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Beschwerdeführer fordert neuen Namen für Hindenburgstraße

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Beatrice Schlieper.Dem Haupt- und Finanzausschuss sowie dem Beschwerdeausschuss der Stadt Remscheid liegt zur nächsten Sitzung der Antrag eines Bürgers (einer Bürgerin / Name von der Verwaltung geschwärzt) vor, für die Hindenburgstraße einen neuen Namen zu beschließen. Zwei Vorschläge werden gleich mitgeliefert: Dietrich Bonhoeffer und Anne Frank. Begründet wird die geforderte Namensänderung damit, dass Reichspräsident Paul von Hindenburg 1933 Adolf Hitler zur Macht verholfen habe, obwohl Hindenburg als Reichspräsident durchaus in der Lage gewesen wäre, die Zustimmung zur Hitlers Ernennung zu verweigern. Zitat: „Paul von Hindenburg propagierte außerdem die unselige Dolchstosslegende. Mit ihr wollte er dem deutschen Volk einreden, dass das deutsche Heer 1918 im Feld unbesiegt war, aber durch die Revolution in der Heimat zur Aufgabe gezwungen worden ist. Daher verdient es Hindenburg nicht, dass eine wichtige Straße in Remscheid nach ihm benannt wird. Andere Städte haben auch umbenannt: In Münster heißt der Hindenburgplatz jetzt Schlossplatz. Und die Solinger haben ihren Hindenburgplatz in Bertha-von-Suttner-Platz umbenannt.“ (Ende Januar 2013 hatten bereits die Remscheider Linken einen neuen Namen für die Hindenburgstraße gefordert.)

“Eine Umbenennung der derzeitigen Hindenburgstraße wäre ... durch Beschluss der zuständigen Bezirksvertretung rechtlich möglich“, teilt die Verwaltung zu dem Antrag mit. „Erweist sich ... die historische Persönlichkeit der Ehrung ... im Nachhinein als „unwürdig“, unterstellt die gängige Rechtsprechung ein legitimes Umbenennungsinteresse schon dann, wenn die Stadt nicht in eine öffentliche Diskussion um das Geschichtsbild der betreffenden Person hineingezogen werden will. Unabhängig von den kommunalpolitischen Erwägungen ... wird den Interessen der Straßenanlieger bei der Ermessensbetätigung nur ein geringes Gewicht beigemessen. Die Kostentragung (als Folge der Straßenumbenennung) wird in aller Regel von den Gerichten als zumutbar eingestuft, zumal bei einer vorherigen Benennung der Straße, die bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegt.“

Allgemein stellt die Verwaltung fest, dass Straßennamen auch zur Erinnerungskultur einer Stadt gehören, die sich seit dem 19. Jahrhundert in Deutschland wie auch in vielen anderen europäischen Gesellschaften entwickelt habe. „Neben Eingaben von Bürgern, Vereinen, Institutionen etc. enthüllen auch aktuelle wissenschaftliche Recherchen neue Erkenntnisse über namensgebende Persönlichkeiten, deren Leben und Wirken aus heutiger Sicht zumindest zweifelhaft sind. Darauf folgt oft, wie in der vorliegenden Eingabe an den Rat der Stadt Remscheid, der Ruf zur Umbenennung von Straßen. Allerdings wird diese Fragestellung meistenteils in Politik und Bevölkerung (bis hin zu Bürgerentscheiden) sehr kontrovers diskutiert, so dass es bis zum heutigen Zeitpunkt in vielen Städten und Gemeinden nur in Ausnahmefällen auch tatsächlich zu Umbenennungen kam.“

Um die Diskussion über geehrte Personen und historische Persönlichkeiten nicht nur einzelfallbezogen und unsystematisch zu führen, hätten einige Städte inzwischen Konzepte entwickelt, um die Biografien namensgebender Persönlichkeiten im Kontext der historischen Situation genauer zu beleuchten. Ziel dieser Konzepte sei nicht die undifferenzierte Massenumbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen. Vielmehr solle den politischen Gremien wissenschaftlich fundiertes Material zur Verfügung gestellt werden als Grundlage „zu einem verantwortungsvollen, rückschauenden Urteil“ über die einst durch einen Straßennamen geehrten Persönlichkeiten.


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