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Ludwig Kraft drohte Tod durch Erschießen

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Geschichtlicher Rückblick von Prof. Dr. Jörg Becker auf das Kriegsende in  Remscheid und die Zeit unter US-amerikanischer Besatzung vom 15. April bis zum 23. Mai 1945

Teil 2: Die Machtübergabe

Vorabdruck aus dem Buch "Remscheid 1945", das Ende
des Jahres von Jörg Becker und Armin Breidenbach
herausgegeben werden wird.

In Deutschland müssen sowohl das Kriegsende als auch die Befreiung vom Faschismus ordentlich und sauber verwaltet werden. Noch bevor US-amerikanische Soldaten am 15. April 1945 die Ränder von Remscheid erreicht hatten, hatte der Alt-Nazi und Bürgermeister Ludwig Kraft[1] schon am 12. April 1945 schriftlich sein Amt übergeben. Unter der Überschrift „Ausweis“ befindet sich im Stadtarchiv Remscheid[2] ein Dokument mit folgendem Text: „Herr Stadtrat Georg zur Hellen ist für den Fall einer Feindbewegung von mir beauftragt, seine bisherige Tätigkeit in der Stadtverwaltung Remscheid fortzusetzen. Remscheid, den 12. April 1945. Der Oberbürgermeister: Kraft.“[3]

Das ist juristisch natürlich mit voller Absicht sehr vorsichtig formuliert. Noch galt am 12. April 1945 NS-Gesetz. Und noch wäre der freiwillige Amtsverzicht eines Oberbürgermeisters ohne Kapitulation Hochverrat mit „Tod durch Erschießen“ gewesen. Wahrscheinlich dürften Oberbürgermeister Ludwig Kraft und Stadtrat Georg zur Hellen [4]gewusst haben, dass der in Aachen am 31. Oktober 1944 von der US-amerikanischen Militärregierung eingesetzte Oberbürgermeister Franz Oppenhoff am 25. März 1945 von der SS ermordet worden war. Joseph Goebbels hatte diese Ermordung am 31. März 1945 „Nationalgericht“ genannt.[5]

Am 15. April 1945 zogen US-amerikanische Truppen in Remscheid ein. Dieses Ereignis schilderten mehrere Augenzeugen. So berichtete ein junges Mädchen über die Situation in der Innenstadt: „Kurz darauf fuhr ein amerikanisches Militärfahrzeug von der Alleestraße durch die Hochstraße in die Rathausstraße. Wenig später kamen der damalige Oberbürgermeister Ludwig Kraft und der Beigeordnete Georg zur Hellen mit einer weißen Fahne aus dem Rathaus, gingen zu den Amerikanern und übergaben ihnen – sozusagen nun an Ort und Stelle – die Stadt.“[6]

Diese Außensicht eines 13-jährigen Mädchens stimmt mit einem Gedächtnisprotokoll von Ludwig Kraft, Georg zur Hellen und Dolmetscher Rühl überein, das diese am 18. Juni 1945 erstellten. Am 15. April 1945 erhielt Oberbürgermeister Ludwig Kraft um 10:20 Uhr den Telefonanruf eines Beauftragten des US-amerikanischen Kommandanten: „‚Ich rede mit Ihnen, Herr Oberbürgermeister, im Auftrag der amerikanischen Armee und fordere Sie hiermit auf, Ihre Stadt zu übergeben. Weiterer Widerstand ist wahnsinnig. Panzer und Geschütze sind zum Angriff bereit und Sie können nur noch erwarten, dass die ganze Stadt in Trümmer gelegt wird. Sollten Sie zur Übergabe bereit sein, dann kommen Sie hierher und bringen Sie zu dieser Verhandlung eine andere geeignete Persönlichkeit und den Kommandeur der Polizeitruppen mit. Sind Sie zur Übergabe bereit?’ Daraufhin antwortete der Oberbürgermeister: ‚Ich bin an sich bereit, die Stadt zu übergeben, kann aber nicht die Gewähr dafür übernehmen, dass in irgendeinem Winkel der weitverzweigten Stadt doch noch eine Gruppe von Soldaten sich zur Wehr setzt.’ Dem Oberbürgermeister wurde daraufhin mitgeteilt, er solle sich mit den genannten Leuten und seiner weißen Parlamentärflagge zur Intzestraße, Wirtschaft Ganz, kommen, wo er sich bei dem Kommandanten melden sollte.“[7]

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