von Dr. Wilhelm R. Schmidt
Der Lenneper Baumeister, Architekt und Ingenieur Albert Schmidt, der Erbauer der Lenneper Panzertalsperre, dem an der Außenseite der Staumauer eine Gedenktafel gewidmet ist, hat in seinen umfangreichen Lebenserinnerungen die Entstehung und Entwicklung dieser Talsperre ausführlich beschrieben. An diesen Text habe ich mich - unter Weglassung des umfangreichen technischen Zahlenmaterials im Großen und Ganzen gehalten und ein paar historische Abbildungen der Entwicklungsstufen der Talsperre beigefügt. In dem niederschlagsreichen Jahre 1882 hatten sich in einzelnen Stadtteilen von Lennep eine Art typhösen Fieber leichterer Art entwickelt. Eine chemische und bakteriologische Untersuchung von 24 Brunnen ergab daraufhin, dass die meisten Brunnen ungenießbares Wasser enthielten; es war zum Teil sogar sehr stark durch Dungstoffe verunreinigt. Offenbar hatten häufige Flutaufschwellungen des Grundwassers im Jahre 1882 den Unrat aus den Dunggruben in die Brunnen geschwemmt (Bodenhygiene waren damals noch wenig verbreitet). Eine Untersuchung der Abortgruben durch die Baupolizei ergab, dass viele Gruben Überlaufrohre besaß, die die flüssigen Dungstoffe in die undichten Kanäle oder unterirdischen Wasserläufe leiteten.
Trotz des Widerstandes einiger Mitglieder fasste im Jahre 1883 der Stadtrat den Beschluss, eine Wasserleitung zu bauen. Da man über die Rentabilität der Anlage keine Gewissheit haben konnte, so übernahmen Männer mit weitem Herzen und weitem Blick eine gewisse Garantie, indem sie einen Teil der Kosten vorlegten, die erst dann verzinst werden sollten, wenn die Zinsen für die städtischen Auslagen durch den Betrieb eines Wasserwerkes gedeckt waren. Schon das erste Betriebsjahr zeigte, dass die hochherzige Hilfe unnötig war - es flossen Überschüsse in die Stadtkasse.
Talsperren durften damals noch nicht für Wasserleitungszwecke genutzt werden, weil die preußische Regierung deren Standfestigkeit anzweifelte. Die Stadt Lennep musste also eine Grundwasserleitung anlegen, und sie war wegen ihrer Höhenlage genötigt, in tiefer liegenden Tälern ihrer Umgebung Grundwasser zu sammeln und in hochliegende Behälter zu pumpen, um das Wasser allen Häusern zur Verfügung stellen zu können. Die Wassergewinnungsanlage wurde im waldreichen und nicht zu stark bebauten Panzerbachtal südöstlich der Stadt errichtet, einem zwei Quadratkilometer großen Niederschlagsgebiet, das den damaligen Bedarf an Grundwasser liefern konnte.
Die Anlage bestand aus einer Anzahl von Grundwasserbrunnen, die auf zwei Kilometer Länge im Tal verteilt waren, sie lieferten das Grundwasser zur Pumpenanlage an der Krebsöger Straße. Das Wasser wurde alsdann durch zwei mit Dampf betriebene Kolbenpumpen durch eine Rohrleitung von 2800 Metern Länge in den auf der Knusthöhe 100 Meter höher liegenden Hochbehälter gepumpt und in das Stadtrohrnetz und die Verwendungsstellung geleitet.
Im Frühjahr 1893 erlebte Lennep seine längste Trockenperiode ohne jeden Niederschlag. Vom 20. März an hatte es in 42 Tagen keinen Tropfen geregnet, und auch dann bis zum Juli nur äußerst wenig, so dass eine große Dürre entstand, in der der Grundwasserzufluss bis zum äußersten Minimum herabsank und die Wasserleitung versagte. Unterdessen war die Talsperrenidee durch Professor Intze in Aachen und Albert Schmidt seit 1887 soweit gefördert worden, dass die Regierung für Talsperrenmauern die Genehmigung nicht mehr versagen konnte.
Am 16. Juni 1893 beschloss der Stadtrat, eine Talsperre von 117.000 Kubikmeter Wasserinhalt zu erbauen. Die Baupläne waren schon während der Beratungen fertiggestellt worden, die Genehmigung durch die Regierung wurde nicht abgewartet, der Bau sofort begonnen und so eifrig gefördert, dass das Becken durch die Herbstfluten schon befüllt werden konnte. Als die Genehmigung erfolgte und ein Regierungsbaumeister zur Bauleitung ernannt wurde, war das Becken schon voll und lief kräftig über.
Durch den im Jahre 1894 erfolgten Anschluss der Stadt Lüttringhausen und später der Eisenbahn, die das zur Kesselspeisung geeignetere Talsperrenwasser ihrem eigenen Brunnenwasser vorzog, stieg der Wasserverbrauch im Jahre 1904 so sehr, dass der Wasserinhalt der Talsperre von 117 000 Kubikmeter nicht mehr ausreichte, den Bedarf in einer sehr langen Trockenperiode zu decken. In der sechs Monate dauernden Trockenperiode des Jahres 1901 war der Wasservorrat bis auf 6.000 Kubikmeter gesunken, so dass das Wasser nicht mehr einwandfrei war und man daran denken musste, eine Erweiterung der Talsperrenanlage vorzunehmen. Es wurde damals angenommen, dass der Wasserbedarf in 20 Jahren auf 500 000 Kubikmeter steigen würde, und dass man bei weiterer Entwicklung im benachbarten Feldbachtal eine neue Talsperre bauen könnte, deren Höhenlage so bemessen würde, dass eine Stollenverbindung beide Becken vereinigte. Die vorhandene Talsperre soweit zu erhöhen, dass die zur Verfügung stehenden Wassermengen des Panzertals voll ausgenutzt werden könnten, war nicht möglich, da der linksseitige Bergabhang eine zu geringe Steigung hatte und der Felsuntergrund ungeeignet war. Es also beschlossen, eine Erhöhung der Talsperrenmauer um 3,25 Meter vorzunehmen und zur Erreichung der Stabilität zwölf mächtige Pfeiler von je drei Metern Breite und acht Metern am unteren Vorsprung vorzubauen, die durch ein System von Verspannungsgewölben unter sich und mit der alten Mauer verbunden waren. So entstand 1904 und 1905 - eine Premiere - eine äußerst solide bogenförmige Verspannungskonstruktion zwischen den Felsabhängen des Tales. Sie fand einschließlich eines Vorbeckens und Berieselungswiesen zur Vorreinigung des Bachwassers den vollen Beifall des Ministeriums. Die Anlage bestand nun aus einem Hauptbecken von 300.000 Kubikmetern Wasserinhalt und zwölf Metern Wassertiefe sowie einem Vorbecken von 30.000 Kubikmetern Inhalt mit fünf Meter Wassertiefe, dessen Wasserspiegel 2,5 Meter höher lag.