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Channel: Waterbölles - Geschichte
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Der OB schrieb einen Geburtstagsbrief an unsere Stadt

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Die Großstadt Remscheid feierte am Samstag ihren 90. Geburtstag. Und das Programm – aus Bordmitteln und ohne großen finanziellen Aufwand gestaltet, wie angesichts der Finanzlage der Stadt auch nicht anders denkbar – war für Jung und Alt gleichermaßen unterhaltsam. Auf großes Interesse stießen vor allem die Jubiläumsausstellung im Rathaus, die Turmführungen und die Rathausführungen mit Museumsleiter a.D. Dr. Urs Diederichs. Der abwechslungsreiche Tag mit Kindermusical „Leo, der König von Remscheid“ Tanzvorführungen der Lenneper Turngemeinde, Stand Up Comedy mit Sascha Korf, der Jim Rockford Band, Präsentationen von Feuerwehr und TBR sowie vielen Spielmöglichkeiten und Zauberei für Kinder klang aus mit einer Party im Rathaus mit Musik der 1920-er Jahre. Das Grußwort von Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz zum Stadtjubiläum fiel diesmal anders aus als üblich – er hatte daraus einen „Geburtstagsbrief an unsere Stadt“ gemacht:

Liebes Remscheid,

herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. 90 Jahre bist du gerade geworden. Für uns sind 90 Jahre eine Ewigkeit, für eine Stadt befindest du dich in noch sehr jungen Jahren. Du bist als Großstadt jung, obwohl deine Stadtteile sehr viel älter sind. Es sind stolze Stadtteile, früher eigenständige Städte. Jeder Stadtteil hat seine eigene Geschichte.

Dies spürt man noch bis heute. Liebes Remscheid, deine Bürgerinnen und Bürger sind gerne erst einmal Lüttringhauser, Lenneper, Hastener, Kremenholler, Honsberger, Bliedinghauser usw. Und dann erst sind sie Remscheiderinnen und Remscheider. Daran hat sich in den vergangenen 90 Jahren nichts geändert. Die Identifikation mit dem eigenen Stadtteil oder gar Quartier ist etwas, was Remscheid so bemerkenswert macht.

Manchmal ist es anstrengend. Da schauen manche schon mal eifersüchtig auf das, was gerade im anderen Stadtteil geschieht. Dann ist man nicht die gemeinsame Großstadt, dann kämpft man darum, dass es dem eigenen Sprengel mindestens genauso gut geht wie den anderen, am liebsten noch ein bisschen besser.

Häufig, nein meistens aber  ist es liebenswert. Was würdest du, Remscheid, ohne die Menschen machen, die sich in ihren Stadtteilen engagieren. Dann gäbe es keinen Lenneper Sommer, keine Heimatspiele in Lüttringhausen, kein Fest auf Hasten oder Honsberg. Dann gäbe es nicht die tollen Vereine, die so sehr für die Attraktivität in ihrem Stadtteil sorgen. Wie wäre es um dich, Remscheid, bestellt, wenn es nicht die vielen Ehrenamtlichen gäbe, die sich für die Menschen und das Miteinander in den Stadtteilen einsetzen würden.

Ja, Remscheid, du kannst stolz auf dich und deine Stadtteile sein. Und du kannst stolz auf deine gemeinsame Geschichte sein. Egal, ob es nun damals vor 90 Jahren tatsächlich nur vier Stimmen Mehrheit für den Zusammenschluss gab, du hast eine bewegte und bewegende junge Geschichte. Du hast viel erlebt. Als Seestadt auf dem Berge wirst du bezeichnet. Nach wie vor tragen Werkzeug und andere Industriegüter deinen Namen in alle Welt. Du hast die schreckliche Zeit des Faschismus und des fürchterlichen zweiten Weltkriegs erlebt und erlitten. Du bist wieder aufgebaut worden. Manche Narben sieht man heute noch. Nein, auf den ersten Blick zeigst du nicht deine Schönheit. Man muss sich Zeit nehmen und in die Altstädte und die kleinen Hofschaften gehen. Da zeigst du dich von deiner attraktivsten Seite. Manchmal sollte man auch in die Luft gehen. Nicht aus Ärger, sondern um einmal von oben zu ermessen, wie schön unser Umfeld ist. Übrigens reicht dafür schon ein Blick vom Rathausturm.

Deine Bürgerinnen und Bürger sind keine Westfalen und keine Rheinländer. Was sind sie denn dann? Es scheint so, als ob sie von der Mentalität beider Nachbarn etwas in sich vereinen. Sie sind besonnen und herzlich, ohne überschäumend zu sein. Das ähnelt ein wenig dem Westfälischen. Sie können feiern und haben viel Humor. Anleihen ans Rheinische. Seit vielen Jahren sind viele Menschen aus anderen Ländern bei uns heimisch geworden und bringen ganz neue Lebensarten dazu. Das alles zusammen ergibt einen ganz besonderen Menschenschlag:  Sie sind eben Bergische. Manchmal sind sie mir zu pessimistisch und zweiflerisch. Das müssten sie eigentlich nicht sein. Natürlich gibt es Sorgen und Probleme. Die bezeichne ich lieber als Herausforderungen. Das klingt gleich viel optimistischer.

Liebes Remscheid, ja, was ich dir zu deinem Geburtstag vor allem wünsche, ist sehr viel Optimismus. Wenn wir uns alle auf die Stärken dieser Stadt mit ihren so unterschiedlichen Stadtteilen und ihren liebenswerten Menschen hier besinnen, wenn wir alle das Glas immer als halbvoll betrachten, wenn wir uns alle in der Verantwortung sehen, nicht nur danach zu fragen, was du Remscheid für die Menschen tust, sondern, was wir alle für unsere Stadt tun können, dann bin ich für deine Zukunft nicht bange. Deswegen lasst uns alle heute den 90. Geburtstag gemeinsam feiern, nicht als Dinner for one, sondern als schönes gemeinsames Fest für unsere Heimatstadt Remscheid. Ganz herzlichen Dank an alle haupt- und ehrenamtlichen Menschen, die uns dieses Fest durch ihren unermüdlichen Einsatz ermöglichen. Remscheid, Glück auf.


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