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Kriegerdenkmale vermoosen im öffentlichen Abseits

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Erinnerung auf der Knusthöhe an den Stabsmatrosen Walter Lobitz aus Remscheid, der am 29.5.1937 während des Spanischen Bürgerkrieges bei einem Luftgangriff auf den Panzerkreutzer Deutschland vor Ibiza zu Tode kam. Foto: Lothar Kaiser.

„Seit 1952 gedenkt die Bundesrepublik Deutschland am zweiten Sonntag vor dem Ersten Advent der Toten der Kriege und den Opfern der Gewaltherrschaft aller Nationen.“ So begannen in den vergangenen Jahren zumeist die offiziellen Einladungen der Stadt Remscheid zur Gedenkstunde am „Volkstrauertag“ im Ehrenhain Reinshagen an der Wallburgstraße.

In Lüttringhausen organisiert der Heimatbund Lüttringhausen seit Jahrzehnten die Gedenkfeier auf dem Lüttringhauser Friedhof. Ein weiteres Denkmal mit dem Reichsadler an der Spitze steht neben der evangelischen Kirche. Es erinnert an die in den Kriegen 1864/66 und 1870/71 gefallenen Soldaten. Als das Kirchspiel Lüttringhausen vor acht Jahren (2005) sein 850-jähriges Bestehen feierte, wurde das Denkmal von Schmutz und Moos befreit. Seitdem gammelt es vor sich hin. Für den Heimatbund, der Pflege des Lüttringhauser Ortsbildes verpflichtet, ist der Kirchplatz „der historische, religionsgeschichtliche und städtebauliche Mittelpunkt von Lüttringhausen“. Da gelte es, das Kriegerdenkmal mit Hilfe privater Sponsoren zu erhalten. Zuvor soll eine gutachtliche Stellungnahme des Amtes für Denkmalpflege im Rheinland Auskunft geben, welche Sanierungsarbeiten erforderlich sind. Und danach wären dann die Kosten für die Instandsetzung von Denkmal und Treppenanlage zu ermitteln.

Bis 1976 gedachten die Lenneper ihrer Kriegstoten am Mollplatz. Dort war 1889 ein Kaiserdenkmal errichtet worden. 1935 musste Kaiser Wilhelm I dann zum Hohenzollernplatz umziehen. Die Anlage selbst mit ihren eisernen Gedenktafeln hatte dagegen Bestand. Erst 1976 wurde sie abgebaut, und die Gedenktafeln kamen zur Albert-Schmidt-Allee. Die Gedenkstätte, die sich dort im Schatten eines großen Wasserreservoires der Stadtwerke - und damit auch im öffentlichen Abseits – befindet, ist kein Ort, den man gerne aufsucht. Schon seine Backsteinarchitektur erinnert unangenehm an die Zeit der Nationalsozialisten, erst recht ein Schriftzug aus Metall über den „bolschewistischen Überfall“ auf das Panzerschiff Deutschland am 29.5.1937 bei Ibiza.

Das Ehrenmal an der Albert-Schmidt-Allee wurde am 13. Oktober 1934 eingeweiht (Hans Funke: „Zeugen der Remscheider Geschichte“, S. 51). Entworfen hatte es der damalige Stadtbaumeister Max Ronneburger. Die Bildhauerarbeiten führte der in Remscheid geborene Bildhauer Ernst Kunst aus. Finanziert hatte den Bau aus Ziegeln, Muschelkalk und Bruchsteinen der Lenneper Bürgerverein aus Spenden der Bevölkerung, unter anderem aus dem Erlös eines Fußballspiels, das Vereine aus Lennep und Düsseldorf am 27. Juni 1934 ausgetragen hatten.

An dem Ehrenmal feierten die Nationalsozialisten in den Folgejahren in martialischen Tönen den „Totengedenktag“. In einem Bericht der Lokalpresse über eine solche Gedenkfeier hieß es im März 1938: „Durch das stille Gedenken ... zitterte die Freude“ darüber, dass Österreich nun mit dem nationalsozialistischen Deutschland „durch eine überraschende Wendung des Geschicks“ vereint worden sei. Zitat: „In einer eindrucksvollen Rede rief dann Ortsgruppenleiter Westhoff das Gedenken an die Toten wach. Er gab dem Gefühl des Stolzes Ausdruck, dass sich seit der Machtübernahme alle als freie Deutsche an dem schlafenden Krieger zum Gedenken an die gefallenen Helden versammeln können. (...) Der schlafende Krieger sei geschaffen worden, als die Wehrmacht noch nicht frei war, aber seitdem der Führer (Adolf Hitler) die stolze Wehrmacht schuf, seien wir ein Volk geworden, das sein Leben hingebe für das Vaterland.“

Teil des großen Soldatendenkmal auf der Knusthöhe in Lennep. Im Hintergruhnd, kaum zu erkennen, die eiserne Schrift für Walter Lobitz. Foto: Lothar KaiserAls martialisch mögen die Unbekannten das gesamte Ensemble an der Albert-Schmidt-Allee empfunden haben, die es in den 1980er Jahren mehrfach beschädigten. Teilweise zerstört wurde auch das Gesicht des „schlafenden Kriegers“, so dass die Polizei die Anlage zeitweilig verstärkt kontrollierte. Aber es gab auch ganz offizielle Proteste. So erschien zur Gedenkfeier am Ehrenmal im November 1983 eine Abordnung der Remscheider Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) und demonstrierte mit Flugblättern und Transparenten gegen NATO-Aufrüstung und gegen die Inschrift, am 29. Mai 1937 sei bei dem „bolschewistischen Überfall“ vor Ibiza der Stabsmatrose Walter Lobitz gefallen. Mit dem Panzerschiff Deutschland sei im damaligen spanischen Bürgerkrieg die „Legion Condor“ und damit der Faschismus unter Franco unterstützt worden, so der VVN. Die Stadt Remscheid täte also gut daran, diese Inschrift entfernen zu lassen. Weil durch sie die geschichtlichen Tatsachen verfälscht würden, hieß es kurz darauf in einem Leserbrief von Ilse Faeskorn (VVN) in der Lokalpresse.

Daraufhin entbrannte eine heftige Diskussion. Aber sie verlief letztlich im Sande. Am 25. Mai 1984 berichtete im städtischen Kulturausschuss der damalige Stadtarchivar Dr. Walter Lorenz über die „geschichtlichen Hintergründe“ der Inschrift. Alle Fraktionen, auch die der SPD, kamen daraufhin, wie Recherchen im Historischen Zentrum ergaben, zu dem Ergebnis, dass es „keine Veranlassung gäbe, die Inschrift am Ehrenmal in Lennep zu ändern“ (Zitat aus dem Sitzungsprotokoll).

Einem metallenen Schriftzug  kann ein harter Wasserstrahl nicht beikommen, wohl aber Schmutz und Moos. Als die Freiwillige Feuerwehr Lennep auf Bitten des Lenneper Verkehrs- und Fördervereins das Ehrenmal säubern wollte, zeigte sich schnell: Am weichen Sandstein unter dem Moos hat der Zahn der Zeit genagt. Auch dieses Denkmal bedarf also, wenn es erhalten bleiben soll, einer grundlegenden Sanierung. Am liebsten wäre es jedoch Klaus Kreutzer, dem Vorsitzenden des Verkehrsvereins Lennep, wenn das Denkmal mit Unterstützung des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. und der Stadt Remscheid wieder näher an den Ortskern von Lennep heranrücken könnte als täglich sichtbare Mahnung und Erinnerung. Eine Verlagerung des Denkmals Stein um Stein, Schriftzug um Schriftzug? Unvorstellbar!


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