Nicht eine von langer Hand sorgfältig vorbereitete Volkserhebung war es, die das alte Regime (in der Endphase des Ersten Weltkriegs) zu Fall brachte. Es stürzte einfach in sich zusammen, nachdem die Matrosen der Kaiserlichen Marine gegen den von der Admiralität vorgesehenen ehrenvollen Tod" der Kriegsflotte revolutioniert hatten und diese Bewegung in dem kriegsmüden, ausgelaugten Land auf die Garnisonen des Heimatheeres und die Arbeiterschaft übersprang. Die Motive der Massen Ende Oktober/ Anfang November waren durchaus nicht revolutionär, sondern von elementarer Einfachheit - sie wollten Frieden, Brot und Arbeit". In Remscheid verlief die Novemberrevolution 1918/19 ohne Blutvergießen. Da es in jenen Tagen in Remscheid weder eine SPD-Organisation (sie wurde erst im Dezember neu gegründet) noch eine selbständige Spartakusgruppe gab (zum Jahresende trennte sie sich von der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und gründete die KPD), konnte die USPD den Machtwechsel ohne Konkurrenz organisieren. Daher kam es hier schon am Sonnabend (9. November) zur Bildung eines vorläufigen Arbeiter- und Soldatenrates (d. h. eines Gremiums, dessen Zusammensetzung zwischen den Funktionären der Arbeiterorganisationen - Partei und Gewerkschaften - ausgehandelt wurde), dessen 45 Mitglieder sich hauptsächlich aus Anhängern der USPD und der Spartakusgruppe rekrutierten sowie eines fünfköpfigen Vollzugsausschusses als dessen ausführendes Organ, besetzt mit führenden USPD-Männern. Am gleichen Tage noch nahm der Sicherheitsdienst des Arbeiter- und Soldatenrates in Form bewaffneter Arbeiter und Soldaten mit Polizeifunktion seinen Dienst auf. Über die Geschehnisse des nächsten Tages existieren keinerlei Angaben. Anzunehmen ist jedoch, dass dieser Sonntag dazu benutzt wurde, um Verhandlungen zu führen, die parteiinterne Auseinandersetzungen um die Machtfrage ebenso wie die Verteilung von Funktionen zum Gegenstand hatten.
De facto eingeleitet worden war die Revolution in Remscheid bereits am Sonnabend. Jedoch sollte es Montag darüber werden, so schildert es der Oberbürgermeister, bis der Arbeiter- und Soldatenrat - das aufgrund revolutionärer Legitimierung selbsterklärte nun oberste Hoheitsorgan auf lokaler Ebene - am 11. November 1918 hier in unserer Stadt die öffentliche Gewalt ergriff (und) erklärte, Leben und Eigentum zu schützen und für Ruhe und Ordnung zu sorgen."Nach den Recherchen von Erhard Lucas verlief der 11. November folgendermaßen: Bei allgemeiner Arbeitsruhe ab 9 Uhr sammelt sich eine ungeheure Menschenmasse vor dem 'Volkshaus', dem Bürohaus und Konferenzort der freien Gewerkschaften und der USP, und bewegt sich um 10 Uhr in einem endlosen Zug, an der Spitze ein USP-Stadtverordneter und Gruppen bewaffneter Matrosen und Soldaten, zum Kaiserplatz vor dem Rathaus. Dort singt der Arbeiterchor Kampflieder der Arbeiterbewegung, dann halten vier USP-Führer Ansprachen. Die Menge spendet begeisterten Beifall und stimmt ein in das Hoch auf das neue republikanische Deutschland, das die Redner zum Schluss ausbringen. Anschließend wird die Menge aufgefordert, die Zusammensetzung des vorläufigen Arbeiter- und Soldatenrates zu bestätigen; das USP-Blatt konstatiert einen 'Wald von Händen'. Dann begibt sich der fünfköpfige Vollzugsausschuss, begleitet von den USP-Stadtverordneten, ins Rathaus. Nach einer kurzen Rede eines U SP-Stadtverordneten, die vom Oberbürgermeister beantwortet wird, unterzeichnen Vollzugsausschuss und Oberbürgermeister . . . (eine) Urkunde . . . Während der feierlichen Szene wird auf dem Rathaus eine rote Fahne gehisst, was von der Menge mit einem neuen Begeisterungssturm begrüßt wird. Nach dem Unterzeichnungsakt verliest der USP-Führer Otto Brass vom Rathausbalkon aus die Urkunde (die am nächsten Tage in allen Zeitungen veröffentlicht werden musste), gibt die namentliche Zusammensetzung des Arbeiter- und Soldatenrates bekannt und bringt ein Hoch auf den internationalen Sozialismus aus. Weitere Darbietungen des Arbeiterchors, dann bewegt sich die Masse zum Volkshaus zurück und löst sich dort auf."
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