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Channel: Waterbölles - Geschichte
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1930 gab es in Lennep "Große Weihnachts-Werbetage"

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von Dr. Wilhelm R. Schmidt

Jetzt naht sie wieder, die Advents- und Weihnachtszeit, in den Häusern werden die Vorbereitungen für das Fest getroffen, und viele Leute denken daran, „wie et fröher wor“. Den ganz Alten ist wahrscheinlich noch Peter Roseggers Weihnachtsgeschichte bekannt, mit dem Titel Als ich Christtagsfreude holenging. Sie war lange Zeit in vielen Schulbüchern und fast jedem Weihnachtsbuch abgedruckt, aber die dort geschilderten Erlebnisse eines zwölfjährigen Jungen in Österreich sind  nun auch schon über 100 Jahre alt und für uns Heutige kaum noch verständlich. Eher schon erinnern sich manche Leute noch an die Zeit der Kriegsweihnacht in den 1940er Jahren, das Bild der Söhne in Uniform auf dem bescheidenen Gabentisch, und hoffentlich noch ohne schwarzes Band. Neben einem derartigen Foto fand ich in meinem Lenneparchiv auch einen Beleg dafür, dass die Weihnachtszeit auch schon 1930 nicht nur ein Fest der christlichen Freude, sondern auch der Lenneper Geschäfte war. Um erneut „einen Beweis ihrer Leistungsfähigkeit zu geben“, veranstalteten die Geschäfte vom 14. bis 21. Dezember die Großen Weihnachts-Werbetage. Eindringlich hieß es schon damals, als man noch nicht an Outlet Center außerhalb des Städtchens dachte: „Besuchen Sie für Ihre Weihnachtseinkäufe die Lenneper Geschäfte, Sie werden sich überzeugen, dass Sie dort reell und preiswert bedient werden. Auch in Bezug auf die Auswahl sind die Lenneper Geschäfte denen der Großstädte durchaus ebenbürtig.“

In einem der großen Schaufenster der zentral gelegenen Haushaltswarenfirma Heinrich Kühner an der Schwelmer Straße, Ecke Bachstraße, die dort schon seit 1850 mit Eisen- und Glaswaren handelte, hatten ca. 40 Lenneper Einzelhändler kleinere Präsente ausgestellt, die durch eine Verlosung an die Käufer kamen, sicherlich für die mitmachenden Geschäftsleute der damaligen Werbegemeinschaft nicht nur eine gute Tat, sondern vor allem ein gute Werbung. Unter den Geschäftsleuten findet man so manche Firma, die heute noch besteht bzw. solche, von denen die meisten von uns noch gehört haben wie z.B. Feinkost Josef Johnen am Markt, die Buchhandlung Richard Schmitz in der Wetterauer Straße, Daniel Witscher in der Kölner Straße, schon damals bekannt für Tapeten, Farben und Lacke. Auch die Firma Euler am Alten Markt besteht noch. Ein Bild aus alten Tagen: Klasing & Baumann an der Kölner Straße in Lennep.Heute wohl nicht mehr bekannt ist die Herd- und Ofenhandlung der GebrüderBauerband an der so nicht mehr existenten Poststraße 1, deren Nachfolger die Firma Adolf Liesenthal war, die sich ab 1937 nach dem Umzug in die Kölner Straße zeitgemäß lieber Liesendahl nannte, verständlich beim wirklich jüdischen Schuhhaus Rosenbaum im ehemaligen Lenneper Wachhaus gegenüber Johnen (heute Pizzeria Daunia). Die Mitglieder der Familie Rosenbaum wurden allesamt Opfer der nationalsozialistischen Deportation in östliche Vernichtungslager.

In der Vorweihnacht des Jahres 1911 stellte sich die seinerzeit bedeutende Bekleidungsfirma Klasing & Baumann unterhalb des Kölner Hofs in einer Zeitungsdoppelseite dar, dort, wo heute eine Drogeriekette residiert. Auch im Blick auf das weitere Kaufhaus in Solingen bezeichnete man sich damals als das Erste Modenhaus des Bergischen Landes und als Haus der guten Qualitäten.  Eine gezeichnete Idealansicht ließ das Lenneper Geschäftshaus - wie damals üblich - wesentlich größer erscheinen als es wirklich war, ähnlich wie bei den Idealansichten der Maschinenfabrik Haas, der Feilenfabrik Carl Offermann oder bei der Firma Wender & Dürholt in der nicht weit entfernten Wupperstraße. Beim Großen Weihnachtsverkauf erhielt auf  Wunsch jeder Kunde einen schönen Abreißkalender für das Jahr 1912 gratis. Für heutige Verhältnisse  ist bemerkenswert, dass nicht nur an allen Sonntagen im Dezember geöffnet war, sondern am Heiligabend auch abends. Schwere Sportmäntel vom Typ Ulster für Herren und Jünglinge in englischem Genre kosteten damals 13 Mark fünfzig. Vor dem wenige Jahre später beginnenden Ersten Weltkrieg war die Reichsmark noch etwas wert.


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