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Der Lenneper Gartenberg

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von Dr. Wilhelm R. Schmidt

Liebe Freunde des Bergischen Landes, liebe Lenneper,

Das Gebiet zwischen der ehemaligen Köln-Berliner Straße, der heutigen Schwelmer Straße und der Knusthöhe, nannte man in alten Zeiten den „Gartenberg“. Das Areal war begrenzt vom Markt, der Berliner und Schwelmer Straße aufwärts bis zur sogenannten Tränenallee (heute Albert-Schmidt-Allee) und vom Markt und der Barmer Straße (heute Am Schellenberg) aufwärts bis auf die Knusthöhe. Der östliche Quellbach des Lennepebachs nimmt dort im Keller des Wohnhauses Schillerstraße (Foto rechts) Nr. 14 und im Keller des Hauses Wiesenstraße Nr. 2 seinen Anfang. Diese beiden Quellbäche, die vor Anlage der Kanalisation im Jahre 1883 in Flutzeiten offen zu Tage traten, sickerten in trockenen Zeiten unterirdisch talabwärts und sammelten sich im sog. Engelsschen Teich an der Wiesenstraße, der östlich des Wohnhauses Nr. 3 lag. Die überlaufenden Wassermengen wurden als offener Bachlauf durch die unterhalb gelegene Engelssche Wiese zum Brandteich auf dem Thüringsberg geleitet. Der Engelssche Teich hat seinen Namen von dem Textilfabrikanten Johann Daniel Engels, der Eigentümer des Hauses Wiesenstraße Nr. 3 war. Joh. Dan. Engels, Kaufmann und Tuchfabrikant, war der Inhaber der Firma Engels & Ölbermann, Tuchfabrik und Handlung zu Lennep. Engels war Mitglied der Bergischen Industrie- und Handelskammer zu Lennep und deren Präsident von 1849-1856.

Auf der Höhe des Gartenberges lag in der Mitte des 19. Jahrhunderts (bis 1854) die Tuchfabrik von August Walter. Diese Fabrikanlage bestand aus einem massiven Erdgeschoss, in der die Rauferei und Walkerei sowie die Appretur untergebracht waren. Die Anlage war zweistöckig aus Fachwerk mit Schieferbekleidung und einem Pfannendach. In dem oberen Stockwerk waren die Spinnerei und Schererei und einige Webstühle untergebracht. Die Handwerker in der Stadt und Umgegend lieferten ihre gewebten Tuche für die Appretur in die Fabrik. Ein hoher viereckiger Schornstein, den man vom Lichtenplatz in Barmen und vom Winterberg bei Schwelm, von Cronenberg und aus den dazwischen liegenden Ortschaften aus hoch emporragen sah, zierte die Anlage.

Die eigenartigen Wasserverhältnisse des Bergrückens, die in den geologischen Verhältnissen des Berges seine Ursache hatten, und eine sehr ergiebige Brunnenanlage ermöglichten die Fabrikanlage trotz des erheblichen Wasserverbrauchs. Die sehr ergiebigen Quellen des westlichen Bergabhanges mündeten in einem alten Hohlweg der früheren Landstraße nach Elberfeld (später Knusthöhe). An dem nördlichen Abhang war deshalb ein Wollwaschteich für die Fabrik angelegt worden.

Am 12. September 1854 wurde die Fabrikanlage durch einen großen Brand zerstört. Nur der Schornstein blieb noch 15 Jahre stehen und bildete das Wahrzeichen für die von Norden kommenden Besucher der Stadt. Die Fabrikfenster hatten nach der Westseite hin Schlagläden, die beim Ausbruch des großen Fabrikbrandes von den Arbeitern abgehängt wurden, um sie zu retten. Aber der Eigentümer ließ sie wieder ins Feuer werfen, damit sie ihm bei der Versicherungssumme nicht abgezogen wurden. Von dem abgebrochenen bzw. umgeworfenen Schornstein baute sich der damalige Brunnenmacher Hess im Jahre 1869 vor Ort ein Wohnhaus. Der Brunnen wurde mit einem Brunnenhäuschen versehen und lange Zeit, bis ins 20 Jahrhundert sogar, noch benutzt.

In der Mitte des Gartenberges liegt der heutige Thüringsberg. Früher hieß dieser Straßenzug „Weg um die Stadt“, danach ,,Alleestraße‘, später eine Zeit lang auch „Hindenburgwall“. In alten Zeiten war es ein tief ausgetretener Treibweg, über den die Postpferde der nahegelegenen Posthalterei in die Schwemme des alten Brandteiches getrieben wurden. An der Südseite des Thüringsbergs lag an der Stelle der späteren Trikotagenfabrik von Hermann Mühlinghaus eine Fabrikanlage, ein dreistöckiger Fachwerkbau mit Schieferbekleidung. Sie gehörte dem Augenarzt Dr. Blasberg, dessen Wohnhaus hinter der Fabrik am Gänsemarkt lag. In der Mitte des 19. Jahrhunderts waren diese Fabrikräume an die damals noch vielfach bestehenden kleineren Lenneper Tuchfabriken vermietet. Eine Dampfmaschine ältester Konstruktion lag im Erdgeschoss. Die Dampfkesselanlage war die Westgrenze des Grundstückes angebaut. Der Schornstein lag an der nordwestlichen Ecke des Gebäudes am Thüringsberg, der einen Aufsatz von ca. 8 Meter Höhe hatte. Der Zugang zur Fabrik geschah vom Gänsemarkt aus.

In den 1860er Jahren kam ein ganz moderner Geschäftsmann mit neuen Ideen nach Lennep. Es war eine für die etwas spießbürgerliche kleinstädtische Bevölkerung fremdartige Erscheinung: der Fabrikant und Erfinder der nach ihm benannten Wasch- und Wringmaschine Jacob Hilgers. Er mietete die Blasbergsche Fabrik und hatte bald das ganze Werk für seine Fabrikation, die er immer mehr vervollkommnete, eingerichtet. Später widmete er sich dem damals im Baubetrieb aufkommenden verzinkten Eisenblech, dessen Fabrikation er einführte und verbesserte. Er begründete eine Fabrik in verzinkten Blechen, gerades und kombiniertes Wellblech, sowie Eisenkonstruktionen für Bahnhofshallen und andere Fabrik- und Lagerhallen in Rheinbrohl (Kreis Neuwied).

Das Werk wurde immer mehr vergrößert und in modernster Weise ausgebaut. Sein Wahlspruch war: "Verzinktes Eisen rostet nicht". Dafür hatte er in der ganzen Welt Reklame gemacht. Hilgers spielte längere Zeit in Lennep durch sein lebhaftes Wesen und seinen großen Geschäftsbetrieb eine große Rolle. Da die Lenneper Fabrikation der Wasch- und Wringmaschinen nur eine unbedeutende Abteilung des späteren großen Betriebes darstellte, wurde sie aufgegeben und die Fabrik auf dem Thüringsberg nebst Wohnhaus verkauft.In einem Wikipedia-Artikel  zum "Stahlbau Hilgers" heißt es u.a. "In den ersten Jahren fertigte Jacob Hilgers neben den Türschließern auch hauswirtschaftliche Geräte in seiner Schlosserei in Lennep. Während einer Rheinreise entdeckte er in Rheinbrohl das zum Verkauf stehende Klostergut Die Maas und erwarb es am 20. Februar 1867. Zwei Jahre später ließ er den ersten Neubau errichten und eröffnete die erste Verzinkerei in Deutschland." In Lennep ist dieser Jacob Hilgers, nicht zu verwechseln mit Personen der Lenneper Tuchfabrikantenfamilie Hilger, heute völlig vergessen. Die ganze Anlage wurde von dem Spinnereibesitzer und Junggesellen Albert Keller aufgekauft. Keller hatte 1876 die große Fabrikanlage der Firma Daniel Engels & Co. in Hammerstein bei Kräwinklerbrücke erworben. Er ließ sie nun zu einer modernen Spinnerei und später zu einer Filzfabrik umbauen. Die Fabrik am Thüringsberg diente als Lager und Kontor bis zum Tode Albert Kellers. Zeitweise war hier auch das Königliche Bezirkskommando untergebracht. Die Fabrikanlage wurde dann von Hermann Mühlinghaus aufgekauft.

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