von Dr. Wilhelm R. Schmidt
In Lennep gibt es eine Unterwelt. Das klingt nach Krimi, hat aber nichts mit lichtscheuen Elementen zu tun. Es geht vielmehr um die unterirdisch fließenden Bäche, um das alte Kanalnetz in der Lenneper Altstadt. So begann vor nunmehr fast 50 Jahren ein Zeitungsaufsatz in der heimischen Presse, der sich u.a. auf Aufzeichnungen des zeitweilig im Stadtarchiv tätigen Kapitäns a. D. Paul Windgassen und auf verschiedene Arbeiten von Albert Schmidt stützte, dem bis heute wohl bekanntesten Spezialisten der historischen Wasserwelt in Lennep.
Dass die Lennepe irgendwie durch Lennep fließt, das ist auch heutzutage Stoff im Schuluntericht. Aber wo entsteht sie und wie ist ihr Verlauf? Albert Schmidt beschrieb vor ca. 100 Jahren mehrfach, dass die Lennepe hauptsächlich durch zwei Quellbäche entsteht, deren Verlauf wegen der späteren Kanalisation und der vielen sonstigen baulichen Veränderungen dem modernen Stadtbild jedoch nicht mehr anzusehen ist.
Der östliche Quellbach der Lennepe entsprang, wie unsere Großeltern noch wussten, in zwei Quellen in der Nähe der Häuser Schillerstraße 14 und Wiesenstraße 2. Beide vereinigten sich im Engelsteich (von Daniel Engels) zwischen den Häusern Wiesenstraße 3 und 13. Heute wird das Wasser beider Quellen durch die Kanalisation aufgenommen, und den Engelsteich gibt es nicht mehr. Früher lief das Wasser vom Engelsteich im offenen Bett zum Lüttringhauser Teich am heutigen Thüringsberg, und von dort aus unter den ehemaligen Fabrikgebäuden weiter über den Gänsemarkt in die Bachstraße. Noch im 19. Jahrhundert verlief die Bachstraße über ihre heutige Lage hinaus parallel zur Pastoratstraße in Richtung Gänsemarkt. Auf dem beschriebenen Weg passierte der Bach einen weiteren Teich, den Pastoratsteich, zeitweilig auch Jahnsteich genannt. Bei der frühen Befestigung der Lenneper Straßen und Gassen wurde dieses offene Bachbett, wie alle übrigen auch, abgedeckt und dann gepflastert. Das wurde erst 1883 bei der Erneuerung der Kanalisation durch Albert Schmidt wieder bekannt. Von der Bachstraße aus folgte die Lennepe dem Gefälle der Schwelmer Straße bis zur Mühlenstraße.
Der westliche Quellbach der Lennepe entsprang in den sogenannten Kütterwiesen an der heutigen Schlachthofstraße. Von dort führte sein Weg bis 1867 (Bau der Eisenbahn und der Gartenstraße) im offenen Bett zu einem Teich im Hardtschen Park zwischen der heutigen Garten- und Poststraße, und weiter durch den Park hinunter in den Pörtzchesteich an der Ecke der Poststraße zur Sackgasse. Vielen älteren Lennepern ist noch im Bewusstsein, dass auf dem Teich-Areal lange das Gerätehaus der Lenneper Feuerwehr standen, bevor im Jahre 1927 am Jahnplatz ein neues Feuerwehrhaus errichtet wurde.
Der Pörtzchesteich hatte zwei Abflüsse. Der eine durchlief teils gedeckt, teils ungedeckt die Sackgasse und den Markt und vereinigte sich an der Schwelmer Straße mit dem östlichen Quellbach. Von dort führte der Weg weiter hinter den Häusern an der Südseite der Mühlenstraße entlang ins Wiesental der Lennepe, wo später durch die Aufschüttungen von Unrat eine sich nach außen erweiternde Müllkippe entstand. Die durch sog. Flößrinnen strukturierte Fläche war der Vorläufer des heutigen Jahnplatzes, der eine Zeit lang auch Kaiser-Friedrich-Platz hieß.
Der zweite Abfluss des Pörtzchesteiches führte durch einen Kanal zum Kölner Teich am Kölner Tor bzw. dem heutigen Bismarckplatz. Auch er besaß wiederum zwei Abflüsse. Einer unterquerte die Kölner Straße und trat dann neben einem Feldweg wieder zutage. Dieser Weg wurde später zur Steinstraße ausgebaut und heißt heute Wupperstraße. Der Bach folgte ziemlich genau dem heutigen Straßenverlauf und mündete im Wiesental in die Lennepe.
Der zweite Abfluss des Kölner Teiches führte in die Stadt. Wie das Bachbett genau verlief, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es besteht aber die Vermutung, dass es der Wetterauer Straße bis zum Markt folgte und sich dort mit dem Bach vereinigte, der aus der Sackgasse kam. In jedem Fall führten alle Verzweigungen der Bachverläufe letztendlich auf den heutigen Jahnplatz, auf dessen Fläche sich früher auch eine Drahtmühle befand. Viele Zeugnisse aus dem 19. Jahrhundert beschreiben dieses Areal eindrucksvoll als den schmutzigsten Teil Lenneps, da ja vor der Einführung der Kanalisation, bei der erstmals die Wasserleitungen effektiv von den Fäkalienkanälen getrennt wurden, jedweder Unrat Lenneps hierhin gespült wurde, nicht nur die Fäkalien, sondern auch kleinere tote Tiere und, und, und.
Der Schwelmer, der Lüttringhauser, der Pörtzches- und der Kölner Teich, sie alle wurden im Verlauf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach und nach überwölbt. Vom hinteren Schwelmer Teich unter dem heutigen Röntgen-Denkmal ist ebenso wie vom Pörtzchesteich Ecke Sackgasse / Poststraße nicht bekannt, wann genau die Überwölbung erfolgte und wer sie veranlasste. Vom Kölner Teich wissen wir, dass der Tuchfabrikant Peter Schürmann sich bereits 1804 um dessen Ankauf bemühte. Aber erst 1836 wurde der Kaufvertrag mit der Stadt Lennep unterzeichnet. Schürmann ließ den Teich reinigen, überwölben und legte darauf eine kleine Parkanlage an, die er der Stadt Lennep zum Geschenk machte zur Erholung der Bevölkerung. Dieser Platz hieß später Bismarckplatz. Seit 1922 wird er nur noch im Volksmund so genannt. Offiziell gibt es diese Bezeichnung nur noch für die dortigen Bushaltestellen. Als der Tuchfabrikant Peter Schürmann 1836 den historischen Kölner Teich zu wirtschaftlichen Zwecken erwarb und überwölben ließ, da hatte er laut Kaufvertrag den unterirdischen Teil des ehemals städtischen Areals auch zu erhalten und zu pflegen. Albert Schmidt berichtet in seinen Lebenserinnerungen, dass er als junger Baumeister von Peter Schürmann den Auftrag erhielt, das Mauerwerk zu sichern, wobei es zu Auseinandersetzungen um den Preis kam. Schürmann wollte nicht zahlen, und erst die Drohung, ihm die Arbeiter aufs Büro zu schicken, veranlasste den Firmenchef, das Honorar zu entrichten.
Der Lüttringhauser Teich zwischen dem heutigen Mollplatz und der Schwelmer Straße wurde nach den Unterlagen im Stadtarchiv auf Beschluss des Stadtrates vom 3. Juli 1846 überwölbt. Den Antrag stellte der Tuchfabrikant Johann Engelbert Hardt, der die Baukosten mit 400 Talern bezuschusste. Den Rest der Baukosten stellte er der Stadt Lennep als Darlehen zur Verfügung. Die Tilgung sollte bis zum 1. Dezember 1847 erfolgen. Hardt stellte jedoch eine Bedingung: Auf der durch die Überwölbung neugewonnenen Fläche oberhalb eines früher fast vier Meter tiefer gelegenen schmalen Gartenweges sollte eine respektable Promenade mit Bäumen angelegt werden, ein durchaus nicht uneigennütziger Wunsch, denn die Familie war in der Krümmung der späteren Alleestraße (heute Thüringsberg) seit Mitte der 1830er Jahre mit einem respektablen Wohnhaus präsent. Durch die Gesamtaktion einschließlich des Abbaus einer uralten Fabrik wurden damals die Voraussetzungen einer Verlängerung des heute so genannten Lenneper Speckgürtels vom Kölner Tor über Poststraße und Mollplatz bis zur Schwelmer Straße hin geschaffen.