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Zwei Tote bei Jungfernfahrt auf dem Mühlenteich

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Heintjesmühle. Foto: Frau OsthoffWir spazieren im Eschbachtal unterhalb Elishammer links ein paar hundert Meter das Tal empor Richtung Polhausen und kommen an einen Teich. Der Löwenteich bei Pohlhausen war das Wasserreservoir der Heintjesmühle. Von hier aus geht man am Heintjesmühler Bach entlang nach unten und kommt nach etwa 300 Metern an die alte Heintjesmühle. 1692 wird sie schon im Mühlenkataster von Schloss Burg erwähnt. Zu dieser Zeit gehört sie einem Heinrich Ernemann von Bliedinghausen. 1751 ist sie als Getreidemühle des Joh. Forster mit zwei Mahlgängen nachzulesen. Ernemann wollte die Getreidemühle in eine Ölmühle umgestalten, was ihm aber unter Hinweis auf das Privileg der Burger Ölmühle "zum Steg" 1745 nicht genehmigt wurde. Am 10.9.1806 verkauft laut Gerichtsakten des Amtes Bornefeld ein Abraham Elisa Veshof die Heintjesmühle an Heinrich Weber für 2.150 Reichstaler. 1829 ist er immer noch der Besitzer. Am 18. August 1839 ist im Lenneper Anzeiger ein Aufruf gedruckt mit folgendem Inhalt: "Am Donnerstag den 29. dieses, nachmittags 2 Uhr, im Hause des Königl. Postverwalters Herrn Peter Holterhoff dahier soll ein Verkauf stattfinden.“ (…) Es ging um die Heintjesmühle, „worüber die Bedingungen bei dem Unterzeichneten, und die Karte bei den Herren Verkäufern einzusehen sind. Rieger, Notar". In der Remscheider Regierungsliste ist die Mühle 1853 aufgeführt als Fruchtmühle von David Hasenclever. Offensichtlich hat dieser die Mühle damals gekauft. 1867 ist die letzte Eintragung nachzulesen. Sie wurde schon vor 1900 stillgelegt.Bei meinen Recherchen habe ich in den Remscheider Nachrichten vom 28.10.1931 einen sehr informativen Artikel gefunden, der das damalige Leben und Treiben um damalige Zeiten sehr authentisch wiedergibt:

Heintjesmühle im Jahre 2004. Foto: G. SchmidtAm Heintjesmühler Bach, der vom Säulenstiel herabkommt und am Schlepenpohl in den Eschbach mündet, liegt idyllisch, zwischen bewaldeten Bergen fast versteckt eine uralte Zwangsmühle, die Heintjesmühle. Das L-förmige Mühlengebäude ist mit Ausnahme der an den Berg angelehnten beiden Flügel zweistöckig. Es steht äußerlich auch heute noch in seiner ursprünglichen Form da, aber nichts an ihm und in seiner Umgebung erinnert noch an den ehemaligen Mühlenbetrieb. Selbst der grabenförmige untere Mühlenteich, aus dem das Eishaus des Wasserrades gespeist wurde, ist spurlos verschwunden und die inneren Räume dienen jetzt sieben oder acht Familien als Wohnungen. Vor 50 Jahren war die Mühle noch in Betrieb. Sie sah viele Besitzer kommen und gehen, denn in regenreichen Zeiten pflegte sie unter Arbeitsmangel und in arbeitsreichen Zeiten unter Wassermangel zu leiden, obgleich sie knapp 300 Meter talaufwärts in Form einer kleinen Talsperre über einen Wasserspeicher von beträchtlicher Größe und Tiefe verfügte. Dieser große obere Mühlenteich ist noch vorhanden und wird heute zur Fischzucht benutzt. Unter dem letzten Müller baute ein unternehmender Feilenhauer in einer Waldlichtung neben dem großen Mühlenteich, nach eigenen Plänen, aus Balken, Flechtwerk und Lehm ein Haus. Er hatte gute, auf Kriegskameradschaft beruhende Beziehungen zu dem Bürgermeister und späteren Oberbürgermeister Ludwig von Bohlen. Und als das Haus fertig war, eröffnete er darin einen, nach ländlichen Begriffen wenigstens, alten Anforderungen der damaligen Neuzeit gerecht werdenden Schauwirtschaftsbetrieb mit Trinkwasserleitung, Kegelbahn usw. Die Schankräume entsprachen in der Höhe zwar nicht ganz den heutigen baupolizeilichen Vorschriften, waren aber immerhin so hoch, daß der höchste hier zuweilen einkehrende Gast, Herr Ludwig von Bohlen, mit abgenommenem Hut noch eben aufrecht darin zu stehen vermochte., ohne an der Decke zu schrammen.

Geschäftstüchtig, wie er war, wußte der Wirt und Feilenheuer den großen Mühlenteich für Bade-, Eis- und Wassersport auszunutzen. Das heißt, den Sport überließ er seinen Gästen, er selbst betätigte sich nur als Veranstalter. Das dichte Gestrüpp am Teichufer bot der ländlichen Sittlichkeit genügend Gelegenheit zum An- und Auskleiden, machte also jede Art von Badezellen überflüssig. Die Badeanstalt erforderte daher im Wesentlichen nur ein Sprungbrett. Damit nun auch der Wassersport nicht zu kurz käme, baute der Wirt vor 53 Jahren (1878) aus vier Petroleumfässern, Balken, Brettern und Latten ein Fahrzeug mit Unter- und Oberdeck. Vom Unterdeck führte eine Treppe oder Leiter zum Oberdeck. Die Einweihung war natürlich ein ganz großes sportliches Ereignis. Leider kamen dabei zwei junge Mädchen, die auf dem Oberdeck saßen und des Schwimmens unkundig waren, ums Leben. Das Schiff kippte auf seiner Fahrt plötzlich vollständig um, so daß die Fässer nach oben zu liegen kamen und die beiden Mädchen von dem Geländer des Oberdecks fest in den Teichschlamm gedrückt wurden.

Dieses Unglück verdarb dem Wirt die Freude an der Schiffahrt gründlich. Als Mitglied des Bliedinghauser Landwehrvereins verlegte er sich deshalb auf den Schießsport, wozu sich die große Wasserfläche des Mühlenteiches ebenfalls vortrefflich eignete, weil sie die wünschenswerte freie Übersicht bot und auch niemand in die Schussbahn gelangen ließ. Seitdem knallten in den 1880er Jahren jeden Pfingsten vor der Wirtschaft unter der Leitung des Vereinsprotektors Reinhard Mannesmann die Scheibenbüchsen, und ihre Kugeln pfiffen über die größte Diagonale des Mühlenteiches hinweg auf eine am jenseitigen Berge aufgestellte Scheibe mit sicherer Deckung für die Melder.

Vor 51 Jahren baute sich unweit der Wirtschaft in ähnlichem Stil, noch ein Feilenhauer an. Wie der Wirt sich eines sehr vornehmen Gastes rühmen konnte, hatte der Nachbar einen äußerst feudalen Mieter in der Person eines echten Freiherrn von ..., der, man wußte nicht, wie - aus seinen hochadeligen Verhältnissen unters Fußvolk gekommen war und mit dem eben genannten prominenten Gast nur noch den Vorzug hoher Geburt gemein hatte. Diesem Edelmann mußten es wohl die lieblich duftenden unerschöpflichen Fleischtöpfe seines Vermieters angetan haben. Sein Hausherr war nämlich im Nebenberuf Pferde- und Hundemetzger. Von all seinem ehemaligen Glanz war dem Herrn Baron nur ein alter steifer Hut und ein ebenso alter Gehrock geblieben, worin er in Verbindung mit einem verblüffend vornehmen Gang sein adliges Prestige aufrecht erhielt. Sein Hausherr, der Feilen- und Roastbeeflieferant, besaß eine nicht so sehr durch Schönheit ausgezeichnete bessere Hälfte, von der er, als galanter Ehemann, ganz unverfroren behauptete, sie sei "dat beste Weit ut däm Küten" gewesen. Was ihr aber an äußeren Reizen abging, ersetzte sie reichlich durch Tugenden. Sie war eine sehr sparsame und fleißige Frau, eine pflichttreue Gattin und Mutter. Bei Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Eheherrn wußte sie ihn durch freundliches Zureden, wie z.B. "ech schlonn dr de Knoken em Balj kaputt", ihren Willen gefügig zu machen. 

Doch zurück zur Mühle: Wenn sie in Betrieb war, hörte man schon von weitem, auf der Höhe der sie umgebenden Berge ihr trauliches, kastagnettenartiges Klappern. Ihrem Grunde entspringt irgendwo ein stets gleichmäßig fließender Quell des köstlichen Trinkwassers, der auch heute noch an der unteren Außenseite des Mühlengebäudes in ein mit der Hand bequem erreichbares Becken plätschert. Der seiner Zeit sehr geschätzte Kinderarzt Dr. Zimmermann ging an dieser Quelle nie vorbei, ohne einen Trunk daraus zu nehmen. Im Erdgeschoß der Mühle drehte sich die Achse des großen Wasserrades und setzte durch ein Winkelrädergetriebe den senkrechten, sogenannten Königsbaum in Bewegung. Oben auf dem Königsbaum drehte sich ein großes, waagerechtes Zahnrad, von dem die beiden im Obergeschoß liegenden Mahlgänge ihren Antrieb erhielten. Jeder Mahlgang bestand aus einem harten und einem weichen Mühlstein, denn zwei harte Mühlsteine mahlen nicht zusammen. Daher die sprichwörtliche Redensart: "Do sind die twei Haden (eigensinnige Köpfe) opien geroden". Unter den Mahlgängen, rechts und links vom Königsbaum, hingen die Säcke zum Auffangen des gemahlenen Getreides. Gemahlen wurde hauptsächlich Roggen, aus dem, soweit er nicht als Viehfutter Anwendung fand, im anstoßenden "Bakkes" Schwarzbrot gebacken wurde. An den Backtagen teilte sich der würzige Brotgeruch dem ganzen Tal mit. Mein Vater, der sich der furchtbaren Missernte von 1847 und der daraus folgenden Not noch erinnerte, pflegte zu erzählen, wie man damals hungernde Kinder in die Backstube geführt habe, um mit dem Brotgeruch ihren Hunger zu stillen, oder doch zu betäuben. Daß der Back- und Kochgeruch eine gewisse sättigende Wirkung ausübt, ist ja eine jeder Köchin bekannte Tatsache.

Als 1882 die altersmorsche und schiefe Mühlenscheune aus Fachwerk, mit ihren Kuh-, Schweine- und Hühnerställen abgebrochen wurde und der Mühlenbetrieb einging, fand man bei den Aufräumungsarbeiten einen alten Mühlstein mit der Jahreszahl 1710. das ist alles, was wir von dem Alter der Mühle wissen. Wahrscheinlich ist sie aber noch bedeutend älter. An Romantik hatte diese Mühle, glaube ich, wenig ihres gleichen. In meiner jugendlichen Phantasie erschien sie mir darum auch immer als das Urbild der berühmten Eichendorff´schen Mühle. "In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad, mein Liebchen ist verschwunden, das dort gewohnet hat". (Peter Ehlis, Heintjeshammer)  (aus: Hämmer- und Kottenforschung in Remscheid. Herausgegeben von Günther Schmidt, Band 5 - Vom Blombach bis Eschbach)


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