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Blausensen verhalfen Sensen-Industrie zu letzter Blüte (II)

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Haus Halbach in Müngsten, links der Wohnsitz, rechts das Geschäftshaus der Firma Johann u. Caspar Halbach u. Söhne. Foto: Schmidt.Teil II

Die steirischen Sensen verdankten ihren Ruf in erster Linie dem ausgezeichneten Stahl, der dort zur Verwendung gelangte. Die Materialfrage spielte auch für die Bergischen Betriebe die Hauptrolle, und es ist deshalb kein Zufall, dass Gottlieb Halbach in Müngsten, der als Erzeuger eines vorzüglichen Stahles bekannt war, auch in der neuen Fabrikation zuerst zu einem befriedigenden Ergebnis gelangte. Während er sich noch mit einzelnen gepachteten und für die Sensenfabrikation eingerichteten Hämmern behalf, baute sein Sohn Johann Arnold im Jahre 1772 das erste zusammenhängende Sensenwerk. Viele Tausende von Stahlsensen sind hier im Laufe der folgenden Jahrzehnte, nicht weit von den Stätten entfernt, wo die Cronenberger ihre ersten Versuche machten, geschmiedet und in den noch vorhandenen Packräumen zum Versand fertiggemacht worden. Holzschnitzereien an der Haustür des ehemaligen Halbachschen Hauses mit ihren gekreuzten Sensen er­innern noch heute an die einst so blühende und lohnende Industrie.

Im Jahre 1804 waren nach den Angaben Eversmanns vier Blausensenfabriken im Bergischen vorhanden: 1. das Werk des Johann Arnold Halbach zu Müngsten, 2. die Gründerhämmer der Gebrüder Busch zu Remscheid, 3. die „Buschhämmer" an der Wupper oberhalb Beyenburg, Peter Busch, Witwe und Söhnen gehörig, und 4. die Sensenhämmer von Johann Bernhard Hasenclever und Söhnen zu Ehringhausen. Die letzteren hatten eine Reihe von früheren Stahl- und Eisenreckhämmern am Eschbach und dem untern Lobach in den Dienst der Sensenerzeugung gestellt.

Schon am 25. Juli 1778, also sechs Jahre nach Einrichtung des Müngstener Sensenwerkes, schrieb Johann Wilhelm Habernickel als Vertreter der Remscheider Kaufleute und Fabrikanten: „Die schwarzen Sensenfabriken, deren Einführung uns mit Verwerfung der zur Unterdrückung derselben so hartnäckig als widerrechtlich verfochtenen Monopoliengesuchen der auf weiße Sensen privilegierten Sensenschmiede und Schleifer im Jahre 177O nach vieljähriger Bemühung und erstatteter Relation des Handwerkskommissars erlaubt worden ist, haben wir schon binnen dieser kurzen Zeit von sieben Jahren bei der genossenen Freiheit in solche Aufnahme und solchen Flor gebracht, dass deren allein im Kirchspiel Remscheid an zweimal hunderttausend jährlich verfertigt werden und die gegründetste Hoffnung vorhanden ist, dass daselbst binnen zehn bis zwölf Jahren sechs- bis achtmal hunderttausend Stück werden gemacht werden."

Portal des Hauses Halbach in Müngsten mit gekreuzten Sensen in den Holzschnitzereien der Türfüllungen, erbaut von Johann Arnold Halbach (1745-1825), dem Besitzer des dortigen Blausensen-Werkes. Foto: Schmidt.

Nach der Schätzung Eversmanns war die Zahl der im Bergischen erzeugten Stahlsensen im Jahre 1804 ungefähr dreimal so groß wie in der Grafschaft Mark. So bietet das Werden und überraschend schnelle Aufblühen der Bergischen Blausensenfabrikation eins der bemerkenswertesten Beispiele für die Ablösung alter absterbender Gewerbe durch neue lebenskräftige Industrien. Die Erklärung ist wohl in erster Linie darin zu suchen, dass auf Grund mehrhundertjähriger Erfahrungen in der Stahlerzeugung und -bearbeitung die besten Vorbedingungen für das Gelingen des Versuchs vorhanden waren. Zweifellos sind auch in dem Müngstener Werk außer den erkundeten Kunstgriffen des steirischen Sensenhandwerks die von den Cronenberger Meistern gesammelten Erfahrungen verwertet worden.

Die Vorzüge der Stahlsensen gegen die aus Eisen mit Stahleinlage bestehenden Weißsensen waren verschiedener Art. Vor allem konnten die aus reinem Stahl gefertigten Sensen infolge der Elastizität ihres Blattes dünner und leichter ausgeschmiedet werden. Sie fuhren deshalb beim Schnitt besser durch die Halme hindurch als die plumperen Eisensensen. Dazu waren die Stahlsensen im Gebrauch von bedeutend längerer Dauer, weil das Blatt fast bis zum Rücken abgenutzt werden kann, während die eisenverstählten Sensen nur soweit schnittfähig sind, als das nur ein Zentimeter breite Stahlplättchen reicht. Ist dieses abgeschlissen, so ist das Werkzeug wertlos und kann zum alten Eisen geworfen werden, weil es nicht mehr schneidet.

Wie wir bereits sahen, wandten sich die Stahlsensenfabrikanten, die der Reihe nach zu den alteinheimischen Hammerwerksbesitzern gehörten, sofort dem mechanischen Betriebe zu. Hatte doch die Geschichte des Sensenhandwerks den Beweis geliefert, dass nur auf diesem Wege noch der Wettbewerb mit anderen Gegenden aufzunehmen war. Die Sensenwerke der Busch, Halbach und Hasenclever verfügten über drei verschiedene Arten von Hämmern, die als Reck-, Breit- und Klipperhämmer unterschieden wurden. Unterm Reckhammer wurde der Stahlstab derart bearbeitet, dass Schneide und Rücken der werdenden Sense erkennbar und die der Befestigung dienenden Teile schon im Rohen vorhanden waren. Die „Hamme", das Verbindungsstück zwischen Sensenblatt und Stil und der „Bart", die Verbreiterung am Ende des Blattes, traten nach dem Recken schon deutlich hervor. Nachdem das Werkstück wieder erhitzt worden war, wanderte es unter den Breit­hammer, der das Ausschlagen des Blattes besorgte. Da der Sattel des Breithammers den Amboss nicht gleichmäßig berührt, sondern einen keilförmigen Abstand lässt, so erhielt das Sensenblatt hier die erforderliche Verdünnung nach der Schneide hin. Sowohl das Recken als das Breiten erforderte eine große Geschicklichkeit. Mit scharfem Blick und sicherer Hand musste der Schmied das Werkstück bald der Länge nach, bald quer in den verschiedenen Richtungen unter den Hammer bringen, wobei ein verfehlter Schlag alles verderben konnte.

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