von Armin Breidenbach
Bei einem Vergleich mit anderen Städten fällt auf, dass eine systematische Aufarbeitung der Geschichte Remscheids in den Jahren 1933 bis 1945 erst relativ spät begann. Erste Ansätze dazu sind in dem 1978 veröffentlichten Band 2 des Buches Remscheid so wie es war des Remscheider Fernsehjournalisten Gerd Courts zu finden. Erst viele Jahre später wurde ermittelt, dass die Remscheider Sinti und Roma durch die Freiheitstraße - an dem Haus Freiheitstraße 71 vorbei - abtransportiert wurden und dass das Foto unten etwa im Bereich Freiheitstraße / Ecke Stachelhauser Straße aufgenommen worden war. Seit 2006 erinnert ein Stolperstein gegen das Vergessen vor dem Haus Freiheitstraße 71 an diesen Abtransport, der im KZ Auschwitz enden sollte. Dieses einzigartige, wahrscheinlich erstmals von Gerd Courts veröffentlichte Foto und teilweise auch drei weitere Fotos aus den Beständen des Remscheider Stadtarchivs, die ebenfalls die Deportation von Remscheider Sinti und Roma am 3. März 1943 dokumentieren, sind mittlerweile häufig in Buch- oder Internet-Beiträgen veröffentlicht worden.
Im Jahre 1978, kurz vor dem bevorstehenden 40. Jahrestages des Pogroms vom 9./10. November 1938, das im damaligen Deutschen Reich bzw. auch in Remscheid einen vorläufigen neuen Höhepunkt bei der Verfolgung der Juden darstellte, wurde offensichtlich, wie wenig bis dahin die Remscheider Stadtgeschichte während der NS-Diktatur bzw. die Themenbereiche Verfolgung und Widerstand aufgearbeitet waren bzw. Archivmaterial dazu gesammelt und gesichtet war. Der damalige Leiter des Remscheider Stadtarchivs, Dr. Walter Lorenz, wandte sich deshalb in einem Aufruf vom Juli 1978 an die Remscheider Öffentlichkeit: Dem Archiv fehlen vor allem Nachrichten über Parteien und Organisationen in der Weimarer Republik, über Widerstand und Verfolgung im Dritten Reich, über den Einmarsch der Alliierten, den Wiederaufbau, das Wiederingangkommen von Verwaltung, Versorgung, Verkehr, Industrie, Parteien, Organisationen, Vereinen und kulturellem Leben nach dem Kriege. Jeder einzelne Bürger ist hiermit angesprochen, sein Wissen, Nachrichten oder Dokumente zur Geschichte Remscheids und seiner Bürger aus den letzten 50 oder 60 Jahren dem Archiv mitzuteilen.
Auf verschiedene Beispiele für den Arbeiterwiderstand in Remscheid während des Dritten Reiches ging Karl Schabrod in seinem bereits 1969 veröffentlichten Buch Widerstand an Rhein und Ruhr 1933 - 1945 ein. Und unter anderem auf dieses Buch hatte sich Dr. Walter Lorenz bezogen, als er im November 1978 einen Beitrag Der vierte Stand in Remscheid. Neue Literatur zur Geschichte der Arbeiterschaft veröffentlichte.
Seit dem sind zahlreiche Publikationen über unterschiedliche Aspekte des Nationalsozialismus in Remscheid erschienen, unter anderem die von der Ronsdorfer Zeitung 1983 bzw. 1986 herausgegebenen Bände Widerstand und Verfolgung in Remscheid 1933 1945, sowie das von Jochen Bilstein und Frieder Backhaus 1992 herausgegebene Buch über die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung Remscheids und das von Michael Mahlke 1995 herausgegebene Buch Remscheid in der Zeit des Nationalsozialismus. Wichtig für die Aufarbeitung der Remscheider Stadtgeschichte der Jahre 1933 bis 1945 sind beispielsweise auch die Publikationen von Ilse Faeskorn, Olaf Wunder, Armin Schulte und Werner Lauff.Mittlerweile liegen über die meisten der Remscheider NS-Verfolgten nicht nur mehr oder weniger ausführliche biographische Skizzen vor, sondern auch bisher insgesamt 180 Stolpersteine gegen das Vergessen, die an verschiedenen Stellen in Remscheid an die zahlreichen hiesigen NS-Opfer erinnern.