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Die Löhne für die Zwangsarbeiter einbehalten?

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Geschichtlicher Rückblick von Prof. Dr. Jörg Becker auf das Kriegsende in  Remscheid und die Zeit unter US-amerikanischer Besatzung vom 15. April bis zum 23. Mai 1945

Teil 10: Feindbild Russland und „Russenguthaben“ (III)

Vorabdruck aus dem Buch "Remscheid 1945", das Ende
des Jahres von Jörg Becker und Armin Breidenbach
herausgegeben werden wird.

Bei den vielen russischen Zwangsarbeitern gab es folgende Probleme. Da sollte z. B. am 25. April 1945 die Leiche eines Russen freigegeben werden, „der im Lager der Fa. Edmund Nohl an einer Methylalkoholvergiftung verstorben ist“ [1] und später im Jahr forderte das Besatzungsamt für alle russischen Gefangenenlager „2.000 leere 1 Liter-Flaschen mit Korken“ an [2]. Da stellt sich im Juni 1945 heraus, dass in der Heil- und Pflegeanstalt Tannenhof in der geschlossenen Abteilung nur zwei Ostarbeiter eingesperrt sind, nämlich eine Kazmira Chesakiewicz aus Polen mit einer Herzneurose und ein Russe, namens Wadis Demetrys, mit einer Psychose.  [3] Wegen Freiheitsentzug ist eine geschlossene Abteilung das Schlimmste vom Schlimmen. Ist es Zufall, dass hier nur sogenannte Ostarbeiter einsaßen? Was sind die Unterschiede zwischen Angst, Alkoholismus, Neurose und Psychose?              

Im Frühjahr 1945 taten sich bei den Löhnen für Zwangsarbeiter große Probleme auf, da einerseits einige Firmen nicht alle Löhne ausgezahlt hatten, andererseits eine Reihe von Zwangsarbeitern nicht mehr ausfindig zu machen waren. Ein Spezialproblem bildeten dabei die russischen Zwangsarbeiter. Im August 1945 hatte das britische Hauptquartier in Düsseldorf alle Bürgermeister angewiesen, „die Ersparnisse von russischen Arbeitern in Deutschland […] an die Provinzialregierung abzuliefern.“ In diesem Sommer 1945 hatten sich in Remscheid rund 40.000 Reichsmark an „Russenguthaben“ angesammelt. Zum großen Teil handelte es sich dabei um Lohnrückstände von Remscheider Arbeitgebern. [4]

Als Vorsitzender einer „Central-Organisation für Ausländer“ hatte ein Dr. Albert Cossé, ein belgischer Arzt und Psychotherapeut aus Remscheid, ausstehende Löhne im Auftrag von russischen Zwangsarbeitern eingesammelt. Im Juli forderte er die Städtische Sparkasse in Remscheid auf, der russischen Delegation 57.196,67 Reichsmark zu überweisen und im Oktober 1945 teilte er dem Oberbürgermeister in einem Schreiben mit: „Heute zahlte ich auf das Konto 37 der Städtischen Sparkasse den Betrag von 378,55 Reichsmark, der sich aus Lohngeldern für russische Zivilarbeiter von der Firma Gebr. Arns Remscheid zusammensetzt. Das Geld konnte den Russen nicht ausgezahlt werden, weil diese Arbeiter sich nicht vorstellten und nicht auffindbar waren.“  [5] Im Zusammenhang mit „Russenguthaben“ richtete am 21. November 1945 ein Oberleutnant der Roten Armee Romanow ein Schreiben an die Stadt Remscheid. Er forderte eine Auflistung aller in Remscheid lebenden Angehörigen der Sowjetunion, da die Registrierungen der Meldeverzeichnisse „sich nicht mit den tatsächlich hier befindlichen Russen decken“.  [6]

Der belgische Arzt Albert Cossé war auch in Wermelskirchen für Zwangsarbeiter tätig gewesen und soll in der NS-Zeit BBC-Sendungen abgehört und deren Inhalt weitererzählt haben.  [7] Er war wohl kein Nationalsozialist. Dennoch: Guckt man sich eine Summe wie 57.000 Reichsmark an, dann stellt sich ein leichtes Unbehagen ein. Haben alle Firmen sauber abgerechnet oder haben sie Löhne an Zwangsarbeiter einbehalten und noch nach Kriegsende ein weiteres Mal an ihnen verdient? Wo ist das übrig gebliebene Geld verblieben? Wie viel Provisionen erhielt der Vermittler Albert Cossé und von wem oder arbeitete er kostenlos und falls ja, warum?              

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