von Armin Breidenbach
Wie im Jahre 2009 Anfragen beim Polizeipräsidium Wuppertal und beim Landesarchiv Nordrhein-Westfalen in Duisburg (damals mit Sitz in Düsseldorf) ergeben hatten, waren die Gefangenenbücher (Aufnahmebücher) der Polizeigefängnisse in Remscheid, Wuppertal und Solingen aus den Jahren 1933 bis 1945 damals „nicht mehr auffindbar“. Dieser Umstand wirkt sich bei der Erforschung der Schicksale der Verfolgten des Nazi-Regimes aus dem Bergischen Land sehr ungünstig aus; denn diese Bücher hätten einen ersten, vermutlich sogar lückenlosen Überblick über die damals aus politischen oder anderen Gründen Festgenommenen liefern können. Vor diesem Hintergrund war es eine kleine Sensation, als 2018 das „Gefangenenbuch (Aufnahmebuch) des Polizeigefängnisses Remscheid von 1944/45“ von einem Remscheider Lokalhistoriker zufällig im Internet als Angebot eines Hamburger Militaria-Händlers entdeckt und einige Zeit später von der Stadt Remscheid angekauft wurde. Stadtdirektor Sven Wiertz ist es zu verdanken, dass das Aufnahmebuch für das Archiv der Stadt Remscheid angekauft wurde: „Es ist ein unscheinbares Buch, dessen Einband im Laufe der Jahre mit Klebestreifen befestigt wurde und nun aufgetaucht ist. Sein Inhalt hat höchsten historischen Wert für Remscheid.“
Das Aufnahmebuch, das den Zeitraum zwischen dem 1. März 1944 und der Befreiung Remscheids am 15. April 1945 erfasst, ist mittlerweile im Historischen Zentrum Remscheid archiviert und kann dort zu wissenschaftlichen Zwecken eingesehen werden. Es ist auch deswegen wichtig, weil im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 auch in Remscheid Verhaftungen stattgefunden haben: In der reichsweiten Gestapo-Aktion ‚Gewitter‘ wurden auch Remscheiderinnen und Remscheider verhaftet und in das hiesige Polizeigefängnis an der Uhlandstraße eingeliefert. Für den 22. August 1944 findet man beispielsweise mehrere Eintragungen in das Aufnahmebuch, unter anderem mit Hinweis auf den Haftgrund ‚Verfügung des Reichsicherheitshauptamtes' (sic!)."
Sven Wiertz empfahl damals dringend, das Gefangenenbuch des Polizeigefängnisses Remscheid „sauber zu transkribieren, also den Text so abzuschreiben, dass ihn jedermann lesen” könne. Inwieweit diese Empfehlung von Sven Wiertz mittlerweile umgesetzt werden konnte, ist nicht bekannt.
Im Folgenden soll exemplarisch auf das Verfolgungsschicksal von acht Männern und drei Frauen näher eingegangen werden, die 1944/45 zeitweise im Polizeigefängnis Remscheid eingesperrt und damals auch alle in dem Gefangenenbuch des Polizeigefängnisses Remscheid erfasst worden waren.
Der Maurer Karl Scheithauer, der am 24. Oktober 1899 in Wronin/Oberschlesien geboren wurde, wurde am 2. August 1944 festgenommen und in das Polizeigefängnis Remscheid eingeliefert, weil er „Ostarbeiter“ (das waren vor allem Russen, Belarussen und Ukrainer) aufgefordert hatte, nach Polen zu den Partisanen zu gehen. Außerdem hatte er gesagt, dass Deutschland den Krieg verlieren würde. Karl Scheithauer, der im Aufnahmebuch des Polizeigefängnisses Remscheid von 1944/45 unter der Nummer 695/1944 erfasst ist, wurde am 4. August 1944 „nach eindringlichster staatspolizeilicher Warnung“ aus der Haft im Polizeigefängnis Remscheid entlassen.
Die ehemalige Lehrerin Hedwig Scheufler, geb. Wallbrecher, die am 15. Juli 1891 in Remscheid geboren wurde und parteilos war, wurde am 6. Oktober 1944 aufgrund einer Denunziation wegen Abhörens von ausländischen Nachrichtensendern („Feindsendern“) festgenommen und in das Polizeigefängnis Remscheid eingeliefert. Am 9. Oktober 1944 wurde sie für kurze Zeit aus der Haft entlassen, da ihr Sohn sie anlässlich eines Fronturlaubs besuchte. Sie wurde jedoch am 28. Oktober 1944 erneut festgenommen und in das Polizeigefängnis Remscheid eingeliefert. Hedwig Scheufler gehört zu denjenigen, die mehr als einmal in das Polizeigefängnis in der Uhlandstraße eingeliefert wurden; sie ist im Aufnahmebuch unter den Nummern 912/1944 und 971/1944 registriert. Am 3. Dezember 1944 wurde sie vom Gefängnis Remscheid in das Gefängnis Wuppertal überstellt, wo sie in Untersuchungshaft war.
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