Teil II
von Dr. Wilhelm R. Schmidt
Die Gemeinschaftsgrundschule Freiherr-vom-Stein feierte dieser Tage das 150. Bestehen ihres großen Gebäudes an der Hardtstraße in Lennep. Auch ich bin in den 1950er Jahren dort in die Volksschule gegangen, aber bereits nach dem 1. Schuljahr 1953 wurde ich mit einigen anderen Schülern aufgrund der Veränderung des Einzugsgebiets an die Volksschule "An der Glocke an der oberen Kölner Straße überwiesen. Dennoch ist das erste Schuljahr in der Hardtstraße vor meinem geistigen Auge noch sehr präsent, u.a. erinnere ich mich daran, dass man aus mir seinerzeit beim Schreiben einen Rechtshänder machte. Aber es verbindet mich mit dieser Schule auch etwas Familiäres, sie wurde nämlich wie mehrere andere Schulen in Lennep von meinem Urgroßvater Albert Schmidt erbaut.
Am Mollplatz aufgewachsen, habe ich einen erheblichen Teil meiner Kindheit und Jugend in der Lenneper Hardtstraße verbracht, zunächst im städtischen Kindergarten, heute Kinderhaus Westerholt, dann in der genannten Volksschule, später im darüber liegenden alten evangelischen Gemeindehaus beim Katechumenen- und Konfirmandenunterricht des Pfarrers Roland Spengler und natürlich in der angrenzenden Albrecht-Thaer-Straße im Hause des CVJM. Um die bauliche Entstehung der genannten Gebäude habe ich mich damals naturgemäß nicht gekümmert, und ich wusste lange Zeit nicht, dass sowohl das Kinderhaus Westerholt wie auch die spätere Freiherr-vom-Stein-Schule auf meinen Urgroßvater, den Lenneper Baumeister Albert Schmidt zurückgehen, und das heute nicht mehr existente Gemeindehaus auf dessen Sohn Arthur. Erst als ich mich später mit der Lenneper Geschichte beschäftigte, lernte ich auch, dass die heutige Hardtstraße (früher auch einmal Vicariestraße) einst ein einfacher, schmaler Gartenweg war und die abbiegende Straßenführung hinauf zum Gemeindehaus eine Zeit lang Schulstraße hieß. Und nach und nach wurde mir auch klar, welche Rolle dabei Albert Schmidt spielte, den später manche Lenneper einfach nur den Baurat nannten.
Der Lenneper Baumeister Albert Schmidt (1841-1932) führt in seiner "Liste der ausgeführten Hochbauten in Lennep und Umgebung (1865-1902)" den Bau der heutigen Freiherr-vom-Stein-Schule als Höhere Bürgerschule für die Jahre 1868/1869 auf. Mit ihr wurde zunächst die Höhere Bürgerschule (zuvor u.a. Höhere Stadtschule) in der ehemaligen Lenneper Kunstgasse, später Knabenschule und Bezirkskommando (s.u.), fortgesetzt. Das seinerzeit neue Gebäude in der heutigen Hardtstraße, ehemals ein tiefliegender enger Fahrweg in "geräuschloser" Gartengegend, errichtete Albert Schmidt nach Entwürfen des mit den Lenneper Industriellenfamilien verbundenen Baumeisters Julius Thomas aus Neuss, mit dem er bereits zuvor beim Bau der Villa Poststraße 5 sowie später bei Fabriken der Wupperorte zusammen arbeitete. Der Neusser Architekt war vom Lenneper Baukomitee aufgrund seiner eingereichten Entwurfsskizzen ausgewählt worden und besaß das besondere Vertrauen auch der Kgl. Regierung.
Die neue Bürgerschule hatte zunächst keine seitlichen Anbauten. Sie erhielt diese erst 1903 bzw. 1908 und durchlief nach und nach mehrere Funktionsformen, u.a. als Realschule nebst Realgymnasium und Lyzeum, d.h. Höhere Mädchenschule (Foto links). Der Name der Hardtstraße und das Tuchmuseum im heutigen Gebäude verweisen auf die Wichtigkeit der Familie Hardt und ihrer Firmen für das Lenneper Wirtschafts-, Sozial- und Kulturwesen, das oft nur durch die Stiftertätigkeit der führenden Tuchfabrikanten ermöglicht wurde. Einzelne Jahreberichte der Höheren Bürgerschule sind außer in den Archiven auch im Internet dokumentiert, z.B. https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11367562_00001.html bzw. zur https://remscheid.de/leben/bauen/denkmalschutz/146380100000115782.php. Für das Jahr 1894 verzeichnet Albert Schmidt die Schule "An der Glocke" als einen Schulbau,"Volksschule, sechs Klassen, Kölner Straße, amtlich als die "Schule System 3" oder "Schule Bezirk 3" verzeichnet. Da sie an der Kölner Straße 94 etwas zurück lag, ist sie auf historischen Abbildungen der Straßenflucht oft nicht zu sehen.
Die alte katholische Schule von 1844 an der Lenneper Mühlenstraße, die zeitweilig wegen des Schulraummangels auch die Grundklasse der evangelischen Volksschule aufnahm, ist unter unterschiedlichen Aspekten in der Lenneper Erinnerung präsent. 1848 war in ihr die erste Klasse der Höheren Bürgerschule untergebracht, 1849 diente sie bei der großen Choleraepidemie als Lazarett. Wie viele nach ihm warf auch Albert Schmidt die Frage auf, warum man eine solche Schule ausgerechnet an einem Ort entstehen ließ, an dem durch die hier zusammen fließenden Quellbäche der entstehenden Lennepe der gesamte Unrat der Stadt unabgedeckt versammelt wurde. Das hinderte aber auch ihn nicht daran, 1895/96 das historische Schiefergebäude durch einen großen, jetzt steinernen Neubau zwischen Mühlenstraße und Jahnplatz zu erweitern (Foto links, das Haus links neben der Feuerwehranlage).
Die allgemeine Schulgeschichte Lenneps wiederzugeben ist hier nicht der Ort, und eine umfassende Geschichte der im Jahre 2019 einhundertfünfzig Jahre alt werdenden Schule an der Hardtstraße kann ich gar nicht leisten. Sie wurde auch bereits in der Geschichte des Röntgen-Realgymnasiums mit Realschule und Lyceum beschrieben, die im Jahre 1935 von dem Lenneper Kapitän a.d. Paul Windgassen, selbst Absolvent dieses Gymnasiums, verfasst wurde, und sie lebte in der späteren Schulgeschichte des Röntgen-Gymnasiums in Remscheid-Lennep, 1991 herausgeben von Oberstudienrat Dr. Michael Metschies, noch einmal auf.