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Channel: Waterbölles - Geschichte
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Am 10. Januar 1924 begann der Streik um die Arbeitszeit

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Mit dicken, schweren ,Blotschen':

„1914 bin ich zu einem Hammer­schmied in die Lehre gekommen. Un­ser Betrieb wurde noch mit Wasser­kraft angetrieben. Wenn ich an kalten Wintertagen morgens zur Schmiede kam, musste ich erst das ,Schutt' des Teiches vom Eis befreien. Dann lief das kleine Wasserrad, wo der Blower, das Gebläse für das Feuer, dran angeschlossen war. Erst jetzt konnte ich Feuer machen. Danach wurde es etwas warm in der Schmiede, aber nur für den Oberkörper. Die Beine und der Rücken blieben eiskalt. Meine Füße steckten in dicken ,Blotschen' aus Holz. Außer dem Wasser aus dem Teich gab es kein an­deres. Abends, wenn ich mich waschen wollte, machte ich eine Eisenstange glühend und hielt sie in den ,Lösch­trog', dessen Wasser oft mit einer Eisschicht bedeckt war. Darin habe ich mir dann die Hände gewachsen, da­mit der Hauptdreck wegkam. Im Winter war es immer eiskalt in der Schmiede. In der Mittagspause habe ich mich an den Herd gelegt, gleich neben das Feuer, um etwas Wärme abzukriegen. Meine Hände und Arme waren immer bis zum Ellbogen aufge­sprungen durch das Wasser und die Kälte. Daher war man froh, wenn es wieder Frühling und Sommer wurde. Mein Weg zur Arbeit betrug eine Dreiviertelstunde. Das wurde zu Fuß ge­macht, zweimal jeden Tag." (M 1900)

Schon mal einen Tritt in den Hintern: „1922 habe ich offiziell die Lehre be­gonnen; hatte aber schon ein halbes Jahr vorher auf der Packstube angefangen, und zwar nachmittags, um etwas zu verdienen, denn ich musste die Familie mit unterstützen.  Das war neben der Schulzeit. Morgens ging es in die Schule; nachmittags dann in die Firma. Ich war allerdings von den Hausaufgaben für die Schule befreit. Die Lehrzeit war sehr hart. Gearbeitet wurde von 7 bis 12 Uhr und von 13.30 bis 18 Uhr. Morgens um 9 Uhr gab es eine Viertelstunde Pause, ebenso nachmittags um 4 Uhr. Mittags ging ich zu Fuß in den Haddenbrock, schnell gegessen, dann wieder zu Fuß in die Firma nach Hasten. Fahr­geld zu bekommen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn man als Lehr­junge liefern musste - egal wohin -es wurde alles zu Fuß gemacht. Mei­stens geschah das immer kurz vor Fei­erabend. Wenn es dann über die Fei­erabendzeit ging, war es auch nicht schlimm. Das musste man eben in Kauf nehmen. Die Lehrmeister, aber auch die Arbeiter, die auf der Pack­stube waren, nahmen sich den Lehr­jungen gegenüber allerhand raus. Man kriegte schon mal einen Tritt in den Hintern oder eine Ohrfeige. Man kriegte auch schon mal einen Knäuel Kordel ins Kreuz geworfen. Dann kam die Zeit, wo die ersten großen Rußlandaufträge nach Deutschland kamen. Wir hatten da sehr viel zu tun. Diese Aufträge muss­ten dann nach Feierabend erledigt werden. Denn in der normalen Ar­beitszeit war keine Minute dafür übrig. Abends um 6 Uhr fingen wir mit den Rußlandaufträgen an und arbeiteten bis 10 Uhr. Samstags ging es bis 18 Uhr. Sogar des Sonntags ging es oftmals von 6 Uhr bis Mittag. Das haben wir einige Zeit lang gemacht. Aber ein Packer nach dem anderen wurde krank und zum Schluss hatte es auch mich erwischt wegen Überarbeitung. Mein Chef, an und für sich, war ei­gentlich gut zu mir. Weihnachten kriegte ich immer ein oder zwei Paar Schuhe. Zur Kirmeszeit drückte er mir 5 Mark in die Hand. Nach der Lehre bin ich noch vier Jahre auf der Packstube dieser Sägenfabrik geblie­ben."

 

Frühschoppen "met nem Pennschen Kloaren".Teil I

 

Hinsichtlich ihres Wirtschaftsge­schehens lässt sich die Weimarer Re­publik in drei Zeiträume aufgliedern: Die knapp fünf Jahre, bis November 1923, als Inflationszeit; die nächsten sechs Jahre, bis Oktober 1929, als Zeit relativer Stabilität; die darauffol­genden dreieinviertel Jahre, bis zum Beginn des NS-Regimes im Januar 1933, als Depressionszeit. Dem letzt­genannten Zeitraum muss allerdings eine Anmerkung beigefügt werden, um nicht den Eindruck zu erwecken, die Depression habe mit dem Erschei­nen der NS-Herrschaft schlagartig ihr Ende gefunden. Die zunächst auch weiterhin hohe Arbeitslosigkeit (erst 1937 sank sie unter eine Million) spricht ebenso dagegen wie die Ent­wicklung der Industrieproduktion, deren Indexziffer 1936 (103) nur ge­ringfügig höher lag als 1929 (100).

Das Verlangen nach je acht Stunden Arbeit, Erholung und Schlaf hatte schon seit vor dem Kriege als Kern­stück sozialpolitischer Arbeiterforde­rungen gegolten. Die Minderung der täglichen Arbeitszeit auf einen durch­schnittlich neunstündigen Arbeitstag wurde dort, wo es der Produktions­vorgang ermöglichte, kurz vor dem Kriege noch erreicht. Unmittelbar nach dem Kriege wurde der Achtstun­dentag aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, als Teil einer befristeten Notmaßnahme der Arbeitsstreckung, eingeführt.

Auch innerhalb der drei beschriebe­nen Zeiträume wurde die Arbeitszeit­frage weitgehend durch das Wirt­schaftsgeschehen geprägt. Eine zu­nehmende Durchlöcherung begann bereits in der Inflationsperiode. Für die Periode der relativen wirtschaftli­chen Stabilisierung lässt sich ein au­ßerordentlich starkes Anwachsen der über 48-stündigen Wochenarbeitszeit feststellen: Nur noch zwei Fünftel der Arbeiterschaft arbeiteten 48 Stunden pro Woche. Arbeitswochen von 48 bis 60 Stunden waren keine Selten­heit. Diese Verhältnisse milderten sich jedoch allmählich wieder unter dem Einfluss der Gewerkschaften auf­grund ausgedehnter Arbeitskämpfe, so dass die 48-Stundenwoche als regel­mäßige Arbeitszeit um 1932 als wirt­schaftlich durchgesetzt betrachtet werden konnte.

 

Ein Kampf um die Arbeitszeit in Remscheid im Jahre 1924 fand wegen seiner besonderen Härte umfassenden Niederschlag in der Presse. Am 10. Januar begann ein längerer Streik, an dem etwa 10.000 Personen, im we­sentlichen die Metallarbeiterschaft, teilnahmen. (Ende 1921 hatte die Remscheider Metallarbeitergewerk­schaft fast 12.600 Mitglieder.) Es wurde ein Arbeitskampf mit großer Verbitterung, in dem neben profaner Polemik auch ein Bombenanschlag gegen einen unbeliebten Werksdirek­tor zu verzeichnen war. Auf die Reso­lution der Arbeiterschaft: „Die Ver­längerung der Arbeitszeit wird von uns mit dem letzten Blutstropfen ver­teidigt werden. Es gibt nur eine Parole: ,Siegen oder kämpfend sterben'", ant­wortete die Gegenseite mit einer massiven Anzeigenkampagne in der bürgerlichen Presse. „Auf Grund seines Einblicks in die wirtschaftliche Lage hat der Arbeitgeber-Verband die Auffassung vertreten, dass die acht­stündige Arbeitszeit für eine zu mehr als 60 Prozent auf die Ausfuhr ins Ausland angewiesene Industrie so­lange nicht anwendbar sei, wie die Wettbewerbsländer nicht unter glei­chen Voraussetzungen arbeiten. Selbst aber dann, wenn die Voraussetzungen gegeben wären, könnte der Achtstundenarbeitstag solange nicht in Frage kommen, wie wir in Deutsch­land und ganz besonders im besetzten Gebiet unter den Nachwirkungen des verlorenen Kriegs, des verlorenen Ruhrkrieges und der Besatzungsla­sten leiden . . ."

Weitere Informationen über seinen Verlauf enthält der städtische Verwal­tungsbericht: „. . . (Der Streik brachte) uns eine vollständige Stillsetzung der gesamten Metallindustrie. Der Kampf ging um die Arbeitszeit. Der von dem Schlichter gefällte Schieds­spruch über die Verlängerung der Ar­beitszeit auf 57 Vollzeitstunden wurde von den Gewerkschaften abgelehnt. Der Kampf dauerte zehn bis elf Wochen und endete mit der Wiederaufnahme der Arbeit unter den im Schiedsspruch festgelegten Bedingungen."

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