von Dr. Wilhelm R. Schmidt
Liebe Freunde des Bergischen Landes, liebe Lenneper,
lang, lang ist es her, dass diese beiden Fotos in Lennep gemacht werden konnten. Das Foto links stammt noch aus dem vorletzten Jahrhundert und zeigt eine volkstümliche Partie, wie man damals sagte, an der Lenneper Bocksgasse, die von der Pastoratstraße unterhalb von Wilhelm Conrad Röntgens Geburtshaus in Richtung Stadtkirche abzweigt. Heute sieht es dort (nach der Altstadtentkernung und/oder Sanierung) natürlich anders aus.
Noch nach dem Zweiten Weltkrieg ging man zum Milch holen zum Kaufmann, oft wurden die Kinder mit der hauseigenen Kanne dorthin geschickt, die allerdings wesentlich kleiner war als die auf unserem Foto abgebildeten Kannen. Mitunter sieht man derartige heute noch mit Blumenschmuck auf unseren Balkons oder in den Lenneper Vorgärten. Milch wurde seinerzeit übrigens auch ins Haus geliefert, gegen Aufschlag natürlich. Ebenso wie beim Wasser, sofern man keinen eigenen Brunnen im Haus hatte. Ferner das Petroleum für die Lampe und der Sand zum Reinigen der Fußböden und sonstiger Holzflächen.
Gemessen an "solchen Zuständen", die allerdings bis in letzte Drittel des 19. Jahrhunderts völlig normal waren, galt es natürlich als Fortschritt, als man am Bismarckplatz später ein Milch- und ein Wasserhäuschen anlegte, zeitweilig auch einen stattlichen Brunnen mit Fontäne und sogar eine meteorologische Station. Ich bin bei meinen Lennep-Führungen noch auf eine betagte Dame mit Gehwägelchen gestoßen, die davon erzählte, dass ihre Mutter am Bismarckplatz Wasser für das eigene Heim geholt habe. Das auf dem Foto abgebildete Milchhäuschen diente übrigens nicht nur der Lenneper Milchversorgung, sondern war letztlich Teil einer preußischen Kampagne gegen den damalig durchaus beachtlichen Alkoholmissbrauch der "unteren Schichten". Auch die Lenneper konnten damals mit dem "Fengersch" von der Kölner Straße und dem "Braselmanns" aus Beyenburg / Schwelm ein Lied davon singen. Bekannt war das Lenneper Original, genannt Bübchen, das mit seinen Mattkadetten (Marktkumpanen) kein Gläschen versäumte und es bis zur Verewigung auf einer Ansichtskarte brachte, auf der er schnapsselig auf sein altes Lennep hinunter blickte.
Milchverkaufsstellen waren sozusagen eine volkstümliche Variante der privaten Schweizerhäuser der reichen Industriellen, von denen es in Lennep am Westerholt übrigens auch eines gab, wo die Kühe im Stall aus Marmorkrippen fraßen. Der Eigentümer, Herr Hardt, pflegte seine Gäste zu fragen, ob sie lieber Champagner, Cognac oder Milch trinken wollten. "Es kostet mich alles dasselbe", soll er hinzugefügt haben.