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Eher eine bewusste Provokation als eine Fahrlässigkeit

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Geschichtlicher Rückblick von Prof. Dr. Jörg Becker auf das Kriegsende in  Remscheid und die Zeit unter US-amerikanischer Besatzung vom 15. April bis zum 23. Mai 1945

Teil 10: Von der Lingua Tertii Imperii (LTI), also der Sprache des Dritten Reiches, zu Englisch

Vorabdruck aus dem Buch "Remscheid 1945", das Ende
des Jahres von Jörg Becker und Armin Breidenbach
herausgegeben werden wird.

Ende Juni 1945 gab es im Remscheider Finanzamt einen politischen Konflikt. Da empörten sich einige Remscheider Bürger darüber, dass das Finanzamt immer noch Dienstsiegel und Stempelaufdrucke mit dem Hakenkreuz benutzte. Und es war in diesem Zusammenhang, dass der Vorsteher des Finanzamtes in einem Rundschreiben an die Belegschaft nicht von Mitarbeitern, sondern von „Gefolgschaftsmitgliedern“ sprach[1] und dass er darauf verwies, dass das Hakenkreuz laut Gesetz Nr. 7 der Militärregierung nicht mehr benutzt werden dürfe. Kurz darauf wurden aus dem Finanzamt einige NS-belastete Mitarbeiter entlassen [2]

Doch politisch ausgesprochen wache Bürger wie der Kommunist Ernst Zulauf und der Sozialdemokrat Max Blank (Foto) wandten sich in einem gemeinsamen Schreiben vom 16. Juni 1945 in Sachen Finanzamt an den Oberbürgermeister. Da schrieben sie: „Das Finanzamt in Remscheid versieht seine gesamte ausgehende Post mit einem Dienstsiegel mit dem Hoheitszeichen der Partei mit dem Hakenkreuz. […] Erinnert man sich nun daran, dass das Finanzamt als einziges öffentliches Gebäude in Remscheid in einer geradezu karnevalistisch anmutenden Art und Weise mit den Emblemen des Nazismus ausgeschmückt war, so liegt darin schon die Beantwortung der Frage, ob es sich bei der weiteren Verwendung des Dienstsiegels um eine Fahrlässigkeit oder um handelt. Das weitere Verbleiben des Herrn Oberregierungsrat Dr. Peiseler im Dienst erscheint uns nicht tragbar. Wir fordern seine sofortige Entfernung vom Amte mit dem Ziel der Entlassung.“[3]

Doch antifaschistische Vorschriften hinderten aber z. B. das Städtische Besatzungsamt nicht, noch am 26. April 1945 bei einer „Gauwirtschaftskammer“ (!) zehn Schreibmaschinen zurück zu fordern [4]  oder die städtische Polizei, Briefpapier mit folgendem Briefkopf zu benutzen: „Der höhere SS- und Polizeiführer West in den Gauen Düsseldorf, Essen, Köln-Aachen, Westfalen-Nord, Westfalen-Süd und im Wehrkreis VI. Der Befehlshaber der Ordnungspolizei“.

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