"1794 annektierten die Franzosen das linksrheinische Rheinland. Da war mein Ur-Ur-Großvater Johann Friedrich, Hammerschmied (im Diepmannsbachtal), 24 Jahre alt, noch unverheiratet und besuchte die Albertus-Magnus-Universität zu Köln - und wie es sich gehörte auch die dortigen Karnevalsbälle. Dort lernte er auch einige französische Besatzungsoffiziere kennen, freundete sich mit einigen an, und die Freundschaft hielt über den Karneval hinaus an. Es kam zu Gegenbesuchen, und er lud sie auch nach dem nicht sehr weiten Remscheid ein, und man besichtigte auch die Hammerschmiede am Goldenberger Grund. Die Franzosen, teils aus dem nahen Grenzgebiet zwischen dem heutigen Luxemburg, Frankreich und Deutschland stammend, verstanden Deutsch, und Johann Friedrich hatte Französisch auf der Schule gelernt. Eine ganz normale lockere Bekanntschaft. Bis das französische Militär nach einem weiteren Besuch Wünsche nach kleinen, mobilen Ambossen, für den Hufbeschlag mit Stahlplatten versehen, möglichst nicht über zehn bis 15 Kilogramm schwer, und nach Radschlagringen für die Lafetten, äußerten. Johann Friedrich möge doch bitte ein Angebot machen, zunächst über die Ambosse.
Johann Friedrich wusste um die Gefahr, denn es handelte sich ja um eine Belieferung des Feindes, der seine Schmiedeteile in Kriegen einsetzen würde. Er war sich aber auch im Klaren, dass die Franzosen ruckzuck auch das benachbarte Bergische Land besetzen konnten, dann würde ein solches Geschäft kaum zu Stande kommen. Oder wenn doch, dann unter repressalischem Druck und mit weniger Profit.
Alles lief weitestgehend glatt, man ging zu einem Kölner Notar, der sein Siegel unter die Dokumente setzte. Die Kosten des Notars trugen widerstrebend die Franzosen, und man gab bei ihm weitere Unterzeichnungen in Auftrag, um dessen Kosten zu minimieren, was den Notar verwunderte, Johann Friedrich aber erfreute. Der Tag der ersten Lieferung wurde vereinbart, und JF ritt sofort zurück, um früh am nächsten Tag alles in die Wege zu leiten.
Am Tag des Liefertermins rückten die Franzosen an mit insgesamt fünf Reitern, davon zwei Quartiermeister, einer von einem anderen Regiment, und mit einem Transportwagen. Die Ware wurde gewogen, geprüft auf eventuelle Rissstellen und Belastbarkeit, an Ort und Stelle verpackt, verladen, und die Fracht-, Zoll- und Ursprungspapiere wurden übergeben, und auch das Geld wurde kassiert.
Johann Friedrich machte in den Folgejahren glänzende Geschäfte mit den französischen Besatzern. Aber Neid begleiteten das Geschäft, er sah sich gezwungen, Chargen an seinen unmittelbaren Nachbarn, die Hammerschmiede Kuhler, abzugeben, um zumindest einen Verbündeten zu haben und um nicht total gesellschaftlich isoliert zu werden. Natürlich waren die Franzosen in erster Linie auf gute Geschäfte aus, aber ein willkommener Nebeneffekt war das Auskundschaften der Verbindungswege zur Vorbereitung der Okkupation, welche 1805/1806 erfolgte, fast ohne Gegenwehr. Johann Friedrich warf man vor, dieser Vorschub geleistet zu haben durch seine Zusammenarbeit mit dem Feind. (Auszüge aus „Villa Goldenberg“, 207 Seiten mit Fotos und Stammbaum, Verlag Der Rheinländer, ISBN 978-3-942035-04-0, © Bernd Kleuser, Auf Jägert 1, 53572 Unkel.)