Von Dr. Wilhelm R. Schmidt
Am 31. Juli 1943 kam es zu der unvergessenen Bombennacht, in der britische Bomber Teile Remscheids in Schutt und Asche legten. Seinerzeit starben viele Remscheider, aber auch sehr viel Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, weil ihnen die Nazis den Zutritt zu den Luftschutzbunkern verwehrten.
Der Luftangriff vom 10. März 1945 z.B., der in der Lenneper Neustadt ganze Häuserzeilen umlegte, etwa auch im Bereich der Hermannstraße, war schon für sich allein ein schwerer Schlag für Lennep. Das mit Abstand bekannteste Opfer der Bombardierungen war jedoch das Lenneper Amtsgericht am Alten Markt 1 (Foto rechts), ein gänzlich aus Stein gebautes und mit Außenputz versehenes Zeugnis moderner staatlicher Präsenz aus dem Jahre 1791, das Augenzeugenberichten zufolge beim Bombenangriff wie ein Kartenhaus zusammenstürzte, im Gegensatz zu den Fachwerkhäusern ringsherum, die oft zwar ihre Dachziegel, Fenster und Fassaden einbüßten, bei denen aber die alte bergische Fachwerkwerkbauweise aufgrund ihrer natürlichen Elastizität den gänzlichen Einsturz verhinderte. In Veröffentlichungen über Lennep liest man des Öfteren, dass die Bombenangriffe kurz vor Kriegsende Lennep keinen wesentlichen Schaden zugefügt haben, aber mir persönlich scheint schon, dass Lennep entgegen dieser landläufigen Meinung bei den in der damaligen Zeit als Terrorangriffen bezeichneten Bombardierungen einiges an wertvoller Bausubstanz verloren hat, ganz unbeschadet der Meinung, das der eigentliche historische Verlust erst das Ergebnis wohlgemeinter späterer Sanierungen gewesen sei.
Neben den geschichtswissenschaftlichen Aufarbeitungen sind es immer auch die persönlichen Erinnerungen, die derartige Ereignisse für uns heute noch interessant machen, auch wenn wie im vorliegenden Fall die Schäden längst beseitigt sind sich das Stadtbild stark verändert hat. Auch meine Familie in Lennep hatte seinerzeit die Bombenangriffe zwischen Dezember 1944 und April 1945 hautnah miterlebt. Am Mollplatz lebte die die große Familie des Bauunternehmers Arthur Schmidt in einem etwa um 1830 entstandenen Fachwerkbau mit mehreren Kellern und Anbauten. Durch Hagers Gässchen vom Mollplatz zur Gartenstraße hin getrennt, das Gässchen existiert heute noch am Rande des Areals Wohnen im Park, befand sich links am Anfang der Poststraße die Villa Fritz Hardt. Die Anwesen von Schmidt und Hardt hatten für heutige Begriffe sehr große parkartige Gärten, so dass die Kinder darin Schlitten fuhren und die Skier ausprobierten.
Noch heute erzählen sich meine Lenneper Vettern, wie sie die Bretter gerade angeschnallt hatten, als ein gewaltiger Bombenangriff den wichtigen Bahnhof und die Industrieanlagen von Wülfing treffen sollte. Es handelte sich um Fliegende Festungen der Amerikaner, die in dieser Zeit ganz Deutschland mit Bombenteppichen überzogen. Diesmal kamen sie aus der Richtung Schwelmer und Hackenberger Straße und flogen über den Thüringsberg in Richtung Bahnhof. In Angst und Panik retteten sich die Kinder am Mollplatz mit den angeschnallten Skiern die Kellertreppe hinunter in die Waschküche des heute nicht mehr existierenden Schmidtschen Hauses gegenüber dem Berliner Hof, wo in ganz früher Zeit Bierkeller gewesen waren. Während dieses Haus selbst keinen Bombentreffer zu verzeichnen hatte, wurde das Haus Fritz Hardt nebenan voll getroffen. Das verbombte Grundstück Poststraße 5 diente nach dem Krieg den Kindern als idealer Spielplatz, und eine Lenneper Wandervogel-Gruppe, deren damalige Mitglieder, wenn sie denn noch leben, heute 75 Jahre oder älter sind, richtete im ehemaligen Souterrain, wo z.T. noch die Kacheln der Küche und Waschküche vorhanden waren, einen Treffpunkt ein, im Jargon ein sog. Nest, das aber nie ganz trocken zu kriegen war. Auf dem Trümmergrundstück wurde auch gegärtnert, und es wurden Kaninchen gehalten.
Nach einer von privater Hand gezeichneten Einschlagsskizze fielen auf das Hardtsche Grundstück allein drei Bomben, zum Bahnhof hin verdichteten sich die Treffer, allerdings ohne dort und im Bereich der Drehscheibe rechts der Schlachthofstraße das Ziel der Angreifer im eigentlichen Sinne zu erreichen. Auf dieser Skizze sieht man auch, dass die Firmen BARMAG / HAAS und die KAMMGARN ebenfalls nur partiell in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die meisten Bomben fielen im Bereich der sog. Lenneper Neustadt, wobei die Bomben z.B. an der Rotdornallee und Am Johannisberg, besonders dicht fielen. Wir Nachkriegsschüler haben die dort entstandene Wüste an der ehemaligen Mittelstraße noch gut gekannt. Auch hier war übrigens eine Hardtvilla mit betroffen, die in der fraglichen Zeit allerdings als Quartier der NS-Frauenschule diente. Zuvor war es das Zuhause von Hermann Hardt jun. gewesen.
Das Bild mit den im Sand spielenden Kindern stammt aus dem Jahre 1960, als die Poststraße verbreitert wurde. Hinter der neuen Bruchsteinmauer links lag früher die 1858 erbaute Villa Hilger (später Fritz Hardt). Im Hintergrund sieht man jenseits von Hagers Gässchen das heute nicht mehr existente Haus der Familie Schmidt. Auf dem Gelände steht heute "Wohnen im Park" ist. Das Mäuerchen von 1960 hat also keine 20 Jahre gestanden. Nur die hohe Mauer mit der Bushaltestelle oben ist als Torso übrig geblieben.