Schraubenzieher im Unterrock:Mein Vater stellte Schraubenzieher her, die er an eine Firma in Elberfeld verkaufte. In der Franzosenzeit wussten wir nicht, wie wir liefern sollten. Und da haben wir überlegt, wie wir am besten durch den Zoll kommen könnten. Meine Mutter und ich haben zwei Unterröcke genommen und alles Taschen draufgenäht. In die haben wir dann einen Schraubenzieher nach dem anderen gesteckt. Da waren wir ringsum bepackt und gingen so auf Schmuggeltour. Mein jüngster Bruder war im Fußballverein und kannte dadurch eine Familie am Goldenberg. Da gingen wir mehrmals am Tag hin und deponierten unsere Ware, die von da aus dann nach Elberfeld transportiert werden konnte." Der Chef im Heu: Es war mal wieder ein Schmuggeltag angesetzt worden. Eine Wermelskirchener Firma, eine Schuhfabrik, die einem Verwandten unseres Chefs gehörte, sollte daran teilnehmen. Auf den zwei Wagen, die wir hatten, große Flachwagen, waren dann auch Pakete mit Schuhe drin aufgeladen. Die Zollgrenzüberschreitung haben wir selbst gemacht, hatten also keine professionellen Schmuggler damit beauftragt. Die Wagen haben wir an der Hermannsmühle, wo heute eine Brücke über den Bach geht, durch so eine Art Furt, wo das Wasser 20 bis 30 cm tief war, geleitet. Noch während wir mit den Wagen dorthin unterwegs waren, hielten einige unserer Leute in der Umgebung Ausschau nach den Franzosen. Unglücklicherweise war an diesem Tag eine ganze Kompanie unterwegs. Sie kam von Lennep runter über Tackermühle, Hermannsmühle, auf dem Weg zum Singerberg. Als unsere Späher zurückkamen, um uns das zu melden, waren wir genau in der Furt. Da haben wir die Pferde ausgespannt, die Wagen einfach stehengelassen und sind nichts wie ab. Die, die reiten konnten, haben sich auf die Pferde geschwungen und sind zum Hohenhagen raufgeritten, zu einem Bauernhof. Die Franzosen sind denen nachgelaufen. Unser Chef, der Johann Peter, hat sich im Heu verkrochen. Mit Mistgabeln haben die Franzosen ins Heu reingestochen, haben aber, Gott sei Dank, den Chef nicht getroffen. Wir andere haben uns bei dem Bauer mit an den Kaffeetisch gesetzt. Es ist uns nichts passiert. Unser Chef ist dann ins unbesetzte Gebiet gegangen und hat sich für einige Zeit bei uns nicht mehr blicken lassen." (M 1908) Sie sollen ihn nicht haben, . . .":Als die Franzosen hier waren und auf Wermelskirchen zu die Engländer lagen, nahm uns der Rektor Wunn mit in den Busch. Da kriegte jeder Schüler einen Stock, den musste man an den Mund tun, wie eine Flöte. Dann mussten wir pfeifen: ,Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein'. Dabei mussten wir gehen wie die Soldaten. Der Wunn war derart in dem alten System noch drin, er konnte nicht verstehen, dass der Krieg verloren war." Erfahrung als Schmuggler gemacht:Während meiner Lehre habe ich die Franzosenzeit erlebt. Da hab ich Erfahrung als Schmuggler gemacht. Für die großen Sachen hatten wir Leute, die das Schmuggeln geschäftsmäßig betrieben. Die kannten zwischen Nüdelshalbach und Goldenberg jeden Pfad und boten sich an, für Geld die Ware in das unbesetzte Gebiet zu bringen. Die Pakete wurden des Nachts von Schmugglertrupps, die manchmal 10-20 Mann stark waren, transportiert. In der Gegend der Schule Goldenberg hatte unsere Firma einen Raum gemietet, da kamen die Pakete hin. Des Morgens bin ich dann mit zwei von unseren Packern immer dort hingegangen. Die Postpapiere, wie Paketadressen usw., hatten wir in unserer Kleidung versteckt. Ein Topf mit Leim befand sich in dem gemieteten Raum. Dort wurden die Pakete postfertig gemacht. Zwei Bollerwagen hatten wir stets dabei; mit denen machten wir dann die Pakettour zu Fuß vom Goldenberg zum Lüttringhauser Postamt. Wenn wir alles erledigt hatten, kriegten wir zur Belohnung ein Schinkenschnittchen mit Kartoffelsalat vom Chef spendiert. Da haben wir uns immer doll drauf gefreut." |
Wie schon bei anderen ultimativen Forderungen der Siegermächte, schwebte auch über dem Londoner Ultimatum vom 5. Mai 1921 die Drohung, dass eine Ablehnung der Reparationsverpflichtungen oder ihre Nichterfüllung die Besetzung weiterer deutscher Landschaften, vor allem des Ruhrgebietes, zur Folge haben würde. Was die Reparationsleistungen in Geld betraf, hatte Deutschland im Rahmen der gewährten Moratorien bis Ende 1922 seine Verpflichtungen bei einem Rückstand von 1,6 Prozent erfüllt. Konnte die Reparationskommission hinsichtlich der gesamten Sachlieferungen nur geringfügige Rückstände feststellen, so entwickelten sich doch zwei Positionen zum Stein des Anstoßes. Gegen den Widerstand Englands erklärten Frankreich, Belgien und Italien im Rückstand der Kohlelieferungen (12 %) bzw. Holzlieferungen (50 %) eine vorsätzliche Nichterfüllung der Reparationsverpflichtungen zu sehen. Aufgrund dieser Prämisse begann die Besetzung des Ruhrgebietes, um die Reparationsleistungen dort direkt herauszuholen.
Die französisch-belgische Armee hielt am 11. Januar 1923 ihren Einzug (bis zum Jahresende wuchs sie auf gut 100 000 Mann). Zwei Tage später, anlässlich einer Kundgebung im Reichstag, erklärte Reichskanzler Cuno: Solange der vertragswidrige Zustand besteht, soll keine Hand im deutschen Volk sich rühren, um diese Maßnahme zu unterstützen. Was wir der Gewalt entgegensetzen können, ist der Wille und Entschluss, in diesen schweren Tagen unerschütterlich an der Einheit und dem Recht festzuhalten." Mit dem Aufruf zum passiven Widerstand ließ die Reichsregierung wissen, dass sie einer Kraftprobe nicht aus dem Wege zu gehen gedachte. Zwar bewirkte der passive Widerstand eine bedeutende Belebung des Nationalgefühls. Hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Zielsetzung war er, wie sich bald zeigen sollte, weniger erfolgreich. Als seine Fortführung gar die außenpolitische Situation Deutschlands verschlechterte, erklärte die Reichsregierung des neuen Reichskanzlers Gustav Stresemann am 26. September 1923 den passiven Widerstand für beendet.
Ganz im Sinne der Reichstagskundgebung ist der Aufruf, den ein alter Frontsoldat" wenig später in einem Eingesandt" an die Remscheider Bevölkerung richtete: Nachdem die Franzosen nunmehr Lennep besetzt haben, ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass sie auch unsere Stadt besetzen. Für uns ist es Pflicht, die Eindringlinge nicht zu beachten. Neugierige schänden das Ansehen unserer Stadt, sie sind ehrlos, weil sie französischen Agenten Gelegenheit geben, nach Paris einen ,glänzenden Empfang' der französischen Truppen in Remscheid zu melden. Solche Neugierigen schädigen unser Ansehen im Ausland. Dass die Geschäftsleute die Franzosen boykottieren, darf wohl als selbstverständlich gelten. In Dortmund und in Oberhausen mussten die Franzosen klein beigeben, weil die Bevölkerung sich mutig und entschlossen zeigte. Würde und Haltung sind vaterländische Pflicht. Die Franzosen müssen hier in Remscheid auf Granit beißen. Keiner darf ihnen den Weg zeigen. Wir sind Deutsche und werden den Eindringlingen deutschbewusst entgegentreten."
Einen Monat danach, auf den Tag genau, begann die befürchtete Besetzung Remscheids, als am Vormittag des 7. März 1923 eine französische Truppenabteilung aus Richtung Lennep kommend auf die Stadt zu marschierte und an der Unterführung in die Haddenbacher Straße einbog. Um 11 Uhr erschienen von der Abteilung ein Hauptmann, zwei Unteroffiziere und vier Mann im Rathaus. Der Hauptmann und ein Unteroffizier suchten in Begleitung eines Dolmetschers den Oberbürgermeister Dr. Hartmann auf, dem der französische Offizier erklärte, er fordere Quartier für 100 Mann, drei Offiziere, einige Pferde und eine Lagerstätte für die Bagage. Dr. Hartmann erhob zunächst gegen das Einrücken der französischen Truppen nachdrücklich Protest, wobei er auch darauf hinwies, dass ein Teil Remscheids zum britisch besetzten Gebiet gehöre. Im Übrigen verweigerte er die Einquartierung der Truppen bei Privatleuten, weil er weder über die Möglichkeit noch über das Recht verfüge, irgendwelche Privatquartiere in Anspruch nehmen zu lassen. Die Franzosen haben sich dann selbst die Schule Steinberger Straße als Quartier gewählt. Es wurden dort von ihnen einige Räume belegt, so dass es fortan unmöglich war, den Unterricht in diesem Gebäude weiterzuführen. Die Kinder wurden auf andere Schulen in der Stadt verteilt. Über den Grund des Vorstoßes in unsere Stadt befragt, erklärte der Führer der französischen Abteilung dem Oberbürgermeister, sie seien lediglich beauftragt, den Verkehr in der Haddenbacher Straße zu überwachen. Eine Besetzung der Stadt oder auch nur ihrer Verkehrsbetriebe wie Eisenbahn und Post solle nicht erfolgen.
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