Geschichtlicher Rückblick von Prof. Dr. Jörg Becker auf das Kriegsende in Remscheid und die Zeit unter US-amerikanischer Besatzung vom 15. April bis zum 23. Mai 1945 Teil 14: David Dominicus |
Der 1896 in Remscheid geborene Max Dominicus war Mitinhaber und Gesellschafter der Sägenfabrik David Dominicus in Remscheid-Vieringhausen. Vor der NS-Zeit gehörte Max Dominicus der Deutschen Volkspartei (VDP) an, gründete 1945 in Remscheid die Liberal-Demokratische Partei (LDP) und trat später zur Freien Demokratischen Partei (FDP) über. Schon unter der US-amerikanischen Verwaltung war Dominicus 1945 Mitglied im Finanz- und Verwaltungsausschuss. Von 1949 bis 1950 gehörte er dem Kreisvorstand der FDP an und war von 1954 bis 1956 Kreis-, und später Ehrenvorsitzender der FDP. Im Januar 1945 hatte er Kontakt zu der im Widerstand befindlichen Arbeiterbewegung aufgenommen, nämlich zu den Kommunisten Werner Röntgen, Ernst Zapp und Ernst Zulauf und den beiden Sozialdemokraten Anton Küppers und Max Blank. Dieses Bündnis verstand sich als Führung der Widerstandsbewegung in Remscheid.[1] Diese Art Bündnis sehr unterschiedlicher politischer Gruppierungen war in Deutschland Anfang 1945 nichts mehr Ungewöhnliches. Parallel zur Gruppe um Dominicus gab es z. B. in Solingen seit Ende 1944 die Organisation A.[2] Freilich waren es auch ein wenig seltsame Widerstandsbewegungen, hatten sie doch ihren Widerstand gegen die Nationalsozialisten recht spät entdeckt und außerdem war es wohl kaum ein Widerstand, dem es um politische Fragen ging, sondern eher ein Widerstand der Menschen, die ihren materiellen Besitz bedroht sahen. Doch muss man gerechterweise festhalten, dass auch diese Widerstandsgruppen sich einer hohen Lebensgefahr ausgesetzt hatten.
Zum antifaschistischen Bündnis rund um den Fabrikanten Dominicus gehörte in Remscheid auch Hermann Ringel [3] (Foto oben), der seit 1942 Geschäftsführer der Zweigstelle Remscheid der in Düsseldorf ansässigen Gauwirtschaftskammer war und der sich als ab 1945 als Hauptgeschäftsführer der Bergischen Industrie- und Handelskammer in Remscheid um die Demontage- resp. Remontage von Industrieanlagen kümmerte. Als Hauptaufgabe sah es diese Gruppe an, die Stadt kampflos an die alliierten Truppen zu übergeben und Zerstörungen wie Sabotage von Produktionsanlagen, Sprengung von Brücken usw. zu verhindern.[4] Dieses Ziel stand in klarem Gegensatz zu Hitlers sogenanntem Nero-Befehl vom 19. März 1945, in dem er eine Politik der verbrannten Erde angeordnet hatte. Interessanterweise konnte die Gruppe um Max Dominicus Kontakte zu Oberbürgermeister Krafft, den Beigeordneten zur Hellen und sogar zu einigen Stadtkommandanten der Deutschen Wehrmacht herstellen. Über diese Kontakte und mit Hilfe von Generalfeldmarschall Walter von Model, der seit dem 5. April 1945 sein Hauptquartier in die Villa Waldesruh in Wuppertal verlegt hatte konnte sogar eine Sprengung der berühmten Müngstener Brücke verhindert werden.
Max Dominicus stand in Remscheid für eine lokalpolitisch wichtige FDP, war doch 1948 wenn auch nur durch einige Zufälle mit Richard Gierk ein FDP-Politiker für ein volles Jahr Oberbürgermeister von Remscheid wurde. Danach war Remscheid von 1948 bis 1961 eine Hochburg der SPD unter ihrem sehr lange regierenden Oberbürgermeister Walter Frey. Ein zufällig erhaltenes Einreisevisum für Max Dominicus vom 30. Juli1949 der Alliierten Besatzungsmächte in die Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien zeigt ihn auf einem zeitgenössischen Foto. Dieses Visum steht natürlich auch für die schon immer vorhandene Einbindung der Remscheider Werkzeugindustrie in globalisierte Märkte und die damit verbundene Abhängigkeit Remscheids vom Exporthandel. Dieses Brasilienvisum steht auch für die damalige Remscheider FDP, die alles andere als braun und völkisch, sondern weltoffen war. Während Friedrich Middelhauve den Landesverband der FDP auf einen rechtskonservativen und nationalistischen Kurz bringen wollte, verweigerte sich die FDP in Remscheid diesem Kurs. In diesem Kontext galten die Remscheider Liberalen anderen FDP-Politikern als grundsätzlich eigenbrötlerisch und renitent.[5] Damit war gemeint, dass sie sich der von oben verordneten Nationalen Sammlung widersetzten. Im Gegensatz zur Remscheider FDP eines Max Dominicus, war die FDP in NRW so braun [6], dass Theodor Heuss einem Gerücht zu Folge gesagt haben soll: Die FDP in NRW ist so braun, dass man sie aus der Bundes-FDP rausschmeißen müsste.