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Channel: Waterbölles - Geschichte
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Nach dem Attentat funktionierte der Schornstein viel besser

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Seit wann die "Alte Wendung" als Ortschaft existiert, ist nirgendwo nachzuvollziehen. Als Industriestandort kommt man der Sache aber ganz nahe: Das geringe Quellwasser des Bornscheider Siefens ließ sich jedenfalls nutzen, und Heinrich Böker gründete dort auf Anraten des preußischen Handelsministers "von der Heydt" eine Dampfschleiferei. 1854 wurde ein mehrstöckiger Bau nebst verschiedenen Nebengebäuden auf einem Grundstück von 526 Ruten erbaut. „Quer unter der Fabrik geht ein gewölbter Kanal durch, welcher das Wasser aus dem hinter der Fabrik gelegenen Teich durch das Gebäude und unter der Chaussee her abführt", heißt es in einer alten Baubechreibung. Die Dampfmaschine mit 36 PS und zwei Dampfkesseln war optimal ausgelegt und kostete mit Montage 3900 Taler. Die Brüder Böker wussten, dass die Dampfkraft über das Wasser gesiegt hatte, dass der Fortschritt der Technik nicht aufzuhalten war. Der sture Remscheider wollte von dieser Neuerung aber ebenso wenig wissen wie einst von der Ablösung der schwersten Handarbeit durch die Wasserkraft.

 In diesem Sinne schrieb schon 1749 Friedrich der Große: "Wir halten es für einen dem gemeinen Wesen schädlichen .... "Handwerksmißbrauch, diejenigen Mittel, welche zur Erlangung eines wohlfeilen Preises gereichen, nicht zur Hand zu nehmen". Mit Einführung der Dampfkraft gab es zunehmend Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Sie gipfelte darin, dass die Handschleifer des Morsbachtales und die Solinger Schleifer, die ihre Schleifsteine mit Wasserkraft betrieben, um ihren Arbeitsplatz fürchteten. Die Stimmung war schließlich so angeheizt, dass einige verbissene Wasserschleifer in ihrer grenzenlosen Wut und ihrer Verzweiflung einen Gewaltakt in Erwägung zogen. Sie ließen sich dazu hinreißen, ein Faß Pulver bei Nacht in den Böker´schen Schornstein der Dampfschleiferei zu bringen, damit beim Anheizen des Kessels am nächsten Morgen die gesamte Anlage einschließlich der Dampfmaschine in die Luft ginge (ohne Rücksicht auf Menschenleben!). Es kam dann auch zur Explosion, aber zum Glück für die Gebrüder Böker erwies sich die Pulverladung als zu schwach, da der größte Teil der Gase durch die Einstiegsöffnung zum Schornstein entwich. 

Die Folge des mißglückten Sprengversuches war das Gegenteil des angestrebten Ziels, denn der Schornstein zog seitdem besser als vorher. Menschen kamen bei diesem Anschlag jedoch nicht zu Schaden.Wenig später war dann noch ein Schild an der Böker´schen Dampfschleiferei: "Ihr Schleifer freut Euch nicht so sehr, Der Kotten steht nicht lange mehr, Der erste Schuß ist nicht geraten, Der zweite wird den Böker braten!" Dieser zweite Anschlag wurde dann aber nicht mehr realisiert. Ein ungewöhnlich trockener Sommer zwang viele Schleifer, in der verhaßten Schleiferei Dienst zu nehmen. Sie taten es widerwillig und mit Auflehnung gegen die pünktliche und geregelte Arbeitszeit.

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