Geschichtlicher Rückblick von Prof. Dr. Jörg Becker auf das Kriegsende in Remscheid und die Zeit unter US-amerikanischer Besatzung vom 15. April bis zum 23. Mai 1945 Teil 1: Die letzten Gefechte Vorabdruck aus dem Buch "Remscheid 1945", das Ende des Jahres von Jörg Becker und Armin Breidenbach herausgegeben werden wird. |
Am 5. März 1945 überquerten US-Truppen der 9. und der 1. US-Armee den Rhein bei Worringen und stießen damit auf das Bergische Land vor. Remscheid wurde von Gummersbach her über Lindlar, Wipperfürth, Wermelskirchen und Burg an der Wupper von der 78. Division der US-Truppen am 15. April 1945 eingenommen.
Bis zu diesem Tag gab es noch kleinere Gefechte. So wurde noch am 14. April 1945 der Lenneper Bürger Friedrich Kleinholz von US-amerikanischen G.I.s bei seiner Flucht auf dem Fahrrad von hinten erschossen.[1] An diesem 14. April wurde der Südostteil von Remscheid zur Hauptkampflinie. Die letzten deutschen Truppenteile gaben auf und sprengten ihre Stellungen und ihre eigenen Geschütze. Ein deutscher Leutnant fiel beim Kugelwechsel mit US-Truppen.[2] In diesen letzten Gefechten hatte auch die Remscheider Schutzpolizei versucht, den einrückenden US-Soldaten Widerstand zu leisten.[3] An diesem 14. April 1945 standen US-amerikanische Vorhuten ganz in der Nähe der Druckerei des Lenneper Kreisblattes, als diese gerade die letzte Ausgabe druckte.[4]
Höchst verwirrend war in diesen Tagen die Einnahme von Lüttringhausen. Eine Spezialeinheit der US-Truppen hatte die Aufgabe, die Akten des Zuchthauses Lüttringhausen sicherzustellen und abzutransportieren, um sie bei der Aufklärung von NS-Gewaltverbrechen auswerten zu können. Bevor die Einheit ihren Auftrag, die Akten abzutransportieren, ausführen kann, wird sie in der Umgebung von Lüttringhausen in schwere Kampfhandlungen verwickelt. Bei diesen Kampfhandlungen wird die Einheit bis auf vier Soldaten aufgerieben. Die vier überlebenden Soldaten führen den Auftrag ihrer Einheit zum Abtransport der Akten nicht mehr aus, andere US-amerikanische haben keinen entsprechenden Auftrag.[5]
Noch am 15. April 1945 gab es in Lüttringhausen Gefechte zwischen deutschen und US-amerikanischen Soldaten. Bei diesen Gefechten im Wald an der Masurenstraße starb auf deutscher Seite Georg Wilhelm Doerges, ein Oberleutnant der Wehrmacht.[6] Ein Augenzeuge: 15.4., Sonntag, 9.50 Uhr, rollen die ersten Panzer durch die Elberfelder Straße. Es lässt sich schwer schildern, unter welchem seelischen Druck die Remscheider Bevölkerung die letzten 24 Stunden gestanden hat. Indessen schreitet die Auflösung der Front fort. Soldaten in Trupps und einzelnen ziehen durch: abgerissen, müde Bilder des Jammers. In den Hauptverteilerstraßen sollen sie ihre Ausrüstung, Proviant, Pferde und so weiter an Zivilisten verteilen und einfach auseinanderlaufen. Die meisten Führer scheinen Entlassungspapiere auszuhändigen. Alle versuchen in Zivilsachen zu entkommen.[7]
Was Augenzeugen aus dem Bergischen Land über das Kriegsende in ihrer Heimat berichteten, klang kaum anders in den Berichten des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW). Auffallend ist hier mit den Wörtern erbittertes Ringen und tapfere Gegenwehr allerdings eine höchst verlogene Pathetik. Unter dem Datum des 14. April 1945 heißt es: Das erbitterte Ringen an Ruhr und Rhein sowie im Bergischen Land dauert mit zunehmender Heftigkeit an. Grenadiere, Fallschirmjäger und Panzer schlugen in dem verengten Kampfraum zahlreiche Angriffe überlegener Kräfte unter beiderseits hohen Verlusten ab und wahrten den Zusammenhang der Front. Um mehrere Einbruchslücken wurde in den Abendstunden noch heftig gekämpft. Und einen Tag später gibt es den folgenden Eintrag: An der Ruhr und im Bergischen Land setzte der Feind seine Durchbruchsversuche auch gestern unter stärkstem Materialeinsatz fort. Trotz tapferer Gegenwehr unserer Truppen konnten die Amerikaner ihren Einbruchsraum nordwestlich Lüdenscheid erweitern.[8]
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