Die Feile wird schon vor 1800 hergestellt. Von Bedeutung ist ihre Produktion aber erst um 1850. Ihr Rohmaterial ist Flussstahl, für die feineren Sorten Gussstahl. Mit Hilfe von Formgesenken werden die Rohlinge im Hammerwerk ausgeschmiedet. Nach dem Ausglühen, Richten und Schleifen erfolgt der Hieb mit Hilfe eines gröberen oder feineren Meißels. Bis 1891 war das ausschließlich die Arbeit des Handhauers mit seinem eigenartigen Hammer. Damals gab es an die 2500 Feilenhauer. In ihrer kleinen Werkstelle mit den charakteristischen großen Fensterflächen, oft im Souterrain oder »Versprong« gelegen, verrichteten sie ihr eintöniges, zwölf- bis vierzehnstündiges Tagewerk. Dabei hatte Mannesmann schon 1850 die ganze Feilenfabrikation zu einem zentralisierten Betrieb vereinigt. Diese Entwicklung verstärkte sich von 1870 an.
Bis zum Weltkrieg blieb die Remscheider Industrie wegen der Vielfältigkeit der Artikel, Unterschiedlichkeit der Arbeitsgänge, die eine Formulierung der Forderungen erschwerten, von Streiks weitgehend verschont. Nur die Feilenhauer, die einen Verein gegründet hatten (er bestand bis 1908), führten heftige Arbeitskämpfe. 1872 und 1873 streikten sie. Die Feilenfabrikanten unter Führung der Firma A. Mannesmann antworteten, soweit es sich um Feilenhauer ihrer Fabriken handelte, mit Aussperrung. Doch die günstige Konjunktur bescherte den Arbeitern tarifliche Erfolge, die sie erst in der Zeit der nachfolgenden Depression wieder einbüßten. Als der Streik 1873 fast das ganze Remscheider Wirtschaftsleben lähmte, übertrug die Arbeiterschaft die Entscheidung in den auch noch nach Monaten strittigen Punkten dem von ihr hochverehrten Reinhard Mannesmann, also einem Fabrikanten. Seine Vorschläge wurden angenommen. Dieses Faktum ist bezeichnend für die damalige Seelenlage der streitenden Parteien. Noch empfand man sich nicht als Gegner, sondern als Streiter auf ein und demselben Felde.
Wie anders wäre sonst die Unterstützung der Gewerkschaftsbewegung in den 1890er Jahren durch einen Teil der Arbeitgeber zu verstehen gewesen? Die Vereinigungen der Arbeiter gingen langsam in Gewerkschaften über, aber die zerstreute Lage der Arbeitsstätten und die große Zahl der kleinen Betriebe erschwerten deren Arbeit. Die Fabrikanten aber akzeptierten die tarifliche Verpflichtung, niemand Arbeit zu geben, der nicht Mitglied im Feilenhauerverein war. In einer gemeinsamen Satzung - auch dies damals noch möglich - erklärten Fabrikanten und Feilenhauer es für verbindlich, weder unter Tarif arbeiten zu lassen noch zu arbeiten. Diese Bestimmung schuf die Voraussetzung für die Unternehmer, gegen den qualitätsverschlechternden Wettbewerb, der auf Löhne und Preise drückte, vorzugehen.
Aber auf den großen industriellen Aufschwung, der mit dem Einzug der ersten Dampfmaschine 1853 in die Fabrik der Gebrüder Böker an der »Alten Wendung« begonnen hatte, folgte eine wirtschaftliche Krise, die 1889/90 einen Höhepunkt erreichte. Diese Situation führte zu einer Verhärtung der Fronten auf beiden Seiten. Der Feilenhauerstreik von 1903 wurde zu einer ernsten Kraftprobe. Noch schlimmer war es 1911, als der Streik über ein halbes Jahr dauerte. Der Arbeitgeber-Verband lehnte lange Zeit jede Verhandlung mit dem Metallarbeiter-Verband wegen dessen marxistischer Orientierung ab. Erst 1918 konnte es zum ersten Tarifvertrag für die Metallindustrie kommen. Viele Männer waren bis zu dieser Übereinkunft dem harten Existenzkampf nicht gewachsen und verfielen der Trunksucht. Arbeiterfeindliche Zeitungen zeigten in gewiss unzulässiger Verallgemeinerung zu jener Zeit den Proletarier gern mit der Ballonmütze und der Schnapsflasche in der Rocktasche. Aber eine Vielzahl von Familien musste doch unter dem Alkoholmissbrauch des Ernährers leiden, und die Arbeiterorganisationen führten dagegen einen energischen Kampf. Solche Begleiterscheinungen des Siegeszuges der Maschine, unter denen die an Selbständigkeit gewöhnten Remscheider in großer Zahl besonders litten, dürfen nicht verschwiegen werden, und auch nicht, dass früher die Ausnutzung der Lehrlinge in Klein- und Mittelbetrieben als billige Arbeitskraft gang und gäbe war. In der Kleinindustrie waren Jungen beschäftigt, die im Haushalt des Arbeitgebers untergebracht und verköstigt wurden. Meist waren es Jungen, die in Hessen angeworben worden waren. Die Hesseninsel auf dem Markt verdankt ihren Namen diesen Jungen, die sich dort am Sonntagmorgen nach dem Kirchgang trafen.
Die Remscheider Industrie ist bis in die Gegenwart in ihrem Schwerpunkt eine Werkzeugindustrie geblieben. Der Anteil der Frauen in den Belegschaften der eisenverarbeitenden Industrie war in den früheren Jahren wegen der hohen körperlichen Anforderungen verschwindend gering, doch als mit dem Ersten Weltkrieg wegen der Rekrutierung Männermangel in den Betrieben entstand, mussten die Frauen einspringen, und in manchem Unternehmen, das völlig auf Rüstungsproduktion umgestellt war, beherrschten sie die Szene allein. Nach dem Zusammenbruch 1918 war eine der ersten Maßnahmen der Volksbeauftragten die Einführung des Achtstundentages, der wenig später die »Verordnung über die Tarifverträge« folgte. Zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern begannen von Staats wegen geordnete Zeiten. (aus: Remscheid so wie es war, von Dr. Gerd Courts, erschienen 1974 im Droste Verlag.)