht gerade imponierend. Für die heutigen Verhältnisse dürfte das das Rathausgebäude kein Bau sein, der auf Schönheit Anspruch erheben kann. Von der einstigen wilhelminischen Prachtstraße wollte man also seinerzeit nichts mehr wissen, das Vorzeigestück, gleich ausgehend vom Bahnhof, sollte jetzt in eine moderne Geschäftsstraße mit reinen Zweckbauten verwandelt werden.
Allerdings war an der genannten Ecke der Bahnhofstraße zur Kölner Straße (damals Hermann-Göring-Straße) auch niemals ein wilhelminischer Prachtbau vorhanden, sondern der ehemalige Kristallpalast bzw. sein verkommenes Grundstück. Dieses beschrieb der Zeitungsschreiber 1936 ganz zu Recht als ein besonderes Ärgernis. War schon früher das auf diesem Grundstück stehende alte Gebäude ein beschämendes Bild für die Stadt, so sei nunmehr der mit den Plakaten beklebte Bretterzaun ein nicht minder hässlicher Anblick. Schon zur Zeit des 1. Weltkriegs hatte man hier Abhilfe schaffen wollen, jedoch dann musste aufgrund des sich zeitlich ausweitenden Krieges eine Neubebauung zunächst unterbleiben. Erst nach dem Umbruch von 1933 und die dadurch bedingte Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung sollte nun ausgeschachtet werden und die Neubebauung erfolgen. Dies wurde dem Leser auch durch eine Skizze näher gebracht, die die künftige Bebauung der Bahnhofstraße erkennen ließ. Die Neubebauung schloss beispielsweise eine bis dahin noch vorhandene alte Gasse, und unten an der Ecke zur Kölner Straße sollte ein neuzeitlicher Geschäftsbau den Raum bis zur Glas-, Farben- und Tapetenhandlung von Daniel Witscher füllen.
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