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1890 wurde der Bergische Fabrikanten-Verein gegründet

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Auf eine Hochkonjunktur und Zeit industriellen Aufschwungs folgte eine wirtschaftliche Krisis, die in den Jahren 1889/90 ihren Höhepunkt erreichte. Die sozialpolitische Gesetzgebung machte einen engeren Zusammenhalt unter den Fabrikanten wünschenswert. Die Gleichgültigkeit in Unternehmerkreisen gegen Fortschritte musste bekämpft werden, um die Abwanderung von Industriezweigen zu verhüten und um die Güte der Waren zu heben. Das Verhältnis der Fabrikanten zu Kaufmann und Verleger bedurfte der Klärung.

Emil SpennemannMoritz Böker, Geh. Kommerzienrat und Dipl. Ing. e. H.Reinhard KotthausDies waren die wesentlichen Gründe, die 1890 zur Gründung des „Bergischen Fabrikanten-Vereins" in Remscheid führten. Die Ziele des Vereins waren: „Hebung der Bergischen Industrie, — in Sonderheit der Stahl- und Eisenwarenerzeugung — sowie die Förderung der wirtschaftlichen Interessen der Fabrikanten." Der Verein war mithin vorwiegend wirtschaftlich orientiert. Er behandelte aber zunächst auch allgemeine Arbeiterfragen, die freilich bei der verhältnismäßig ruhigen sozialpolitischen Lage nur einen beschränkten Raum in den Erörterungen einnahmen. Dies änderte sich, als das Vorgehen der Gewerkschaften und ein Streik im Jahre 1903 dieArbeitgeber aus ihrer Zurückhaltung herauslockten. Sie gründeten — auf Veranlassung des Bergischen Fabrikanten-Vereins — einen Arbeitgeberverband. Nun sah sich die Arbeiterschaft bei Erhebung ihrer Forderungen auf höheren Lohn oder verkürzte Arbeitszeit einer geschlossenen Arbeitgeberfront gegenüber. Die Gründer des Bergischen Fabrikanten-Vereins waren: Moritz Böker, Reinhard Kotthaus (Foto halbrechts) und Emil Spennemann (Foto links).

Moritz Böker (Foto ganz rechts), der von 1891 bis 1905 Vorsitzender war, hatte hervorragenden Anteil an dem raschen Aufblühen des Vereins. Die erste Tat war die Eröffnung einer „Permanenten Ausstellung im Vereinshause", die die Erzeugnisse der Mitgliedsfirmen zeigte. Die Ausstellung ermöglichte den Vergleich der Fabrikate und trug dadurch wesentlich zur Hebung ihrer Qualität bei. Erst als die Kriegswirtschaft das ganze Geschäftshaus des Vereins (Foto unten links: Schmidt) in Anspruch nahm, musste notgedrungen die Ausstellung aufgelöst werden (1916).

Geschäftshaus des Fabrikanten-Vereions. Foto: Schmidt.Bei seinen Arbeiten musste der Verein mit großer Behutsamkeit zu Werke gehen, zumal in ihm zum ersten Mal wieder seit dem Fall der Innungen die Erzeuger der Rohstoffe mit den Verbrauchern zusammengeführt wurden. Der Verein versuchte es sogar, bei Unstimmigkeiten zwischen Lieferanten und Abnehmern derartige Fragen in den Kreis der Beratung zu ziehen, und brachte so den neuzeitlichen Organisationsgedanken schon sehr frühzeitig und vorbildlich zum Ausdruck.Es war das VerdienstdesFabrikanten-Vereins, wie das der neuzeitlichen Verbände des Wirtschaftslebens überhaupt, darüber hinaus die gesellschaftlichen und rein mensch­lichen Beziehungen unter den Angehörigen verschiedener und, was schwieriger war, der gleichen Wirtschaftsgruppen zu fördern und vertrauensvoller zu gestalten, Gegensätze zu überbrücken, durch aufreibende Berufsarbeit beanspruchten Männern ihre Arbeit zu erleichtern und die Gleiches Erstrebenden zu einheitlichem Ziele zusammenschließen. Die Erfüllung dieser Aufgabe gestaltete sich in Bezug auf die Zusammenarbeit gleicher Gewerbezweige umso schwerer, je größer die Zahl der ihnen angehörenden Fabrikanten war und auf desto engerem Raum diese benachbart wohnten.

Schon rein äußerlich kam das Zusammengehörigkeitsgefühl zum Ausdruck, indem der Fabrikanten-Verein sogleich nach seiner Gründung ein eigenes Heim kaufte und in diesem einen sichtbaren Mittelpunkt für die Industrie des Bergischen Landes schuf. Kurz vor Kriegsausbruch begann man mit einem Ausbau des Geschäftshauses (der 1917 fertiggestellt wurde), um Versammlungen aller Mitglieder zu ermöglichen und dabei von den Zufälligkeiten der Außenwelt unabhängig zu werden. Der Mitgliederkreis dehnte sich bald über das Bergische Land aus. Der Verein beschäftigte sich dann auch mit Fragen der Allgemeinen Wirtschafts- und Verkehrspolitik des Bergischen Landes. Der Fabrikanten-Verein bemühte sich ferner um eine Milderung der sozialen Gegensätze und Spannungen, indem er den Sparzwang für die jugendlichen Arbeiter in den Fabriken seinen Mitgliedern einstimmig zur Nachahmung empfahl. Die „Bergische Stahlindustrie" hatte mit einer derartigen Einrichtung sehr günstige Erfahrungen gemacht.

Dieses Werk hatte Wohlfahrtseinrichtungen geschaffen, die weit über Remscheids Grenzen hinaus Aufsehen erregten; es war, wie auf Steigerung der Qualität seiner Erzeugnisse, so auch auf eine Hebung der wirtschaftlichen und sozialen Lage seiner Arbeiter und Angestellten bedacht. Als die kaiserlichen Botschaften in den 1880er JahreneineneueÄra der sozialenReformeinleiteten,hatte das Werk bereits all das durchzuführen erstrebt, was später den Arbeitnehmern in staatlicher und privater Fürsorge geboten wurde. So sozial denkende Unternehmer konnten für die staatliche Regelung der sozialen Fürsorge, die sie als Zwang empfanden, kein Verständnis finden. — Der erwähnte Sparzwang bestand für jugendliche und unverheiratete Arbeiter unter 25 Jahren und sollte erzieherisch wirken. Das „Alexanderwerk'' und verschiedene andere Remscheider Betriebe übernahmen die Einrichtung.

Besondere Erwähnung verdienen die Arbeiten des Fabrikanten-Vereins auf zollpolitischem Gebiet. Er knüpfte hierin an frühere Arbeit bedeutender Führer der Remscheider Wirtschaft an. Josua Hasenclever wurde 1828 vom Preußischen Ministerium einer Gesandtschaft beigegeben, die in Paris auf eine Ermäßigung der hohen französischen Zölle hinwirken sollte. 1879 war Reinhard Mannesmann als Mitglied der von Bismarck einberufenen Enquete-Kommission dazu berufen, bei derVorberatungüberdenfürdas Wirtschaftslebenbedeutsamen Übergang vom Freihandel zur Schutzzollpolitik die Interessen der westdeutschen Industrie mit zu vertreten. Welche Bedeutung man seinem Urteil beimaß, geht daraus hervor, dass sein damaliges Protokoll fast wörtlich in das spätere Zollgesetz übernommen wurde.

Hermann Böker und Walter Hilger konnten als Vertreter des Vereins erfolgreich an den Verhandlungen über den Handelsvertrag mit Russland teilnehmen. An der Aufstellung eines neuen Zolltarifschemas und Festsetzung der einzelnen Zollsätze um die Jahrhundertwende beteiligte sich der Remscheider Verein zusammen mit dem „Verein der Märkischen Kleineisenindustrie" in Hagen. Infolge der gemeinsamen Bemühungen gelangte ein von den Interessentengruppen aufgestelltes Schema in der Hauptsache zur Annahme. (nach: „Aus der Geschichte der Remscheider und Bergischen Werkzeug- und Eisenindustrie“ von Wilhelm Engels und Paul Legers, erschienen 1928 zum 25jährigen Bestehen des Arbeitgeber-Verbandes der Eisen- und Metallindustrie von Remscheid und Umgebung e. V., 1979 im Verlag Ute Kierdorf als Faksimile­druck neu aufgelegt. Hier Teil II, Paul Legers: Die Remscheider Werkzeug- und Eisenindustrie von der Einführung der Gewerbefreiheit bis zum Ausbruch des Weltkriegs)


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