von Uwe Blass
Herr Fallgatter, Sie beschäftigen sich an Ihrem Lehrstuhl für Personalmanagement und Organisation *) u.a. mit Management-Erfolg und dessen Entwicklung. Woran erkennt man denn ein erfolgreiches Unternehmen?
Fallgatter: Die Frage nach Unternehmenserfolg wird in der Betriebswirtschaftslehre meistens mit finanzwirtschaftlichen Kennziffern beantwortet. Umsatz, Gewinn oder Rentabilitäten rücken damit in das Zentrum. Wo aber bleiben die gerade für Familienunternehmen so wichtige Verantwortung für die Belegschaft oder die von vielen Unternehmen verfolgten Nachhaltigkeitsbeiträge? Das heißt, finanzwirtschaftliche Indikatoren zeichnen für sich genommen ein verkürztes Bild unternehmerischer Realität. Sie müssen vor dem Hintergrund anderer Ziele interpretiert werden.
Zudem wird man ein erfolgreiches Unternehmen nicht nur anhand der bisherigen Geschäftstätigkeit bemessen, sondern auch an dessen Erfolgspotenzialen. Analyse, Prognose und Gestaltung der Wertschöpfung sind hier die Stichworte. Wie aber lassen sich positive Zukunftsaussichten bemessen? Dazu trägt die Analyse relevanter und bestandssichernder Ressourcen bei. Solche Ressourcen sind bspw. Human Ressourcen, Kapital oder Vorprodukte. Man erkennt, dass andere Personen und Institutionen den Ressourcenzugang prägen und entziehen können. Entsprechend ist es gerechtfertigt von Anspruchsgruppen oder Stakeholdern zu sprechen. Haben diese positive Erwartungen, dann werden sie auch weiterhin Ressourcen bereitstellen. Zukünftiger Unternehmenserfolg setzt damit die Zufriedenstellung von Anspruchsgruppen voraus.
Dies lässt allerdings noch keine Aussage über Wettbewerbsstärke und künftigen Erfolg zu. Erfolgspotenziale resultieren aus der Kombination verschiedener Ressourcen. Immer bilden Humanressourcen und das damit verbundene Wissen den Ausgangspunkt. Hinzu treten die Entwicklung unternehmensspezifischer Werte, die bspw. Dienstleistungsqualitäten oder Vorstellungen über die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen definieren. Auch Erfahrungen, Reputation und bewährte organisatorische Lösungen lassen sich als relevante Ressourcen klassifizieren. Idealerweise entstehen Kernkompetenzen, die eine eigene und im besten Fall eine einzigartige Qualität darstellen. Manche Unternehmen sind besonders schnell bei der Sicherstellung von Servicequalität, andere sind stark bei der Schaffung immer neuer und qualitativ hochwertiger Produkte und andere beherrschen die Optimierung von Abläufen. Der Weg hin zu solchen Kernkompetenzen ist langwierig. Sie lassen sich am besten durch drei Merkmale erfassen. Sie sind historisch gewachsen, sozial komplex und oft auch kausal unverstanden. Das heißt, man kann gar nicht genau sagen, welche Personen, in welcher Art und Weise zu derartigen Kräften beitragen. Entsprechend handelt es sich um Wettbewerbsvorteile, da sie nur schwer und zumindest nicht kurzfristig kopierbar sind. Man sieht, Unternehmenserfolg und dessen Entwicklung sind nicht einfach bestimmbar.
Sie haben 2020 ein Buch zu diesem Thema unter dem Titel „Management und Managementerfolg“ herausgebracht, in dem Sie sich auch mit Managementfehlern auseinandersetzen. Was kann denn z.B. Unternehmen in die Schieflage bringen?
Fallgatter: Man liest viel über Managementfehler. Im Nachhinein sind solche Aussagen immer einfach. Betrachtet man die Unsicherheit von unternehmerischen Entscheidungen so sind Managementfehler nicht mehr so einfach zu bestimmen. War es vor einigen Jahren ein Fehler, auf die Stabilität von Lieferketten zu vertrauen oder mit einem moderaten Gaspreis zu kalkulieren? Anders sieht es aus, wenn bspw. Unternehmensübernahmen an der schwierigen Vereinbarkeit von Unternehmenskulturen oder an nicht passenden Personalmanagementstrukturen scheitern. Das sind keine seltenen Fälle. Mein Lehrbuch bietet dafür Lösungen an.Typische Managementfehler sehe ich vielmehr in grundlegenden Haltungen von Führungskräften. Sie führen oft dazu, dass Potenziale von Mitarbeitenden ungenutzt bleiben. Das geht letztendlich nicht nur zu Lasten von Unternehmen, sondern auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Menschliche Grundkonstanten, wie das Streben, sich einzubringen, gehört zu werden und Verantwortung zu übernehmen geraten in den Hintergrund. Werden Individuen als „Low Performer“ klassifiziert, dann stelle ich immer die Frage, sind die Menschen so oder sind sie das Ergebnis einer einengenden Struktur? Sind erst Misstrauensstrukturen in Unternehmen etabliert, so produzieren sie schwache Leistungen und damit das, was sie begrenzen sollen. Derartige Haltungen von Führungskräften sind für mich die eigentlichen Managementfehler.