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Ich wollte Arzt werden, aber es kam alles ganz anders

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Nebi Kerserci, geboren am 10.8.1962 in Kayseri, Türkei:

Kayseri (früher Mazaka und danach Caesarea) ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz Kayseri in Kappadokien in der Türkei. Die Stadt hat 895.253 Einwohner (2007) und ist eine der wenigen Großstädte der Türkei, deren Einwohnerzahl seit Jahrzehnten stabil bleibt.

Bis zu meinem 17. Lebensjahr bin ich in der Stadt Kayseri aufgewachsen. Ich habe dort fünf Jahre die Grundschule besucht, danach die Mittelschule und anschließend das Gymnasium. Mein Wunsch war es, Arzt, Rechtsanwalt oder Politiker werden, zu studieren, aber alles kam anders.

 Mein Onkel und jetziger Schwiegervater hat mich 1978 mit meiner heutigen Ehefrau bekannt gemacht, die zu diesem Zeitpunkt mit ihrer Familie in Kayseri Urlaub machte.  1979 haben wir uns verlobt, am 20.März 1980 habe ich hier in Remscheid meine Frau geheiratet. Wir haben die Hochzeit im Schützenhaus gefeiert. Meine Frau war 1975 aus der Türkei nach Remscheid zu ihren Eltern gekommen. Nach dem Urlaub meines Onkels 1979 und meiner Verlobung bin ich direkt mit meinem Onkel und meiner Braut nach Deutschland, nach Remscheid ereist. Zunächst nur zu Besuch bei meinem Onkel, Zafer Keserci.

Mein Ziel, Arzt, Rechtsanwalt oder Politiker zu werden, hatte ich noch immer. Ich wollte doch weiter lernen. Das war damals in Kayseri nur schwerlich möglich, da die verschiedenen Schulen unterschiedlich politisch oder / und religiös ausgerichtet waren. Meine Eltern und ich waren aber immer neutral. Zusammen mit meinen Eltern haben wir dann entschieden, dass ich in Deutschland lerne.

Mit meiner Eheschließung durfte ich zwar in Deutschland bleiben, aber nicht arbeiten und nicht studieren. Ich bekam vom Ausländeramt und vom Arbeitsamt keine Arbeitserlaubnis. Meine Frau ging bereits arbeiten und verdiente Geld und ich saß untätig zuhause. Das war für mich unerträglich. Damals war die Regelung so, dass ich als Türke erst nach drei oder fünf Jahren eine Arbeitserlaubnis erhalten konnte, wenn kein EU-Ausländer bevorzugt werden musste. Das war nichts für mich; ich bin fleißig, ich wollte arbeiten. Ich habe Wege gesucht um offiziell und legal zu arbeiten.

1981 kam eine neues Gesetz, das besagte, dass der Ehemann ohne Arbeitserlaubnis die Arbeitserlaubnis der Ehefrau bekommen kann, wenn diese schwanger ist. Da meine Frau schwanger war, haben wir diese Arbeitserlaubnis beantragt, aber ohne Erfolg, auch vor Gericht nicht.

Meine Tochter wurde am 11.12.1981 geboren. Ende 1982 haben meine Frau und ich unsere Tochter für fünf Jahre zu meinen Eltern in die Türkei gebracht, damit wir freier arbeiten und Deutsch lernen konnten. Natürlich war es nicht einfach, deutsch zu lernen, aber mit der Zeit wurde es immer besser. Ich hatte bereits damals in der Türkei in meiner Schule an einem Tag in der Woche am Fremdsprachenunterricht deutsch teilgenommen. Das war aber zuwenig, um an einer Hochschule in Deutschland zu studieren.  Ich habe dann, auf nicht ganz legalem Weg, in der Volkshochschule ca. 2 ½ Jahre lang an drei Tagen in der Woche einen Abendkurs „Deutsch lernen“ besucht. Das Lernen hat mir Spaß gemacht, die Art und Weise des Lernens fand ich gut.

Damals, am Anfang meiner Übersiedlung nach Remscheid, ohne Arbeit und ohne Geld war ich auf die Hilfe meiner Familie angewiesen und sehr dankbar, die Hilfe und Unterstützung der Verwandtschaft auch erhalten zu haben. Zu dieser Zeit und einige Jahre später noch, herrschten in der Türkei unruhige Zeiten. Ich war froh, zu dieser Zeit in Deutschland, in Remscheid gewesen zu sein.(weiter auf der 2. Seite)

Klicken führt zum'Zeitstrahl' der AusstellungZur 200-Jahr-Feier der Stadt Remscheid stellte Heike Hildebrandt vom damaligen Migrationsbüro der Stadt eine Ausstellung („Zeitzeugen-Projekt“) zusammen mit Schilderungen zahlreicher „Zeitzeugen der Zuwanderung“, deren neue Heimat Remscheid geworden war. Das ist jetzt zehn Jahre her. Doch die Geschichten sind es wert, nach vorne gestellt zu werden. Denn darin erzählen die „Zugereisten“, warum sie ihre Heimat verlassen haben, wie sie hier in Remscheid ankamen, welche Erwartungen, welche Hoffnungen, welche Enttäuschungen sie erlebten und warum sie sich trotzdem mit Remscheid verbunden fühlen. Zuwanderung begann aber nicht erst mit den "Gastarbeitern", sondern schon Ende des 19. Jahrhunderts mit italienischen Straßenbauern. Und nach dem nach dem Zweiten Weltkrieg folgten Vertriebene, Flüchtlinge und Heimatlose.
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