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Ich bin ein Optimist, ein Kämpfer, ich gebe nicht auf

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Jerry Duopou, geboren am 22.5.1965 in Monrovia / Liberia, seit 10.4.1992 in Remscheid:

„Die Republik Liberia ist ein Staat in Westafrika und grenzt an die Elfenbeinküste, Guinea, Sierra Leone sowie an den Atlantik. Liberia war zunächst ein Projekt zur Ansiedlung ehemaliger afroamerikanischer Sklaven aus den Vereinigten Staaten und einer der ersten unabhängigen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent. Konflikte zwischen den Nachkommen ehemaliger afroamerikanischer Sklaven und länger ansässiger Ethnien prägen das Land bis heute. Im Jahr 1822 kaufte die American Colonization Society, eine Gesellschaft von weißen US-amerikanischen Abolitionisten, den Küstenstreifen, um dort freigelassene ehemalige Sklaven anzusiedeln und gleichzeitig selbst Kolonialherren zu werden. Zu Beginn des amerikanischen Bürgerkrieges lebten dort rund 12.000 Afroamerikaner. Die daraus entstandene Herrschaft einer schwarzen Elite wurde erst im April 1980 durch einen Putsch durch Samuel K. Doe gebrochen. Doe wurde 1989 abgesetzt, gefoltert und ermordet. Danach herrschte 14 Jahre lang Bürgerkrieg.

Ich habe in Monrovia die Schule besucht und mit dem Studium – international Relation – begonnen. Das war die Voraussetzung, um meinen Berufswunsch, Mitarbeiter im Außenministerium, zu verwirklichen. Bevor ich mit dem Studium begann, habe ich mich neun Monate im Ausland – Elfenbeinküste - aufgehalten. Ich habe dort die französische Sprache erlernt. . Als ich nach den neun Monaten nach Monrovia zurück kehrte, war der Bürgerkrieg in vollem Gang. Ich habe trotzdem 3 ½ Jahre studiert, so gut das ging.

1989 musste ich das Studium abbrechen. Der Bürgerkrieg l machte es unmöglich, weiter zu studieren. Als einzige Alternative blieb die Ausreise aus Liberia. Es gab zu der Zeit dort keine Zukunft, keine Perspektive. Am 6.6.1988 habe ich geheiratet. Meine Frau war schwanger, die Zukunft unseres Kindes galt es zu gestalten. Das war im Krieg nicht machbar. Mein Vater als Abkömmling der Afroamerikaner schlug vor, nach Amerika zu gehen. Dort könnte ich dann auch weiter studieren. Das ging aber nur vom benachbarten Ausland aus.

Wir sind dann alle zusammen, meine Mutter, meine Frau und meine Tochter, die im März 1989 geboren wurde, so wie 70.000 andere Liberianer ins Nachbarland Elfenbeinküste geflogen. Von dort wollten wir mit dem Schiff nach Amerika. Ich habe mit meiner Frau das falsche Schiff genommen und bin in Deutschland, in Hamburg angekommen, Anfang 1991.

Von Hamburg sind wir mit dem Zug nach Münster und haben dort bei der Polizei vorgesprochen. Die Polizei von Münster schickte uns nach Dortmund. Dort kamen wir dann in ein Lager für Asylbewerber. Bis Mai 1991 lebten wir im Lager in Dortmund. Wir sprachen kein deutsch. Zweimal wöchentlich waren wir beim Bundesamt zu Befragungen. Es war bei den Befragungen immer ein Dolmetscher dabei.

Im Lager gab es auch so etwas wie einen „Hausmeister“. Er sprach ein bisschen englisch und erzählte uns eines Tages, dass wir nächste Woche in eine andere Stadt verbracht werden; mehr nicht, keine Details, noch nicht einmal den Namen der Stadt! Wir wurden nervös, hatten Angst, nach Hamburg gebracht zu werden, auf ein Schiff verfrachtet zu werden und wieder nach Liberia fahren zu müssen.

In der Nacht, bevor wir von Dortmund wegfuhren hatte ich trotz aller Nervosität einen schönen Traum über unsere Zukunft. Ich hatte ein gutes Gefühl! Ich hatte eine positive Einstellung. Ich habe das meiner Frau auf der Fahrt hierhin erzählt, sie konnte meine Auffassung zu der Zeit aber nicht teilen.

Am Tag der Abreise aus Dortmund wurden wir in einen Bus gesetzt. Wir erhielten die Mitteilung, dass wir nun in eine Stadt ca. 60 bis 65 Km weit entfernt gebracht wurden. Immer noch nicht wurde uns der Name der Stadt genannt. Aber jetzt wussten wir, dass es nicht Hamburg sein konnte. Hamburg war weiter weg. Die Busfahrt ging dann auch durch das Bergische Land. Das gefiel mir. Und mir fiel mein Traum wieder ein. Der Bus hielt dann hier in Remscheid, beim Sozialamt. Dort erhielten wir sogleich alles Erforderliche. (weiter auf der 2. Seite)

Klicken führt zum'Zeitstrahl' der AusstellungZur 200-Jahr-Feier der Stadt Remscheid stellte Heike Hildebrandt vom damaligen Migrationsbüro der Stadt eine Ausstellung („Zeitzeugen-Projekt“) zusammen mit Schilderungen zahlreicher „Zeitzeugen der Zuwanderung“, deren neue Heimat Remscheid geworden war. Das ist jetzt zehn Jahre her. Doch die Geschichten sind es wert, nach vorne gestellt zu werden. Denn darin erzählen die „Zugereisten“, warum sie ihre Heimat verlassen haben, wie sie hier in Remscheid ankamen, welche Erwartungen, welche Hoffnungen, welche Enttäuschungen sie erlebten und warum sie sich trotzdem mit Remscheid verbunden fühlen. Zuwanderung begann aber nicht erst mit den "Gastarbeitern", sondern schon Ende des 19. Jahrhunderts mit italienischen Straßenbauern. Und nach dem nach dem Zweiten Weltkrieg folgten Vertriebene, Flüchtlinge und Heimatlose.
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