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Vom sächsischen Längsdielen- zum Querdielenhaus

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Haus Reinshagen im Hofe Morsbach mit sogenanntem »Pul¬verturm». Man vermutet hinter der alten Dachkonstruktion ein altes Bergfriedhaus.

Ursprünglich gab es im Remscheider Gebiet das alte sächsische Längsdielenhaus. Doch die ge­wandelten Anforderungen der kleinbäuerlichen und halb­gewerblichen Betriebe im 16. und 17. Jahrhundert brachten das Querdielenhaus und das aufgelockerte fränkische Gehöft mit mehreren Einzelgebäuden in unsere Gegend. Fachwerk, Balkenwerk mit Füllung aus Reisiggeflecht und Lehmbewurf blieb die bevorzugte Bauweise. Dazu kamen Strohdächer. Steinbauten hatten Seltenheitswert und kamen nur für Leute in Betracht, die einen Schutz- und Wehrbau brauchten. Hin und wieder zimmerte man sich einen Bergfried aus Holz. Der Pulverturm im Hof Morsbach ist ein Beispiel (Foto rechts). Eine Variation des Fachwerkhauses brachte der Schieferbeschlag, ursprünglich an der Wetterseite, dann aber aus Gründen des guten Aussehens auch rundum.

Eines der ältesten Häuser im Remscheider Stadtgebiet, wahrscheinlich 1568 erbaut. Es steht im Hasenclev und ist mutmaßlich von Wilhelm Hasenclever, der im 16. Jahrhundert in den Remscheider Raum zog, errichtet worden.

Eines der ältesten, wenn nicht das älteste bergische Haus Remscheids überhaupt, steht im Hasenclev, gesi­chertes 16. Jahrhundert, erbaut auch von einem Hasenclever im Jahre 1563. Die wirtschaftliche Blüte des 18. Jahrhunderts wurde auch im Hausbau deutlich. Namentlich die Kaufmannsfamilien, die den Herstellern gegenüber materiell im Vorteil waren, setzten neue Maßstäbe. Sie planten großräumiger, gaben den Zim­mern größere Fenster, bekrönten die Fenster, vor allem aber die Türen mit dem Schmuck der Zeit: Rokoko. Die Türen selbst, vorher schlicht, schwer, solide, mit blanken Knöpfen und Klopfern wie ein Schlüssel zur bergischen Seele, werden nun auch Spiegelbilder der Phantasie. Es ist am Ende ein Wetteifern um den Schönheitspreis, sehr zur Freude der spä­teren Heimatforscher, die ja - da der Remscheider Raum so karg ist an kulturellen Hinterlassenschaften - auf jede Künst­lerspur in Remscheider Vergangenheit versessen sind.

Haus Luckhaus im Hof Büchel.Alles, was Baukunst in Remscheid hervorzubringen vermochte, vereinigt sich in dem 1778 bis 1779 von den Brüdern Peter-Caspar und Johann-Peter Hilger errichteten prächtigen Kaufmannshaus, in dem sich heute das Remscheider Hei­matmuseum und das Deutsche Werkzeugmuseum befinden. Zwei hohe Freitreppen führen ins Innere. Die mit geschnitz­tem Sprossenwerk verzierten Oberlichter gewähren der Diele breite Lichtzufuhr. Bei anderen Rokokohäusern, die orga­nisch den französischen Stil mit der Eigenart des bergischen Hauses verbinden, finden sich beiderseits schmale Portalfen­ster zur weiteren Aufhellung der Diele. Über dem zierlichen Geranke von Fenster-, Tür- und Oberlichtschmuck liegt entweder ein mächtiges Satteldach mit Quergiebel oder ein französisches Dach, geschweift oder abgewalmt. Auf dem Giebel thront nicht selten eine Kugel, Sinnbild des Erdballs, oder ein Segelschiff als Wetterfahne, Zeichen des Kaufherrn, der den Ruhm Remscheids in alle Welt trägt. (Foto rechts: Haus Luckhaus im Hof Büchel.)

Haus Graber auf Goldenberg.Stilverwilderung und damit eine Zerstörung des einheitlichen baulichen Gesamtbildes setzte gegen Ende des vorigen Jahr­hunderts ein. Der von 1814 an in Remscheid waltende Bür­germeister Abraham Hering hatte bei der Regierung einen Bebauungsplan eingereicht, um in der schnell wachsenden Stadt Fluchtlinien zu schaffen und vielleicht ein in aller not­wendigen Erneuerung und Erweiterung ansehnliches Stadt­bild zu erhalten. Aber er war abgewiesen und auf das nächste Jahrhundert vertröstet worden. Die Kurzsichtigkeit der amt­lichen Stellen rächte sich. Um die Jahrhundertwende war das einheitliche Bild eines bergischen Marktes, wie es sich noch 1870 dargeboten hatte, abgelöst durch stillose Steinbauten, die sich überall zwischen die Schieferbauten drängten. Der Schützenplatz mit Schützenhalle, später ein repräsentatives Zentrum Remscheids (um dessen endgültige Neugestaltung übrigens nach der Zerstörung 1943 gerungen wurde) bietet um 1900 vom städtebauli­chen Standpunkt ein trostloses Bild. Alter Bahnhof, erster Wasserturm, die Backsteinbaukästen der Lutherkirche und der Katholischen Pfarrkirche St. Suitbertus, man kommt auf eine ganze Fülle von Scheußlichkeiten, die eine baukünstle­risch ratlose Zeit hervorbrachte und das Remscheider Gesamtbild beeinträchtigten.

Rath Nr. 3, eines der schönsten alten Remscheider Häuser.Die Straßen sind um die Jahrhun­dertwende zum großen Teil noch unbefestigt, ohne Bürger­steige, in den Wintermonaten schmutzigen Dorfstraßen gleich, die Ausfallstraßen zu den Nachbarstädten schmal und voller gefährlicher Kurven, kein Anreiz zu häufiger Benut­zung. Dies alles zusammengenommen lässt nur ein Urteil zu: Remscheid war zwar eine schnell wachsende Stadt mit weit­hin berühmten technischen Errungenschaften, aber eine schöne Stadt war es nicht mehr. Nach der Jahrhundertwende zeigten sich erste Ansätze zur Besserung, auch durch Bau­vereine, die sich um Siedlungen und Kleinwohnungen müh­ten und so neue bauliche Absichten verrieten, näher dem Menschen. Ganz hat Remscheid aber nicht zu einem ge­schlossenen Bild zurückgefunden.(aus: „Remscheid so wie es war“, von Dr. Gerd Courts, erschienen 1974 im Droste Verlag.)

 


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