Von Dr. Wilhelm R. Schmidt
Auf der städtischen Giftliste der Einsparpositionen tauchte 2010 auch das Lenneper Röntgenstadion auf. Es könnte an eine Baumarkt-Kette verkauft werden, hieß es damals (Anm.: von Seiten des Stadtplaners Hans-Gerd Sonnenschein, während Stadtdirektor Burkhard Mast-Weisz Vorbehalte anmeldete). Das 1925 eingeweihte Stadion hatte von Anfang an nie nur Lenneper, sondern auch eine gesamtbergische und überregionale Bedeutung. Selbst in Frankfurt traf ich vor Jahren jemanden, der in seiner Jugend Ende der 1920er Jahre im Lenneper Stadion um einen der 30 besten Reichstitel etwa beim Speer- oder Diskuswerfen gekämpft hatte und bis heute noch eine gute Erinnerung an die Anlage hat.
So um 1955-1960 hielt ich mich selbst oft im oder am Stadion auf, die Röntgenschule machte dort ihre Sportfeste, erinnerlich sind mir noch die Volleyballspiele gegen die Mannschaft Rote Tinte - das waren die Lehrer. Weiterhin erinnere ich mich lebhaft an Leichtathletikkämpfe, Fußballspiele mit Eintritt, Polizeisportschauen, Reit- und Fahrturniere sowie Military Tattoos der Belgier und Engländer, die ein wenig Abwechslung und Farbe ins Städtchen brachten. Am Fuße der großzügigen Stadiontreppe zogen wir uns um, auf der anderen Seite hatte das Rote Kreuz sein Domizil, und die Schwestern wachten in ihrer Tracht mit Häubchen und dem Notfallkoffer über das Geschehen.
In meinem Arbeitszimmer zuhause hängt an der Wand eine historische Lennep-Karte aus der Mitte der 1920er Jahre, in die das (seinerzeit neue) Lenneper Stadion bereits eingezeichnet ist. Durch die Wupperstraße getrennt, wo wir früher am Kiosk gerne nach dem Sport eine Flasche Afri Cola oder Bluna zischten, liegt der ehemalige Kirmesplatz, der über eine längere Zeit Kaiser-Friedrich-Platz hieß (nach dem Preußenkaiser Friedrich III.). 1888 musste der Platz allerdings seinen Namen zugunsten des national-kämpferischen Turnvaters Jahn wieder hergegeben.
Wie das spätere Lenneper Stadion bot der Kaiser-Friedrich-Platz nicht nur sportlichen, sondern auch gesellschaftlichen Veranstaltungen einen geeigneten Raum, zum Beispiel den landwirtschaftlichen Festen. Dazu finde ich in meinem Archiv z.B. einen alten Zeitungsausschnitt aus der Bergischen Volkszeitung von 1878. Darin weist der Direktor der landwirtschaftlichen Lokalabteilung Elberfeld-Barmen-Lennep, Herr Rospatt, auf die Sonderzüge hin, die der landwirtschaftlichen Ausstellung in der Kreisstadt das Publikum bringen sollen, und aus dem Jahr 1910 ist eine Plakette für verdienstvolle Leistungen während der Veranstaltung erhalten. Sie zeigt neben den Fleißsymbolen wie Ährenbund, Bienenkorb und Füllhorn auf der einen Seite auch landwirtschaftliche Werkzeuge und Maschinen, so wie sie damals üblich waren. Natürlich waren diese Ereignisse auch mit Militärkonzerten, Tierschauen und Verlosungen verbunden. Ein Zeitungsinserat aus dem Jahre 1911 kündigt darüber hinaus Festessen im Berliner Hof und Tanzvergnügungen an, das Ganze über mehrere Tage. Landrat Hentzen und Bürgermeister Stosberg luden damals zur zahlreichen Beschickung der Ausstellung mit schönen Erzeugnissen der Land- und Forstwirtschaft, mit Maschinen und Geräten und zu fleißigem Besuche ein!
Die jungen Mädchen waren aufgerufen, freiwillig beim Losverkauf mitzuwirken, die Lenneper Bevölkerung sollte ihre Häuser selbstständig schmücken, und für Samstag war angesagt, dass das auf der Ausstellung vorzuführende Vieh nur über die Wupperstraße zum Festplatz getrieben werden durfte, damit die anderen Zuwege nicht verdreckt wurden. Natürlich kostete der Besuch der Ausstellungen auch ein Eintrittsgeld, und das gesamte Areal war deshalb abgezäunt bzw. mit Bretterverschlägen abgeschirmt. Daran erinnert eine Postkarte
Bis zum zweiten Weltkrieg hatten die in der Regel zweijährlich stattfindenden Landwirtschaftlichen Feste auf dem Kaiser-Friedrich- bzw. Jahnplatz ihre feste Tradition, zumal ja in der Röntgenstraße auch die Landwirtschaftsschule beheimatet war. Der Stadionbereich wurde dabei gerne mitbenutzt, zumal auf der Freitreppe von unten wunderschöne Gruppenaufnahmen gemacht werden konnten. Diese galten durchaus nicht durchgängig nur dem Vereinsleben und dem Sport, sondern immer auch der Politik. So gibt es zahlreiche Fotos natürlich auch mit Hakenkreuzen, nicht nur auf den Turnhemden, sondern auch auf mitgebrachten Fahnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dann die Landwirtschaftsschauen möglichst mit den sog. Reit-, Spring- und Fahrturnieren zusammengelegt, die vielen von uns noch gut in Erinnerung sind. Besonders erwähnenswert ist auch das große Lenneper Polizeisportfest aus dem Jahre 1955, das Ende Juli des Jahres bei strahlendem Wetter viel Sportliches und Akrobatisches bot, zum Entzücken der Lenneper, die damals in ihrer Freizeit noch nicht vorm Computer hockten und zu den Fernsehübertragungen der Fußballspiele in die Wirtschaft gingen. Die Kinder erhielten dabei oft zehn Pfennig für den Erdnussautomaten auf dem Tresen.
Anfang August 1925 wurde also das Lenneper Stadion eröffnet, wenn es nun demnächst versilbert wird, dann sind rund 90 Jahre vergangen. Eigentlich schade, aber so vergeht die Welt mit ihren hoch gelobten historischen Errungenschaften, auf die seinerzeit alle Lenneper und die Kreisangehörigen sehr stolz waren. Die Zeit steht nicht still, und wirtschaftliche Nöte gibt es immer wieder.