Remscheids große Kaufmannsfamilien haben viel zu den architektonischen Akzenten beigetragen, die in der Stadt und auch schon vor der Stadtbildung 1808 im Gebiet der späteren Kommune gesetzt worden waren. Sie prägten auch das Leben entscheidend mit: durch ihren Erfindergeist und ihr weltweit wirkendes Unternehmertum, das Arbeitsplätze schuf, durch ihren Einsatz für Gemeinschaftseinrichtungen, die das Alltagsleben erleichterten. Wer waren sie: die Arnz' und die Bökers, die Diederichs' und Halbachs, und die Hasenclevers? Nun, ihre Familiengeschichte kann hier nicht ausgebreitet werden. Aber ein paar Andeutungen mögen helfen, diese Frage zu beantworten.
Die Arnz' vom Büchel sind 1620 unter den Remscheider Stahlhändlern zu finden die den damals auf dem Gebiet des Exportes schon recht regen Lüttringhausern Konkurrenz machten, und auch die Hasenclevers rühren sich um diese Zeit, da der Dreißigjährige Krieg gerade begonnen hatte, als Exporteure sehr beträchtlich. Die Lüttringhauser und Remscheider Eisen- und Stahlhändler führten Direktlieferungen nach Holland durch, und ihre Handelsgüter waren Stäbe (Stabwaren), Sicheln, Eisen und Stahl. Die Diederichs' und die Halbachs zählen zu den Familien, die um 1700 in der Liste jener Messermacher auftauchen, die in Lüttringhausen zu den privilegierten Trägern dieses Handwerks zählten. In der Zeit der wirtschaftlichen Hochblüte des Remscheider Raumes im ausgehenden 18. Jahrhundert sind die Diederichs' Inhaber eines Handelshauses, das auf allen Weltmeeren Schiffe unterhält, Remscheid den Namen der »Seestadt auf dem Berge« einbringt. Und so verwundert es denn weiter nicht, dass Johann Gottlieb Diederichs, Teilhaber des Handelshauses J. P. Diederichs & Söhne, 1808 zum ersten Maire von Remscheid ernannt wird. Damit war der Wohlstand der Familie aber keineswegs gesichert. Die Franzosenzeit hatte die Blüte der Remscheider Wirtschaft erfrieren lassen. Maire Diederichs machte sich zwar mit einem umfangreichen »Memoire« zum Sprecher der gesamten Wirtschaft von Remscheid, Lennep und Lüttringhausen, aber sein Versuch, dem heimischen Gewerbe und dem Handel aufzuhelfen, scheiterte an den starren Autarkiegrundsätzen der französischen Wirtschaftspolitik. Schmuggel und Schwarzhandel blühten. Jedes Mittel war recht, sich gegen die lähmende Unterdrückung des heimischen Gewerbelebens zu wehren. Ausgerechnet das Handelshaus J. P. Diederichs und Söhne gehörte zu den am schwersten getroffenen Firmen. Es erlitt durch die Kaperung eigener und gecharterter Schiffe so schwere Verluste, dass es sich nicht mehr davon zu erholen vermochte.
Hasenclevers, so darf man vermuten, sind seit dem 16. Jahrhundert im Remscheider Raum, doch jenes Haus im Hasenclev ist nicht zum Stammhaus einer großen Familie geworden, die Remscheid eine Reihe hervorragender Persönlichkeiten schenkte, sondern das letzte erhaltene Längsdielenhaus in Ehringhausen. Die Hasenclevers waren schon in der Blütezeit des 18. Jahrhunderts unter den Familien zu finden, die als kapitalkräftige Kaufleute selbst leistungsfähige Betriebe aufbauen konnten. Hasenclevers machten sich im 18. Jahrhundert auch schon als Ärzte um die Remscheider verdient. Familienmitglieder waren Hammerbesitzer und Kaufleute. Dass im Hause späterer Hasenclevers der Geheime Rat Goethe zu Besuch war, dass aus dieser Familie ein namhafter Maler, Johann Peter Hasenclever, ein Schadow-Schüler, hervorging, dass die Stiftung des Krankenhausgeländes auch dieser Familie zu verdanken war, sei hier nur am Rande erwähnt.
Die großen Remscheider Familien kamen, mochten ihre hervorragenden Vertreter auch noch so tüchtig sein, nicht aus ohne die hervorragende Arbeitskraft, den Fleiß, die Beharrlichkeit und die Bedürfnislosigkeit der bergischen Arbeiter, die bis zum Aufkommen der Maschinen auch in den meisten Fällen ihre eigenen Unternehmer waren, und die darum erbittert reagierten, als ihnen die Selbständigkeit verlorenzugehen drohte. Zwar waren es 1848, als die Revolution in Deutschland Gehversuche machte, in erster Linie drückende Teuerungsverhältnisse, hohe Brotpreise und Arbeitslosigkeit, die sich in Remscheid durch Unruhen Luft machten. Aber auch der Sturm auf die verhasste Burgtalfabrik bei Burg zwischen Remscheid und Solingen, die gegossene Scheren und Scheuerwaren herstellte und von aufgebrachten Solinger Volksmassen am 17. März 1848 restlos zerstört wurde, machte den zuschauenden Remscheidern klar, woher ihnen der Verlust der geliebten Selbständigkeit und Freiheit drohte: von der Maschine. Das gute Verhältnis zwischen Dienstherr und Dienstnehmer ließ lange Zeit keinen Herr-Knecht-Abstand aufkommen, aber der drohende Verlust der gewerblichen Freiheit hatte eine um so radikalere Zuwendung zum Marxismus zur Folge. Verlorene Werkstatt, verlorenes väterliches Erbe, verlorene wirtschaftliche Tradition, das alles rief die Protestgebärde mit Macht hervor. Remscheid wurde »rot«. Doch ehe wir uns in die schwierige Thematik der Arbeitskämpfe und ihre unterschiedlichen Ursachen vertiefen, werfen wir einen Blick zurück auf die Anfänge der Remscheider Industrie. (wird fortgesetzt) (aus: Remscheid so wie es war, von Dr. Gerd Courts, erschienen 1974 im Droste Verlag.)