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Siedlung Rath feiert am Wochenende ihr 60-jähriges Bestehen

60 Jahre Siedlung Rath ...

... werden von heute an bis Sonntag gefeiert. Fassanstich ist heute um 18 Uhr; es spielt die Band „Van Anderen“. Ein Straßenfest beginnt am Samstag um 15 Uhr - ab 18 Uhr dann Livemusik mit dem „Johnny Cash Experience Trio“ und der Band „Reunion“. Sonntag ist ab 11 Uhr „Frühschoppen“ angesagt.

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Grundsteinlegung für das erste Siedlerhaus auf dem Rath im Juli 1950.
Wo heute am Rath Siedlungshäuser stehen, war einst „ein herrlicher alter Buchenwald mit Rehen, Hasen, Karnickeln und Fasanen“, wie sicn
Ernst Scherer in der Siedlungschronik erinnert: „Entlang des heutigen Rather Ringes und der Ibacher Straße bis fast zur Einmündung Ibacher Mühle war dieser Wald von den Wiesen und Feldern der Bauern Frowein, Mehl und Steffen umgeben. Für uns Jugendliche, die wir in der Nähe wohnten und aufwuchsen, war dieser Wald allgemein "da Röder Bosch", ein Betätigungsfeld mit unerschöpflichen Möglichkeiten, vom Räuber- und Gendarmspiel über Erdhöhlen- und Baumbudenbauen, bis zur meist erfolglosen Karnickeljagd, war unserer Abenteuerlust keine Grenzen gesetzt. Nur wenige holprige Feld- und Waldwege durchzogen dieses Gelände. Einer kam von der Hofschaft Rath herauf bis zum Lindenweg (heute Rather Ring), überquerte die Grundstücke Werth und Kaiser und verlief dann am westlichen Rand etwa der heutigen Straße folgend, zum Fliedergarten. Am Nördlichen Rand führte ein anderer Weg vom Neuplatz an Froweins Hof vorbei zur Ortschaft Ibach. Etwa im Sommer 1946 war dann das Ende dieses idyllischen Fleckens gekommen. Binnen etwa drei Wochen verarbeitete die sogenannte "Holzaktion" auf Geheiß der Behörden und der damaligen Besatzungsmacht den Wald zu Brenn- und Grubenholz. Nur wenige Jahre später sollte genau an dieser Stelle, wo nur doch die Stümpfe der gefällten Bäume aus dem Boden ragten, für 24 Siedlerfamilien ein neues Zuhause entstehen.“

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Mit Hacke und Schaufel wurden  die Keller ausgeschachtet.
Am 10. Juli 1947 gründeten 28 bauwillige Remscheider die Siedlergemeinschaft Remscheid e.V. zusammen.
Und ab Januar 1948 stellten sie in der Ziegelei Schäfer an der Neuenkamper Strtaße (heute Stadtwerke)  unter schweren Umständen in 5.421 Stunden 146.240 neue Ziegelsteine her, außerdem Hohlblocksteine und Dachpfannen. Im September 1949 wählten die Siedler einen Vorstand. Vorsitzender wurde Fritz Kunze, zweiter Vorsitzender Max Klesper und Schriftführer Adolf Schütz. Und dann ging’s an die Arbeit: Ruinen wurden eingerissen, das wiederverwendbares Material, insbesondere Ziegelsteine, zu den Baustellen gefahren, Steine und Schutt wurden zu Sand und Splitt gemahlen, so das mit dem Rohbau der ersten zehn Siedlerstellen auf dem Rath begonnen werden konnte, nachdem die beantragten Landesdarlehen und Hypotheken bewilligt waren und die Stadt die Erschließungskosten der neuen Siedlung zugesagt hatte. Am 8. Juli 1950 wurde in der neuen "Siedlung Rath" der Grundsteinlegung für das erste Haus gelegt. Josef Werth in der Chronik der Siedlung: „Der Einsatzwille bei Arbeiten in der Ziegelei, bei der Enttrümmerung, beim Splittmahlen und der Fertigung von Hohlblocksteinen war von Anfang an ein Band, das uns zusammenschweißte; nicht nur auf dem Rath, nein auch in den anderen Siedlungen, die zu dieser Zeit in unserer Stadt entstanden. Lange Zeit hielt uns dieses Band zusammen. Doch je mehr Siedlerstellen fertig und bezogen wurden, je geringer wurde die Chance, allen eine Siedlerstelle zu garantieren. Viele, die sich jahrelang unter Entbehrungen krummgelegt hatten, um endlich Land und Wohnung ihr Eigen nennen zu können, sahen ihre Hoffnung schwinden.

Die Häuser entstanden weit mehr in "Handarbeit" als heutzutage. Mit Hacke und Schaufel wurden die Baugruben ausgehoben. Jeder Siedler war verpflichtet, 3.000 Stunden an seinem Haus selbst zu arbeiten. Diese Zeit wurde mit einer DM pro Stunde seitens der Rheinischen Heimstätte verrechnet. Neben den Häusern mussten die Sickergruben ausgehoben werden, auch dies ohne technische Hilfsmittel. Gearbeitet wurde in der Freizeit an sieben Tagen in der Woche. Durch diesen tatkräftigen Selbsthilfeeinsatz wollten die Siedlerfamilien so bald wie möglich ihre Notwohnungen verlassen und auf den Siedlerstellen ein neues Leben beginnen. Allerdings unter für heutige Verhältnisse undenkbaren Bedingungen. Bärbel Meyer: Wer den Hausbau mit öffentlichen Geldern finanziert hatte, mussten sich verpflichten, zehn Jahre lang Mieter (damalige "Flüchtlinge") in die Mansarden zu nehmen. Badezimmer waren nicht vorgesehen. Sie wurden mit dem Hinweis abgelehnt: "Wollen Sie etwa eine Villa bauen?"

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Loren wie aus dem Bergbau wurden zum Abtransport des Erdaushubs eingesetzt.
Die
Siedler der zweiten Baugruppe kamen ihrem Ziel, ein eigenes Häuschen zu besitzen, Anfang 1952 näher. Nach dem Abschluss der Vermessungsarbeiten wurden in monatelanger, harter Knochenarbeit die Baugruben für fünf Doppelhäuser von Hand ausgeschachtet. Ernst Scheerer: „Bagger und Planierraupen waren damals genau so selten, wie ein Zehn-DM-Schein in unseren Geldbörsen. (...) Die nicht zu leugnende Stabilität unserer Häuser ist wohl damit zu begründen, dass wir ... größten Wert auf eine ausreichende (alkoholische) Befeuchtung jeder Baustelle legten. (...) Eine zusätzliche Belastung war die Eigenleistung am Ausbau der Straße. Zweimal musste die Trasse der Straße ausgeschachtet werden Mit dem Aushub wurde der Weg zum Neuplatz ausgebessert. Dann blieb die Straße monatelang unfertig liegen. Ein Ärgernis für alle Anwohner und Lieferanten. Man sieht, auch in jenen Tagen war der Amtsschimmel schon ein munteres Tierchen.“

Schon bei Gründung der Siedlergemeinschaft stand es fest, dass nur eine beschränkte Anzahl von Bewerbern zum Zuge kommen würde. Die Anzahl von über 40 Mitgliedern während des Baubeginns entsprach der Hoffnung vieler, im Zuge des allgemeinen Aufbruchs zu Wohneigentum zu kommen. Josefg Werth: „Nachdem der letzte Bauabschnitt und somit die Siedlung Am Rather Berg fertig war, konnte man zurückblickend sagen, die jahrelange "Schufterei" hatte sich für 24 Siedlerehepaare gelohnt. Aber halt nur für diese 24 Siedler. Die anderen Mitglieder hatten umsonst gearbeitet. Einige Versuche, Bauland zu erlangen, wurden zwar noch unternommen, jedoch halbherzig und ohne große Hoffnung auf Verwirklichung. Damit ging eine Ära zu Ende. Viele, die in den späten fünfziger und in den sechziger Jahren gerne gesiedelt hätten, bekamen keine Möglichkeit mehr wegen der neuen Zielsetzungen in der Baupolitik. (...) Was nach dem Krieg so hoffnungsvoll begann, der feste Wille des Staates und seiner Bürger, möglichst viel Wohn- und Siedlungseigentum in die Hände der "kleinen Leute" zu geben und dafür auch über längere Zeiträume Programme anzubieten, erlahmte und endete schließlich im sog. "sozialen Wohnungsbau", dessen Scherben wir heute sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland zusammenfegen müssen.“

Trotz guten Willens sei Nachbarschaftshilfe von Abschnitt zu Abschnitt immer schwieriger geworden, schreibt Werth in der Siedlungschronik. „Sie wurde stark strapaziert durch das Ende des Engagements der Behörde, Anschlussgrundstücke zu erwerben, und zweitens durch die rigorose Ausnutzung unserer aller Arbeitskraft über die Eigenleistung an unseren Häusern hinaus, auch noch am Straßenbau mitzuwirken.“  Diese "Eigenleistung", sei später in keiner Abrechnung erwähnt worden. Zitat: „Im Gegenteil, der letzte Teil dieser Straße, das jetzige Teilstück Rather Ring, existierte bei der Stadt überhaupt nicht. (...) Die Gemeinde kassiert Anliegerkosten für den Ausbau.“


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