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Trude Wybierala narrte erfolgreich die Gestapo

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Trude Wybierala in der „roten Waldschule“ in Leichlingen im Jahre 1927; Trude Wybierala befindet sich ganz links auf dem Gruppenbild.In der Zeit vom 12. bis 17.11.1934 fand vor dem II. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in Wuppertal der Prozess „Andreas Pflüger“ statt. Von den 62 Angeklagten waren zwölf Frauen. Die Gestapo hatte zunächst gegen 91 Angeklagte, darunter 22 Frauen, ermittelt.

Trude Wybierala war vor der Nazizeit kommunistische Stadtverordnete in Remscheid und politische Leiterin der KPD im Bezirk Stadtmitte mit ca. 200 Mitgliedern. Sie war eine engagierte, schlagfertige und tatkräftige Frau. „Ich kannte fast alle Genossen“, sagte die damals 80-jährige in ihren Erinnerungen.

„Der Osterbusch und das Blumental gehörten zu meinem Gebiet. Wenn wir nachts Plakate kleben gingen, klopfte ich an die Fenster und die Männer kamen. Aber ihre Frauen waren meistens eher wach. Sie haben ihre Männer aufmerksam gemacht und gesagt: ‘Die Trude ist draußen.’ Einmal haben die Genossen eine Fahne auf dem Kamin der Deutschen Edelstahlwerke befestigt. Ich habe so gezittert. Ich habe gesagt: ‘Das machen wir nicht noch einmal. Wenn da einer herunterfiele, würde ich des Lebens nicht mehr froh!’ Irgendwann - es war schon in der Nazizeit - habe ich den Genossen Kern getroffen. Er hat gesagt: ‘Wir haben alle unsere Waffen vergraben, Trude, was sollen wir machen?’ Ich habe gesagt: ‘Öle sie gut ein; aber wir können jetzt damit keinen Widerstand machen. Wenn wir einen Menschen in Remscheid töten würden, erschössen die Nazis Hunderte in den Lagern.’
Wir haben aber weiter unsere Flugblätter getippt, abgezogen und verteilt. Man hatte uns eingeschärft, nur in Dreiergruppen zu arbeiten. Wir sollten uns weder Gesichter noch Namen merken und auch nicht die Wohnungen, in denen wir arbeiteten. Am 11. April 1933 wurde ich verhaftet und in Schutzhaft genommen. Neun SS-Leute waren auf einmal in meinem Zimmer im Volkshaus. Ich habe später erfahren, dass sie vom Haus gegenüber das Zimmer beobachtet hatten. Ich war auch verantwortlich für den Literaturvertrieb; aber ich hatte vorher alles weggeschafft. Ich war nach meiner Verhaftung im Polizeigefängnis in der Uhlandstraße, im Amtsgericht Remscheid, in Düsseldorf, in Köln und im KZ Brauweiler.“

Trude Wybierala hatte nach ihrer Schutzhaft zwei Begegnungen mit dem berüchtigten Gestapo-Beamten Lendermann. Sie begegnete ihm das erste Mal, als sie für ihre Mutter eine Besuchserlaubnis bei ihren Eltern, die in Polen wohnten, beantragen wollte. Lendermann fragte sie: „Fräulein Wybierala, was sagen sie jetzt von der Lage?“ Sie erwiderte: „Ich sage nichts, sonst werde ich wieder dort sein, wo ich herkomme.“ Darauf kamen aus dem Nebenzimmer einige SS-Leute. Lendermann sagte: „Nun, Fräulein Wybierala, Sie können ruhig reden, wir versprechen, es geschieht Ihnen nichts.“ Sie sagte: „Ich bin ja erst seit gestern zurück; aber was ich gehört habe, ist nicht gut. Die Margarine ist von 29 Pfennig auf 65 Pfennig geklettert, das Öl von 39 Pfg. auf 1,35 Mark, das Salz von 6 Pfg. auf 13 Pfg.. Und das sind Grundnahrungsmittel. Diese Teuerung bekommen die Arbeiter und Erwerbslosen zu spüren

Lendermann drehte sich den SS-Leuten mit einem fragenden Blick zu. Die nickten mit dem Kopf und bestätigten das, was Trude Wybierala gesagt hatte. „Ja, wissen Sie, Fräulein Wybierala“, sagte er, „das kommt erst noch!“ Sie erwiderte: „Sie machen mir aber einen Spaß: Wenn jemand ertrinkt, dann lassen Sie ihn erst ersaufen und dann machen Sie Wiederbelebungsversuche!“ Er darauf: „Fräulein Wybierala, es passiert Ihnen jetzt nichts, aber hüten Sie sich, das draußen zu sagen

Trude Wybierala berichtet weiter: „Die haben dann von mir gefordert, dass ich mich dreimal täglich in der Uhlandstraße melde. Da habe ich gesagt: ‘Wenn Sie fragen, ob unten eine Zelle frei ist, können Sie mich hierhalten. Ich laufe auf deutschem Boden, meine Sohlen sind durch. Das ist unangenehm. Ich habe keine Schuhe mehr, und wenn ich mich jeden Tag dreimal melden soll, dann bin ich täglich sechs Stunden unterwegs. Ich habe kein Geld für die Straßenbahn’. Wir haben uns geeinigt, dass ich mich täglich einmal am zuständigen Polizeirevier melde. Dann bin ich gegangen. Ich war auch einige Male auf dem Polizeirevier, doch dann hat mich Dr. Sademann, mein Arzt, krankgeschrieben. Er war sehr für uns und hat mir viel geholfen. Dr. Sademann erzählte mir: Ich darf im Quartal für 100 Patienten nur für 300 Mark Medizin verschreiben. Was ich darüber verschreibe, muss ich aus eigener Tasche bezahlen. So haben die Nazis damals alles gekürzt, und ich sehe heute: es wiederholt sich ja alles.“

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