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Auch sozialistische Betriebsbesetzungen

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Geschichtlicher Rückblick von Prof. Dr. Jörg Becker auf das Kriegsende in  Remscheid und die Zeit unter US-amerikanischer Besatzung vom 15. April bis zum 23. Mai 1945

Teil 13: Antifaschismus und Sozialismus – jetzt!
Vorabdruck aus dem Buch "Remscheid 1945", das Ende
des Jahres von Jörg Becker und Armin Breidenbach
herausgegeben werden wird.

Durchaus stringent und konsequent wurden im Juni und Juli 1945 die ersten Nationalsozialisten aus dem öffentlichen Dienst entlassen. So wurde beispielsweise am 12. Juni der AOK-Direktor Karl Hülle entlassen, „da er Parteimitglied der NSDAP gewesen war.“ [1] Am 16. Mai 1945 wurden die drei Mitarbeiter der Zuchthausverwaltung Lüttringhausen Wilhelm Nothen, Heinrich Lahaye und Wilhelm Depper aus ihrem Dienst entlassen und am 9. Juli folgte die Entlassung der Mitarbeiter Wilhelm Huben, Alois Brauner, Karl Renker, Otto Louis und des Direktors Karl-Frido Engelhardt, „da es nicht wünschenswert ist, sich ihrer Dienste in irgendeiner Eigenschaft unter der verbündeten Militärregierung zu bedienen.“ [2]

Im Frühsommer 1945 herrschte in Remscheid eine sozialistische Aufbruchsstimmung! Die NS-Verfolgten, die Eingekerkerten, die Geknechteten und Getretenen, die Männer und Frauen des Widerstands, Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Genossenschafter: Sie alle sahen sich vor einem von ihnen hart erkämpften und erlittenen Ziel: Der Aufbau eines sozialistischen Deutschland (selbstverständlich in einer Einheit von West- und Ostdeutschland).

Es ist diesem Geist einer neuartigen politischen Aufbruchsstimmung zu verdanken, dass es auch sozialistische Betriebsbesetzungen gab. So übernahm beispielsweise der Arbeiterführer Erich Hoch (Foto (um1930) Ende April 1945 im Handstreich die Firma von Friedrich Keiper. Als Betriebsobmann in diesem Metallunternehmen erklärte er: „Jetzt gehört die Fabrik uns“, setzte Helmut von Broke als Prokuristen dieser Firma ab und erteilte ihm Hausverbot. Doch schon mit der Machtübernahme durch die Briten am 24. Mai 1945 erhielt Keiper seine Fabrik von den neuen, nun geänderten, Besatzungsbehörden zurück. [3] Ein solches Vorgehen hatte im roten Remscheid durchaus Tradition: So hatte beispielsweise im November 1918 ein Arbeiter- und Soldatenrat aus 45 Personen für kurze Zeit einfach die Macht in Remscheid übernommen.
Wer war dieser radikale Kommunist und Gewerkschafter Erich Hoch (1896-1963), der einen Betrieb einfach in die Hände der Arbeiter überführt hatte und einen „Sozialismus hier und jetzt“ praktizierten wollte? Der Schlosser und Fotograf Hoch war von 1931 bis 1933 Remscheider Stadtverordneter und bis 1933 Agitprop-Leiter der KPD im Ortsteil Neuenhaus. Nach dem Einmarsch der US-Armee im April 1945 war er Politischer Leiter der Ortsgruppe Hasten und Betriebsobmann bei der Firma Keiper. Am 18. Oktober 1946 reihte die Remscheider Ausgabe der kommunistischen Zeitung „Freiheit“ Erich Hoch in ihre Reihe „Treuhänder des Volkes“ ein. 1953 setzte der Hauptvorstand der IG Metall den mehrheitlich gewählten Kommunisten Erich Hoch gegen dessen Willen als 1. Bevollmächtigten der Remscheider IG Metall 1953 von seinem Posten ab.

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