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Wilhelm Conrad Röntgen war niemals ein Musterknabe

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Aus: „Bergische Wegbahner. Persönlichkeiten und Geschlechter aus Remscheid, Lennep und Lüttringhausen“.
Herausgegeben 1951 vom Vorstand des Bergischen Geschichtsvereins e.V. Abteilung Remscheid.

von Dr. Wilhelm Rees

Während die Gestalt eines Dichters in seinem Werke aufsteht, bleibt das Bild des exakten Wissenschaftlers und Entdeckers nur zu oft im Dunkeln und bedarf der besonderen direkten Belichtung, dass es strahlkräftig wird über seine Zeit hinaus. Die Erinnerung an die weltweite Entdeckung Röntgens, die bis in unsere Tage der Atomphysik nachwirkt, wachzuhalten, ist nicht not. Aber allein schon die Dankbarkeit gebietet, der Persönlichkeit des großen, eng mit unserer Stadt verbundenen Gelehrten zu gedenken, dessen Geisteshaltung und Lebensführung in ihren Grundzügen exemplarisch erscheint für die Menschen des Bergischen Landes und einen Appell bedeutet für die kommenden Geschlechter. Es nimmt bei der Grundbegabung des bergischen Menschen für ein pionierhaftes praktisches Schöpfertum, das mancherlei Bausteine; zu unserem Zeitalter der Technik beigesteuert hat, nicht weiter wunder, dass die Maschinenlandschaft des Wuppervierecks in W. C. Röntgen auch einen Klassiker der Physik hervorgebracht hat.

W. C. Röntgen erblickte am 27. März 1845 in der alten Stadt Lennep als Sohn des Kaufmanns Friedrich Conrad Röntgen und seiner Ehefrau Constanze, geb. Frowein das Licht der Welt. Da seine Eltern bereits im Jahre 1848 unsere Hügellandschaft mit den Niederlanden tauschten und in Apeldoorn ansässig wurden, könnte der Gedanke wachwerden, dass der spätere Gelehrte in gar keinem innerlichen Verhältnis zu seiner Vaterstadt gestanden hätte. Aber Röntgen war viel zu sehr durch eine lange Kette von Ahnen, die schon im 17. Jahrhundert die bergische Scholle bei Dabringhausen umbrachen, mit dem Heimatboden verwachsen, als dass er sich nicht stets und freudig seines Ursprungs erinnert hätte. Es ist uns überliefert, wie sehr er sich des Ehrenbürgerbriefes seiner Vaterstadt freute, dass er 1911 auf einer Reise nach Holland auch die Stätten seiner frühesten Jugend aufsuchte, dass der im Süden des Vaterlandes heimisch Gewordene schon am Klang der Stimme den Landsmann erkannte. Und sicherlich zeugt es von einer besonders tiefen Verbundenheit mit der Vaterstadt, wenn er ihr in seinem Testament Wertpapiere als Röntgenstiftung zu Erziehungsbeihilfen hinterlassen hat.

Wilhelm Conrad Röntgen, 1854 - 1923, Entdecker der Röntgenstrahlen.Was ihn aber mehr noch zu einem der Unsrigen macht, ist seine wesenhafte Verwurzeltheit in dieser Landschaft, jene eigenartige Mischung sächsisch-fränkischen Stammesgutes: des Ernstes, der Verschlossenheit, des praktischen Denkens und doch hinwiederum der Aufgeschlossenheit für rheinischen Froh­sinn und Humor, eine Mischung, die diesen Mann geradezu zu einer Inkarnation bergischen Menschentums werden lässt.

Die Dürftigkeit der Nachrichten über das Elternhaus verbietet es uns, das Erbteil von Vater und Mutter, wie Goethe es vermochte, reinlich zu sondern. Der mütterlichen Seite, die in den Niederlanden Wurzel geschlagen hatte, wiewohl auch sie in unseren Bergen die Heimat hatte, scheint nach Hausrat und Bildbesitz ein gewisser Kunstsinn eigen gewesen zu sein. Er gab dem Leben Röntgens nicht das besondere Gepräge.

W. C. Röntgen ging nicht den üblichen Weg zur Professur. Er war schon in seinem Werdegang ein Eigener und bezeichnet es einmal als befriedigendes Gefühl, dass seine Eltern keine Gelegenheit hatten, ihm durch Protektionen im Leben weiter zu helfen. Schon seiner Jugend blieben die kummervollen Nächte nicht erspart, die den Menschen reifen, als man ihn in Utrecht von einer technischen Lehranstalt (nicht einem Gymnasium) verwies, weil er einen karikaturfreudigen Mitschüler nicht angeben wollte, als man ihn, den Externer, über dem immer noch das Damoklesschwert jener Schuld schwebte, durchs Examen fallen ließ, und als ihm, der die Reife nicht staatlich verbrieft vorzuweisen vermochte, die Habilitation an der Universität Würzburg versagt wurde. Aber gerade dieses Werden und Wachsen abseits des vorgezirkelten Bildungsganges wird ihn zu jener Gründlichkeit und Selbständigkeit erzogen haben, die dem späteren Gelehrten eigen sind.


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