von Dr. Wilhelm R. Schmidt
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Lennep das Bedürfnis empfunden, einen großen Versammlungs- und Festsaal zu errichten, weil die vorhandenen Säle, die mit Gastwirtschaften verbunden waren, für größere Veranstaltungen oder Feste nicht genügten. Die Vereine mussten für ihre Feste jedesmal Zelte oder mobile Hallen errichten, obwohl eine einfache Kalkulation genügt hätte, um festzustellen, dass eine bleibende Lösung kostengünstiger gewesen wäre. Die Schützenvereine vieler Städte in Rheinland und Westfalen hatten damals schon solide Schützenhäuser erbaut, die dann auch zu weiteren Zwecken benutzt werden konnten, aber in Lennep konnten sich die maßgeblichen Persönlichkeiten nicht zu der Überzeugung durchringen, dass eine großzügige kommunal errichtete Anlage rentabel sei. Natürlich hätte man auch eine Menge gemeinnütziger Einrichtungen mit einer solchen Anlage bedienen können.
Als man um 1870 in Lennep von einer großen Gemeinschaftshalle träumte, spielte die Frage des Bauplatzes eine große Rolle. Eine solide, große Festhalle auf dem prachtvollen, aber den Witterungseinflüssen außerordentlich ausgesetzten und hochgelegenen Schützenfeld empfand man als sehr schön. Sie würde als neues Wahrzeichen Lenneps bis zur weithin in der Ferne wahrnehmbaren Wasserscheide des oberen Wuppergebiets bemerkbar gewesen sein; allerdings wären die Baukosten unverhältnismäßig hoch gewesen. Wenn also eine solche Lage der Festhalle für Schützenfeste, große Gauturnfeste, landwirtschaftliche Feste und dergleichen nicht unpassend gewesen wäre, so wäre eine Benutzung der Festhalle für Vereine und Versammlungen doch wegen der großen Entfernung vom Stadtinnern nicht zweckmäßig, so war die Meinung.
Einige Jahre vor dem Bau der Eisenbahn Remscheid-Lennep-Barmen-Rittershausen unternahm ein früherer Lenneper Bürger namens Richard Kombruch eine große Grundstückspekulation. Er brachte alle käuflichen Grundstücke in der näheren Umgebung der Stadt in seinen Besitz, weil er sich vorgestellt hatte, durch die Eisenbahnanlage würde eine immense Bautätigkeit entstehen und seine Grundstücke würden ihm große Gewinne bringen. Das war allerdings ein Irrtum. 30 Jahre später gestand der Herr dann ein, dass sich die Spekulationssumme nicht einmal normal verzinst habe.
Damit nun aber Grundstücke, die bei der voraussichtlichen Entwicklung der Stadt für öffentliche Gebäude nötig waren, nicht durch Spekulation verteuert wurden, veranlasste der damalige Bürgermeister Rudolf Trip seine Verwandten Gebr. Hilger, das Grundstück des späteren Kreishauses und Umgebung zwischen Kölner- und Leverkuser Straße bzw. zwischen dem Hardtschen Garten und der späteren Hermannstraße anzukaufen. Es sollte für gemeinnützige Zwecke bereitgehalten werden. Da eine baldige Verwertung dieser Art noch nicht in Aussicht stand, wurde dort eine Feldbrandziegelei angelegt, aber bald wieder aufgegeben, weil es sich herausstellte, dass durch die primitive Fabrikation in der regenreichsten Gegend Deutschlands eine Rentabilität nicht zu erzielen war. Der unbrauchbare Abfall der Meileröfen war einfach zu groß. Auf diesem Teil des Grundstücks ist alsdann später im Jahre 1889 das Kreishaus erbaut worden, nachdem es in den Besitz der Stadt übergegangen war.
Der nördliche Teil dieses Grundstücks war nach dem Ankauf durch Friedrich Wilhelm Hilger für eine Festhalle, die gemeinnützigen Zwecken dienen und für alle Vereine benutzbar sein sollte, zur Verfügung gestellt worden. Bürgermeister Rudolf Trip war Artillerieoffizier gewesen und ein guter Mathematiker; er liebte es, einigen jungen Bautechnikern, die sein besonderes Wohlwollen besaßen, mathematische Probleme aufzugeben, die dann in der Stammkneipe besprochen und meistens auch gelöst wurden. Eines Tages wurden nun diese Bautechniker, die inzwischen als selbständige Bauunternehmer fungierten, von Bürgermeister Trip scheinbar offiziell mit einer großen Aufgabe betraut. Sie sollten einen modernen Plan mit Kostenanschlag für eine große Festhalle für alle möglichen Zwecke liefern, da man nun auf dem verfügbaren Grundstück den schon jahrelang schwebenden Plan verwirklichen wolle. Damit sie sich über die zweckmäßigsten Anlagen auf diesem Gebiet unterrichten und einen nach allen Seiten hin modernen Plan liefern konnten, wurde ihnen eine Informationsreise durch Rheinland und Westfalen empfohlen, um Anlagen ähnlicher Art zu studieren.
Die beiden jungen Männer widmeten sich mit großem Eifer der Aufgabe, die ihnen mit einer offizieller Miene aufgegeben worden war, und legten dem Bürgermeister eines Tages einen feinen Plan mit Kostenanschlag im Betrage von 60.000 Talern vor. Der fand alles großartig, wunderbar, auch nicht zu teuer, es müsse sofort mit dem Bau begonnen werden. Auf die schüchterne Frage der beiden Glücklichen - es handelte sich hier um die Jungunternehmer Albert Schmidt und Louis Dürholt -, wie es denn mit der Verdingung und der geschäftlichen Ausführung des Planes werden sollte, wurde lächelnd erwidert: Alles unnötig, Sie bauen die Anlage auf Ihre Kosten, das Grundstück erhalten Sie umsonst, reichlich Hypotheken gibt die Sportkasse, und für eine rentable Verwertung der Anlage wird Sorge getragen! Merke: Die beiden Baugewerksabsolventen hatten ohne jedes Kapital, wenn auch mit viel Mut und Kraft ihre Selbständigkeit gegründet und sollten jetzt die Funktionen von Kapitalisten übernehmen. Sie dankten dem Herrn Bürgermeister für seine gute Meinung und versenkten das schöne Himmelsbild in den Orkus. Jedenfalls wurde das Festhallenprojekt so dauerhaft begraben, dass es viele Jahre dauerte, bis es wieder auftauchte.
Dann kam die Zeit der Denkmalüberflutung nach den siegreichen Kämpfen, die zur Gründung des Deutschen Reichs geführt hatten. Jedes Städtchen wollte sein Krieger- und Kaiserdenkmal haben, es wurden viele Millionen dafür ausgegeben. Pate stand hier außer der dankbaren Anerkennung der für das Vaterland Gefallenen auch die Erinnerung an große Führer des Volkes und die Förderung der Kunst, verbunden mit lohnende Arbeit für Handwerker. In dieser Zeit entstand in den liberal-bürgerlichen Kreisen Lenneps der Gedanke, ein Kaiser-Friedrich-Denkmal zu schaffen, obwohl in den noch höheren Gesellschaftsschichten dieser Idee wenig Sympathie entgegen gebracht wurde. Denn dort fürchtete man die Grundsätze des zwischenzeitlichen Kaisers, die er als freimaurerischer Logenbruder in Straßburg im Jahre 1886 proklamiert hatte, nämlich Gewissensfreiheit und allumfassende Liberalität. Lieber hielt man sich an seine Verwandten Wilhelm I. und später Wilhelm II.
Liberale Lenneper Kreisen gründeten damals einen Kaiser-Friedrich-Denkmal-Fonds. Da tauchte der Gedanke auf, der beim Volk beliebte Mitbegründer des Reiches würde es auf Grund seiner Weltanschauung gern gesehen haben, wenn die gesammelten Gelder für Einrichtungen verwendet würden, die dauernd das Allgemeinwohl förderten - eine Kaiser-Friedrich-Halle, die geeignet wäre, allen Einrichtungen zur Förderung des Volkswohls und der Volksbildung zu dienen. Es fehlte ein genügend großes und würdig ausgestattetes Gebäude mit Einrichtungen zur Pflege der Turnerei, für politische und sonstige Volksabstimmungen und für die Vorträge des allgemeinen Bürgervereins. Auch fehlte Raum für Volksbibliothek und Lesehalle, durch die die Schundliteratur bekämpft werden konnte. Durch ein großes Kino hätten die schädlichen, aufregenden Produktionen der Privatkinos bekämpft werden können usw. Wenn die Stadtverwaltung und die Vereine zusammenwirkten, dann müsste es ein solcher Plan doch gelingen
Auch die Bauplatzfrage für eine große Festhalle schien gelöst. Der durch Schuttanschüttungen entstandene Kaiser-Friedrich-Platz (später Jahnplatz) hätte eine große Halle für alle Zwecke aufnehmen können, ohne im Geringsten die sportlichen Einrichtungen zu behindern. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, also vor 1914, als sich Weltkrieg Handel und Industrie auch und gerade in Lennep fieberhaft entwickelten, hätte sich die Idee realisieren lassen. Danach aber ging die Zeit darüber hinweg.